Wer dieser Tage die Nebenkostenabrechnung für seine Mietwohnung erhält und mit Fernwärme versorgt wird – oder die Abrechnung seines Gasverbrauchs für das vergangene Jahr, ob für die Mietwohnung oder das Eigenheim, dürfte schlicht erschüttert sein. Das Vergleichsportal Check24 ermittelte:
„Am 22. Dezember 2021 erreichte der Preis für eine Megawattstunde Gas mit 211,50 Euro pro MWh den Höchststand und verdoppelte sich somit innerhalb von nur zwei Wochen. Anfang Januar liegt der Gaspreis bei 94,55 Euro pro MWh (Stand 07.01.). Aufgrund der Flüssiggaslieferung aus den USA an Europa ist der Großhandelspreis für Gas am Spotmarkt zuletzt zurückgegangen. Trotzdem bleibt der Einkaufspreis für Gas auf einem hohen Niveau und auch die Endkundenpreise werden vorerst nicht sinken. Aufgrund der extrem dynamischen Situation am Gasmarkt kalkulieren viele Gasanbieter die Tarife neu. Zudem hat die Bundesnetzagentur im November 2021 die Genehmigung der Ostseepipeline Nord Stream 2 vorläufig ausgesetzt, was zu einer weiteren Anspannung der Großhandelspreise geführt hat. Zusätzlich erhöht sich ab Januar 2022 der CO2-Preis. Viele Gasanbieter geben diese Preissteigerungen an die Verbraucher weiter. Im Durchschnitt betragen die Preiserhöhungen 68,6 Prozent in der Grundversorgung.“
Dasselbe gilt für die Stromrechung. Die Strompreise befinden sich aktuell auf einem Rekordhoch. Der durchschnittliche Strompreis für Privathaushalte in Deutschland ist seit dem Jahr 2000 von 13,94 auf rund 32 Cent pro Kilowattstunde im Jahr 2021 gestiegen. Dies entspricht einer Steigerung von 129 Prozent beziehungsweise sechs Prozent pro Jahr.
Inflation ist gekommen, um zu bleiben
Seit den 1970er Jahren seien starke Bewegungen der Energiepreise eine wiederkehrende Quelle wirtschaftlicher Verwerfungen und Volatilität, so Schnabel. Und doch dürften die Wurzeln des heutigen Schocks tiefer liegen. In der Vergangenheit hätten Notenbanken aus guten Gründen starke Schwankungen der Energiepreise nicht berücksichtigt. Also übersetzt: erst mal nicht zur Kenntnis nehmen und abwarten.
Der messbare Anstieg der CO2-Preise wird dazu beitragen, den grünen Übergang zu beschleunigen, ergänzt Schnabel. Sei der Preisanstieg hartnäckig, schrecke er stark von neuen Investitionen in fossile Energieträger ab. – Mehr als nur ein Wunschgedanke?
Weiter führt Schnabel aus: In der EU haben sich die Preise im Rahmen des Emissionshandelssystems (ETS) in letzter Zeit schnell diesem Niveau angenähert, was teilweise die Erwartungen widerspiegele, dass die EU sich verpflichtet hat, den Übergang zu sauberer Energie zu verwirklichen. Anfang Dezember erreichten die ETS-Preise mit knapp 90 Euro pro Tonne CO2 ein neues Rekordhoch, fast dreimal so hoch wie Anfang 2021 und ein Vielfaches ihres Niveaus vor einigen Jahren.
Deutschland finanziert Energie-Geld in Italien
In Italien beschließt Premier Mario Draghi Milliardeninvestitionen, um den Preisanstieg für seine Bürger bei Strom und Gas in Grenzen zu halten. Das Geld dafür dürfte aus dem gemeinsamen 750-Milliarden-Euro Topf kommen. Deutsche Stromabnehmer bezahlen 32 Cent für die kWh, in Italien sind 23 Eurocent fällig, was etwa dem EU-Durchschnittspreis entspricht.
In Frankreich werden die Energiepreise gedeckelt. Es gibt eine Preisbremse für Gas und Strom. Geringverdiener sollten im Dezember zudem einen Energiescheck über 100 Euro erhalten. Auch der sogenannte Inflationsausgleich beträgt 100 Euro. Er soll die Folgen der Teuerung zusätzlich lindern und landet sogar auf dem Konto von 38 Millionen Franzosen. Das sind all jene, die weniger als 2.000 Euro netto im Monat verdienen. Also mehr als das halbe Volk, berichtet die FAZ Ende Dezember 2021. Der Gaspreis darf die seit Anfang Oktober geltenden Tarife nicht übersteigen. Die Heizungsrechnung der Franzosen würde sonst um 30 Prozent steigen, so Premierminister Jean Castex. Auch der Strompreis werde nicht erhöht, ab Anfang 2022 dann höchstens um vier Prozent. – Die Differenz wird also aus dem Staatssäckel bezahlt.
Die EZB möchte dem Preisanstieg wohl entgegentreten. Denn die steigenden Preise erhöhen den Druck auf die Europäische Zentralbank, deren lockere Geldpolitik zuletzt zunehmend in die Kritik geraten war. Wenn Energie ständig teurer werde, könne dies die EZB zu einer Abkehr von ihrer bisherigen Geldpolitik bewegen. Commerzbank-Analyst Christoph Weil rechnet aber weiter fest damit, dass die EZB die Leitzinsen in diesem Jahr noch nicht erhöhen wird.
Die Inflation kommt also, um dauerhaft zu bleiben.