Tichys Einblick
Energie verteuert sich zweistellig

Hohe Inflation im Euroraum: EZB bleibt dennoch auf bisherigem Kurs

Die Energiepreise stiegen im Vergleich zum Vorjahresmonat um 28,6 Prozent. EZB-Präsidentin Christine Lagarde sieht nun zwar die Brisanz der Inflation. Aber ihre Antwort bleibt schwammig: Wegen der „aktuellen Unsicherheit“ sei eine flexible Geldpolitik besonders wichtig.

Christine Lagarde, Präsidentin der EZB bei der Pressekonferenz am 03.02.2022

IMAGO / Political-Moments

Auf 5,1 Prozent im Euroraum: So hoch stieg die Inflationsrate nach einer ersten Schätzung des Statistikamts Eurostat in Luxemburg und ist damit der höchste Stand seit der Euro-Einführung. Für das erste Quartal hatte die Europäische Zentralbank (EZB) einen Anstieg von 4,1 Prozent angekündigt – was offenbar eher mit Wunschdenken einhergeht als mit realistischer Einschätzung, denn bereits im Dezember 2021 hatte die Teuerung im Euroraum bei 5,0 Prozent gelegen. Volkswirtschaftler hatten für den Jahresbeginn mit einer Rate von 4,4 Prozent gerechnet.

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Grund für den erneuten Anstieg waren vor allem die Preise für Energie, also die Kosten für Kraftstoffe und Heizen. Im Vergleich zum Vorjahresmonat stiegen sie um 28,6 Prozent. Lebens- und Genussmittel waren 3,6 Prozent teurer als vor einem Jahr, Dienstleistungen 2,4 Prozent. Es liegt also auf der Hand: Das mittelfristige Inflationsziel der EZB von zwei Prozent wird mehr als deutlich überschritten. Nach wie vor glaubt die EZB, die Inflation werde durch „Sonderfaktoren“ getrieben. Daher rechnet sie im Jahresverlauf mit einem Rückgang der Inflation, also mit einem vorübergehenden Phänomen.

Doch wie schon der frühere Bundesbankpräsident Karl Otto Pöhl einmal gesagt haben soll: „Inflation ist wie Zahnpasta. Ist sie erst mal heraus aus der Tube, bekommt man sie kaum mehr rein.“ Will heißen: Ohne Sauerei ist es bisher noch niemandem gelungen, die Zahnpasta zurück in die Tube zu drücken. Um Milton Friedman zu zitieren: „Die Inflation ist die einzige Steuer, die ohne Gesetz erhoben werden kann.“

Das Statistische Bundesamt hatte am Montag für Deutschland einen Anstieg der Verbraucherpreise um voraussichtlich 4,9 Prozent für den Monat Januar gemeldet. Auch hier hatten Ökonomen mit weniger gerechnet. Sicherlich sind auch die gestiegenen Erdölpreise ein Grund für die Teuerung – und die Erdgaspreise sind an deren Entwicklung gekoppelt. Dennoch liegen die Gründe für die exorbitanten Energiepreise auch bei den hohen staatlich geforderten Abgaben und Steuern.

Der Präsident des Bundes der Steuerzahler, Rainer Holznagel, sagt in einem Interview mit Tichys Einblick etwa zur Senkung oder Abschaffung der EEG-Umlage: Das „ist noch nicht ausgemacht, ob die Bürger insgesamt entlastet werden. Schließlich fallen die Milliarden-Ausgaben zur Förderung der Ökostromanlagen ja nicht weg, nur weil sie nicht mehr auf die Stromkunden umgelegt werden. Sie werden dann eben aus dem Bundeshaushalt bezahlt – und damit von den Steuerzahlern. Und diese wiederum werden verstärkt durch CO₂-Preise belastet, an denen der Staat gut verdient. Allein im vergangenen Jahr hat der Bund durch die europäische und nationale CO₂-Bepreisung rund 12,5 Milliarden Euro eingenommen. Zum Vergleich: Im laufenden Jahr wird die EEG-Umlage durch einen Bundeszuschuss von knapp 3,3 Milliarden Euro gesenkt. Bei den zugesagten Entlastungen ist also noch Luft nach oben!“

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Unterm Strich hätte Holznagel es gut gefunden, wenn die neue Bundesregierung alle Möglichkeiten ausschöpfte, um Bürger tatsächlich schnell und unbürokratisch zu entlasten – zum Beispiel bei der Stromsteuer. Er plädiert für die Abschaffung der Stromsteuer. „Ja, sie sollte so weit abgeschafft werden, wie EU-Recht dies zulässt. Dieses EU-Recht sieht eine Mindestbesteuerung von 0,1 Cent pro Kilowattstunde für Haushaltsstrom vor. Der deutsche Fiskus verlangt aktuell aber 2,05 Cent – mehr als 20 Mal so viel.“

Die Verbraucher spüren schon längst die Inflation in ihren Portemonnaies und auf den Bankkonten. Dabei haben nach einer Umfrage mehr als die Hälfte der Unternehmen in Deutschland ihre Preise noch gar nicht angepasst, wie das Handelsblatt angibt. Die Inflation ist längst nicht mehr nur „gefühlt“, sondern definitiv real.

Preissteigerungen fielen in Deutschland nach Berechnungen der GfK (Gesellschaft für Konsumforschung) im vergangenen Jahr vor allem im Elektro-Segment um vier Prozent an. Fotogeräte stiegen um rund 20 Prozent, PCs und Laptops wurden teurer, auch Kaffeemaschinen und Elektro-Haushaltsgeräte allein um 8,7 Prozent.

Teils sind in Fachgeschäften Wunschprodukte nicht mehr verfügbar, wie das Handelsblatt meldet. Am heftigsten treffe es die Elektroartikel. „Auch wenn nicht überall direkt Regallücken sichtbar sind, hat die durchschnittliche Zahl an Produkten pro Händler abgenommen“, berichtet Tatjana Wismeth, Lieferketten-Expertin der GfK. Auch Möbel und Einrichtungsgegenstände wurden deutlich teurer.

Produkte in Supermärkten sind von Preissteigerungen nicht ausgenommen. Jede siebte Warengruppe im Supermarkt, so das Handelsblatt, war laut GfK mehr als zehn Prozent teurer. Neun von zehn Warengruppen lagen im zweiten Halbjahr über den Preisen des Vorjahres. „Die Preiserhöhungen sind sehr sichtbar bei Basisartikeln wie Eiern, Margarine oder Kartoffeln, ebenso bei Toilettenpapier oder Küchenrollen“, betont Wismeth. Auch Produkte wie Pralinen oder Gemüsekonserven wurden über zehn Prozent teurer.

Indessen bleibt die EZB wie zuvor bei ihrem Kurs. Sie belässt laut Meldungen vom Donnerstag den Einlagenzins auf dem bisherigen Niveau von minus 0,5 Prozent und den Leitzins bei null Prozent. Das in der Pandemie aufgelegte Notfall-Kaufprogramm PEPP soll Ende März 2022 auslaufen.

Verwirrender Begriff
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Auf ihrer Pressekonferenz zur Geldpolitik führt EZB-Präsidentin Christine Lagarde die hohen Verbraucherpreise auf gestiegene Energie- und Nahrungsmittelpreise zurück. Die Inflation werde länger hoch bleiben als erwartet. Doch nach wie vor ist sie der Ansicht, die Inflation werde im Lauf des Jahres zurückgehen. Andererseits unterstreicht sie, dass es „Aufwärtsbewegungen bei der Inflation“ gibt – verknüpft es aber mit dem Nachsatz: vor allem kurzfristig. Gäbe es in der Folge ein höheres Lohnniveau könne es zu einer Preis-Lohn-Spirale führen.

Der EZB-Rat sei in der Lage, alle Instrumente anzupassen, sodass sich die Inflationsrate auf die beabsichtigten zwei Prozent zurückentwickle. Nahrungsmittelpreise seien wegen höherer Transportkosten, steigender Preise für Düngemittel und saisonale Faktoren gestiegen, so Lagarde.

Jedoch gesteht sie ein, die Preise stiegen allgemein fast durchgängig. Was die Märkte angehe, so sei wegen der „aktuellen Unsicherheit“ eine flexible Geldpolitik besonders wichtig. Was darauf schließen lässt, der EZB-Rat denkt über eine Zinserhöhung nach.

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