Tichys Einblick
Memorandum

Ex-Notenbanker greifen die EZB frontal an

Fünf frühere europäische Notenbanker kritisieren in einem gemeinsamen Memorandum die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank. Sie beruhe auf einer Fehldiagnose, verletze den Maastricht-Vertrag und befördere soziale Spannungen.

© Hannelore Foerster/Getty Images

Es sind große Namen der europäischen Finanzwirtschaft. Fünf frühere Notenbanker aus Frankreich, Deutschland, Österreich und den Niederlanden sind am Freitag mit einem gemeinsamen kritischen Memorandum zur Geldpolitik der EZB an die Öffentlichkeit gegangen. Sie machen der EZB schwerste Vorwürfe.

Die Unterzeichner sind: Herve Hannoun (ehemaliger erster stellvertretender Gouverneur der französischen Notenbank), Otmar Issing (ehemaliges Mitglied des Direktoriums der EZB), Klaus Liebscher (ehemaliger Gouverneur der österreichischen Zentralbank), Helmut Schlesinger (ehemaliger Bundesbankpräsident), Jürgen Stark (ehemaliges Mitglied des Direktoriums der EZB) und Nout Wellink (ehemaliger Gouverneur der niederländischen Zentralbank).

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In dem Papier, das über die Nachrichtenagentur Bloomberg nur in englischer Sprache veröffentlicht wurde, schreiben sie „als frühere Zentralbanker und europäische Bürger“, dass sie „den anhaltenden Krisenmodus der EZB mit wachsender Sorge“ beobachten. Sie meinen damit die „extrem lockere Politik in Jahren des Wirtschaftswachstums und der Preisstabilität“, zu der sich die EZB nun auch noch angesichts des Konjunkturabschwungs bis auf weiteres verpflichtet habe.

Konkret kritisieren die Unterzeichner, dass die EZB ihr so genanntes Inflationsziel von „unter, aber nahe zwei Prozent“ weiterverfolge. Die von der EZB behauptete Gefahr einer Deflation bestehe überhaupt nicht. Die EZB-Geldpolitik beruhe daher auf einer falschen Diagnose. Das Argument, die EZB verletze ihr Mandat, wenn die Inflation zu niedrig ist, sei einfach falsch. Die Vorgabe des Maastricht-Vertrags sei schließlich in erster Linie der Erhalt der Preisstabilität.

Die Unterzeichner fürchten vor allem, dass die EZB nun eine „symmetrische“ Interpretation des Ziels durchsetze, wonach angesichts vergangener Inflationsraten unter zwei Prozent in den nächsten Jahren zum Ausgleich auch Raten über zwei Prozent angemessen wären. Den Glauben, die EZB könne diese Raten dann wieder senken, halten die Ex-Notenbanker für höchst fragwürdig.

Sie äußern außerdem den Verdacht, dass das Anleihekaufprogramm der EZB nicht auf die Förderung des Wachstums, sondern auf den Schutz hochverschuldeter Staaten vor allzu hohen Zinsen abziele. Letztlich bedeute das Staatsfinanzierung und die untersagt der Maastricht-Vertrag bekanntlich streng.

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Die Niedrigzinspolitik bedeute außerdem einen Umverteilungseffekt zum Vorteil von Vermögensbesitzern. Was wiederum „ernste soziale Spannungen“ erzeuge. Zinssätze hätten ihre Steuerungsfunktion eingebüßt. Die Folge sei unter anderem eine „Zombifizierung“ der Wirtschaft. Wenn es zu einer großen Krise kommt, werde diese „von ganz anderer Dimension sein als die, die wir zuvor erlebt haben.“

Hier das Memorandum im englischen Original, wie es von der Nachrichtenagentur Bloomberg veröffentlicht wurde:

“As former central bankers and as European citizens, we are witnessing the ECB’s ongoing crisis mode with growing concern. The ECB has pursued an extremely accommodative policy for years of economic growth and price stability. The recent slowdown in economic activity, although regarded as temporary by the ECB itself, and risks due to Brexit and the trade war, have prompted the ECB to resume net asset purchases and further reduce the already negative deposit rate. Moreover, the ECB has committed itself to pursuing this extremely accommodative path for quite some time yet.

Our concern relates in particular to the following aspects of monetary policy.

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