Tichys Einblick
Ukraine und »Green-Deal«

Forderung von Bauern: »Wir brauchen eine Zeitenwende«

Durch die enorm hohen Preise für Dünger und Pflanzenschutzmittel haben wir de facto eine Dünger- und Pflanzenschutzmittelsteuer. Und das ganz ohne direkte staatliche Eingriffe.

IMAGO / Christian Thiel

Beunruhigender könnten die Nachrichten nicht sein: Die Lage in der Ukraine spitzt sich aufgrund des Krieges zu – nicht nur in den Städten, die zerbombt und zerschossen werden, sondern auch auf den Feldern. Die Ukraine gilt als eine der wesentlichen Kornkammern der Welt, zählt mit zu den größten Weizen- und Maisproduzenten und zu den weltweit wichtigen Agarexporteuren. Im März beginnt mit der Frühjahrsbestellung die entscheidende Arbeit auf dem Acker, jetzt müssten die landwirtschaftlichen Betriebe die Aussaat vorbereiten und Dünger ausbringen.

Doch die Mitarbeiter der großen landwirtschaftlichen Betriebe arbeiten vermutlich zum großen Teil nicht mehr in den Betrieben, sondern kämpfen gegen die russischen Invasoren. Von einem Betrieb mit 2.000 Mitarbeitern wird berichtet, dass sich nur noch 200 Mitarbeiter um die Landwirtschaft kümmern können. Diesel wird an die Armee abgegeben, die Traktoren haben keinen Treibstoff. Die landwirtschaftlichen Flächen werden derzeit von Panzern durchpflügt und zerstört. Tote liegen herum.

Ägypten wartet dringend auf eine Schiffsladung mit Getreide. Doch die Häfen in der Ukraine sind vermint. Fehlende Weizenexporte aus der Ukraine treffen vor allem nordafrikanische Länder, die drei Viertel ihres Bedarfes importieren müssen – einen Großteil aus der Ukraine.

Kein Zweifel: Die Welt steuert auf eine drastische Verknappung der Lebensmittel zu.
Russland hat ein Exportverbot für Dünger erlassen, damit er im eigenen Land bleibt. Währenddessen hat das Land seinen eigenen Getreideanbau erheblich ausgedehnt. Russische Agrarmarkt-Analysten erwarten eine Getreideknappheit in Europa, damit höhere Preise und höhere Erlöse beim Verkauf von Getreide. Daher bewirtschaftet Russland in diesem Jahr Flächen, die im vergangenen Jahren nicht bearbeitet wurden.

Allerdings ist auch der Export landwirtschaftlicher Maschinen nach Russland aus Gründen des Embargos gestoppt. Vor allem deutsche Maschinenbauer können ihre Dependancen in Russland nicht mehr unterhalten und können vor allem landwirtschaftliche Maschinen nicht mehr reparieren.

Einen Preisschock bei Lebensmitteln erwarten die Wirtschaftsforscher des Münchner Ifo-Institutes. Die Hersteller müssten ihre Preise anheben, weil die Produktion teurer werde. Zwei Drittel der Nahrungsmittelhersteller planten Umfragen des Ifo-Institutes zufolge demnächst Preissteigerungen. Nahrungsmittel dürften damit ein wesentlicher Treiber der Inflation werden.

Auch in Deutschland haben die Erzeuger mit erheblichen Preissteigerungen für Düngemittel und Dieseltreibstoffen zu kämpfen. Die Produktionskosten der Bauern steigen drastisch. Ihnen fehlt sogar Dünger.

Zusätzlich sorgt hierzulande eine grüne Agrarpolitik dafür, dass weniger geerntet werden kann und Lebensmittel knapp und damit teuer werden. Denn aufgrund der Düngeverordnung müssen die Bauern ihre Düngemengen reduzieren. Damit gehen die Erträge zurück. Pflanzen, die nicht vollständig ernährt werden, gedeihen nicht mehr richtig. Ebenso müssen auf den Äckern »Blühstreifen« angelegt werden, das reduziert die Anbauflächen erheblich.

Dabei zählt Europa zu den sogenannten Gunstregionen, auf denen hohe Ernteerträge möglich sind. Das, was hier weniger geerntet wird, muss in anderen Teilen der Welt auf deutlich mehr Flächen angebaut werden.

Beunruhigender könnte die Lage also kaum sein. Dennoch beharren grüne Regierungspolitiker auf ihrer agrarpolitischen Linie. Die grüne agrarpolitische Sprecherin Renate Künast sagt tatsächlich: »Der Green Deal ist heute wichtiger denn je.« Der grünen Politikerin, die selbst sehr gut verdient und schon früher gern anderen vorschreiben wollte, was sie zu essen haben, sind teure Lebensmittel und mögliche Hungersnöte offenbar gleichgültig. Sie beharrt auf jenem höchst umstrittenen »Green-Deal«, der letztlich bedeutet, dass fachlich gut ausgebildete Landwirte mit hoch entwickelter Landwirtschaftstechnik zum Aufgeben motiviert und durch ineffizient  produzierende Bauern ersetzt werden sollen, wodurch die Erträge extrem reduziert werden.

Bauern sollen weniger produzieren. Wohlgemerkt: Mit jenem »Green-Deal« sollen die Bauern gezwungen werden, weniger Pflanzenschutz zu betreiben. Damit wird ein größerer Teil Raub von Pflanzenschädlingen und Pilzen und Bakterien.

In Sachen Welternährung und Lebensmittelversorgung brennt es lichterloh, während deutsche Politiker von ökologischen Krisen sprechen. Die Ignoranz und Unfähigkeit im Berliner Landwirtschaftsministerium ist erschreckend. Dort sitzt derzeit der grüne Minister Cem Özdemir auf dem Chefsessel, sieht von dort aus die Versorgung innerhalb der EU nicht gefährdet und verkündet in einer Pressemitteilung, dass Lebensmittel teurer werden – »nicht zuletzt wegen der stark gestiegenen Energiekosten«. »In der Konsequenz können wir auch nicht ausschließen, dass das bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern an der Supermarktkasse ankommt«, heißt es in der Mitteilung weiter.

Einer Kampfansage an die gesicherte Versorgung mit preisgünstigen Lebensmitteln kommt der Satz gleich: »Wer aber in dieser Situation fordert, erste Schritte der Europäischen Agrarpolitik hin zur Förderung einer klima- und umweltschonenden Landwirtschaft zurückzudrehen, dem will ich ganz deutlich machen, dass er hier auf dem Holzweg ist. Um das Recht auf Nahrung nachhaltig weltweit zu sichern, müssen wir die ökologischen Krisen entschieden bekämpfen.«

Der Bundeslandwirtschaftsminister müsste sich von Haus mit Grenzwerten, Nitratrichtlinien, roten Gebieten und der europäischen gemeinsamen Agrarpolitik befassen. Doch auf Dauer eine anstrengende Lektüre. Eine zu anstrengende Lektüre, denn Özdemir hat eine Weisung in das Landwirtschaftsministerium erteilt, weniger Vorlagen für ihn zu erstellen. Es reiche, wenn die Staatssekretäre die Papiere lesen. Diese Weisung bestätigte der Pressesprecher des Ministeriums gegenüber der Bild-Zeitung.

Was stattdessen zu tun wäre, fasst »Bauer Willi« präzise zusammen:


Auf vielfachen Wunsch unserer Leser bieten wir hier eine leicht gekürzte Fassung der Diskussion zu dem Thema aus der Sendung Tichys Ausblick an:

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