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Rekordfrachtraten bei Containern: An Weihnachten drohen höhere Preise

Die Containerfrachtraten haben sich seit den globalen Lockdowns auf der maßgebenden Route Shanghai-Europa mehr als versiebenfacht. Nicht alle Waren dürften sich gleichermaßen im Einzelhandel verteuern, sagt ein Branchenkenner.

Container-Schiff im Hafen von Rijeka, Kroatien, 1. September 2021

IMAGO / Pixsell

Die Frachtraten in der Container-Seefahrt sind historisch hoch. Das dürfte Waren aus China bis Weihnachten verteuern. „Leere Regale drohen an Weihnachten nicht, aber mit Sicherheit höhere Preise“, sagt Jan Hoffmann, der den Bereich Handelslogistik der UNO-Organisation Unctad in Genf leitet. Betroffen seien vor allem Waren mit großen Raumvolumen und geringem Wert – im Gegensatz zu Produkten, die klein und teuer seien. „Bei billigeren Möbeln schätze ich heute, dass die Frachtrate von China nach Deutschland circa 75 Prozent des Warenwertes ausmachen kann, wogegen die Frachtkosten bei bestimmten höherwertigen Gütern auch heute noch nur weniger als ein halbes Prozent des Ladenpreises ausmachen“, sagt Hoffmann.

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Laut den Zahlen von Hoffmann ist der Frachtkostenanteil am Einzelhandelspreis teils rasant gestiegen. Etwa für billige und großvolumige Unterhaltungselektronik: Hier machen die Kosten für das Verschiffen eines Standardcontainers inzwischen rund 21 Prozent des Preises aus, den der Endverbraucher im Geschäft bezahlt. Im Schnitt der vergangenen zwölf Jahre lag der Kostenanteil lediglich bei rund 3 Prozent. Ähnlich verteuert hat sich der Schiffstransport für große Haushaltsgeräte (49 Prozent), Automobilteile (30 Prozent) und Spielzeuge (25 Prozent). Weniger betroffen sind Kleidung (7 Prozent), Fahrräder (6 Prozent) und Sportschuhe (4 Prozent). Gleichwohl dürften Aldi, Saturn und Co. von den höheren Spotpreisen erst mit Zeitverzögerung betroffen sein, da sie längerfristige Verträge mit den Reedereien abgeschlossen haben dürften.

Die Preise steigen indes nicht bloß auf Routen nach Europa, sondern auch in die USA oder nach Santos in Brasilien. Etwa knackten sie Ende August die 11.000 US-Dollarmarke auf den Strecken an die US-Ostküste. „Die Frachtraten haben historisch hohe Werte erreicht – und sie steigen noch“, erklärt Jan Hoffmann gegenüber TE. Wer etwa einen Standardcontainer von Shanghai nach Europa verschiffen wollte, zahlte noch zum Jahresanfang 2020 etwas mehr als 1000 US-Dollar. Derzeit liegt der Preis im Bereich von 7400 US-Dollar. Aber auch bei Massengütern wie Getreide oder Erz, die auf sogenannten Massengutfrachtern transportiert werden, seien die Preise hoch. Etwa stieg der Schifffahrtsindex Baltic Dry innerhalb eines Jahres um satte 182 Prozent.

Hoffmann sieht den Hauptgrund für die hohen Frachtraten in einer Weltnachfrage, die höher als erwartet sei, und in geringen Frachtkapazitäten bei Schiffen und Containern. „Durch Covid brauchen Schiffe, Container, Lastwagen etc. länger, um die Güter ans Ziel zu bringen. Diese zusätzliche Zeit bindet Kapazitäten, die dann weltweit fehlen“, sagt er. Ein Sprecher von Hapag-Lloyd erklärte Ende Mai gegenüber TE, dass Container 20 Prozent mehr Zeit für eine durchschnittliche Fahrt hin und zurück benötigten. Das erhöhe den Bedarf an Containern um 20 Prozent. Ursache des längeren Transports sei etwa fehlendes Hafenpersonal wegen Quarantäne-Regelungen oder Corona-Erkrankungen, sagte er. Am Freitag wurde bekannt, dass Hapag-Lloyd 75.000 Standardcontainer bestellt hat, um Engpässe auszugleichen. Damit habe man den Bestand um 625.000 Standardcontainer seit dem Jahr 2020 erhöht, teilte das Unternehmen mit.

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Erst im August hatten die chinesischen Behörden das Containerchaos verschärft, als sie einen Terminal des zweitgrößten Hafens des Landes schlossen. Grund war laut der Bild, dass ein einziger Hafenmitarbeiter positiv auf das Coronavirus getestet worden war. Seit wenigen Tagen ist der Terminal nahe Shanghai wieder geöffnet, der laut der Tagesschau für etwa ein Fünftel des gesamten Containerumschlags des Hafens steht. Knapp 2000 Hafenmitarbeiter waren zwei Wochen lang in Quarantäne gewesen.

Mit einer raschen Entspannung rechnet Jan Hoffmann indes nicht – trotz der Terminalöffnung am Hafen Ningbo Zhoushan. „Ich fürchte, das wird noch weit bis ins nächste Jahr dauern. Und selbst danach wird es viele Jahre brauchen, um wieder auf die niedrigen Raten der 2010er-Jahre zurückzukommen“, sagt er. Auch Rolf Habben Jansen, der Chef von Hapag-Lloyd, erklärte Mitte August, er rechne frühestens im ersten Quartal des kommenden Jahres mit einer Erholung. Im Mai hatte die Hamburger Reederei noch eine Erholung im dritten Quartal dieses Jahres vermutet.

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