Tichys Einblick
Kommt es zum Baumwoll-Aus?

EU-Vorschriften erschüttern Textilbranche: Baumwolle steht vor potenziellem Verbot

Die Europäische Union plant im Rahmen der Dekarbonisierungsziele und der optimierten Kreislaufwirtschaft umfassende Regulierungen der Textilindustrie. Besonders gravierend wäre eine daraus resultierende Einschränkung oder sogar ein mögliches Verbot von Baumwolle ab 2030.

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Baumwolle ist ein Grundpfeiler der Textilindustrie und gehört zu den am häufigsten genutzten Fasern für Kleidung und andere Stoffe. Die Popularität verdankt sie ihrem günstigen Preis, der leichten Verarbeitung und der unkomplizierten Pflege. Zudem überzeugt sie durch ihre hautfreundlichen Eigenschaften, die sie bei Verbrauchern besonders begehrt macht.

Doch die Zukunft der Baumwolle in der EU steht nun auf der Kippe. Ab 2030 könnte Baumwolle im Rahmen des Green Deals verboten werden, da sie die künftigen europäischen Anforderungen an die Recyclingfähigkeit nicht erfüllt. Grund dafür ist, dass die Fasern als zu klein und schwach gelten, um vollständig in den Kreislauf integriert zu werden. Gleichzeitig stuft die EU den Baumwollanbau selbst zunehmend als schädlich für die Umwelt ein.

Unrealistische EU-Vorgaben fordern Nachhaltigkeit

Die mögliche Verbannung von Baumwolle in der EU geht auf zwei zentrale Richtlinien zurück: die Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) und die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD). Diese Regelwerke zielen darauf ab, Unternehmen zu umweltgerechtem Handeln zu verpflichten. Neben den hochgesteckten Dekarbonisierungszielen soll bis 2050 die gesamte Materialproduktion in der EU auf Kreislaufwirtschaft umgestellt werden. Geplant ist, dass bis dahin 50 Prozent aller Materialien recycelbar und 25 Prozent vollständig wiederverwertbar sind.

Die Ziele der EU stoßen allerdings auf Zweifel. Viele Vorgaben sind vage formuliert und lassen klare Umsetzungsstrategien vermissen. Auch die wirtschaftliche Tragfähigkeit dieser Pläne steht auf dem Prüfstand. Die technische Aufbereitung von Materialien für die Wiederverwendung bzw. Nutzung von alternativen Produktionsmethoden ist oft komplex und mit erheblichen Mehrkosten für die Hersteller verbunden. Am Ende könnten die europäischen Unternehmen unter diesen Maßnahmen leiden und ihre Wettbewerbsfähigkeit auf dem globalen Markt einbüßen.

Baumwollverbot könnte zu Preissteigerungen für Textilien führen

Ein mögliches Verbot von Baumwolle könnte die Textilbranche vor enorme Herausforderungen stellen. Die Umstellung auf alternative Materialien würde die Produktionskosten für Kleidung erheblich steigern. „Nachhaltige Alternativen‟ wie Lyocell, Hanf oder Seide sind im Vergleich zu Baumwolle teuer in Anbau und Verarbeitung.

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Laut Untersuchungen von WWF, Solidaridad und dem Pesticide Action Network (PAN) zählen deutsche Unternehmen wie Adidas, Adler Modemärkte, Gerry Weber International, Hugo Boss, Maxingvest (Tchibo), die New Yorker Group, Otto Group, s.Oliver Group, Tom Tailor und Zalando zu den weltweit größten Baumwollverbrauchern. Ein Verbot würde diese Hersteller schwer treffen und die Produktionskosten in die Höhe treiben. Dies würde sich unweigerlich auf die Verbraucherpreise auswirken, wenn die Hersteller ihre Mehrkosten auf die Konsumenten abwälzen.

Auch der hohe Wasserverbrauch und der Einsatz von Chemikalien, die oft als Hauptargument gegen den angeblich umweltschädlichen Baumwollanbau angeführt werden, sind bei alternativen Materialien keineswegs geringer. Entgegen der weit verbreiteten Annahme kann Hanf in bestimmten Anbauregionen sogar mehr Wasser als Baumwolle benötigen. Dies hängt stark von den jeweiligen Klimabedingungen ab. Häufig wird Hanf in feuchteren Regionen angebaut, was den Eindruck erweckt, er verbrauche generell weniger Wasser.

Lyocell, das aus Eukalyptusbäumen gewonnen wird, gilt zwar als wasserarm in der Herstellung, erfordert jedoch erhebliche Mengen an Chemikalien. Die vermeintlichen Nachhaltigkeitsvorteile von Hanf und Lyocell gegenüber Baumwolle sind daher zu relativieren und lassen an einem echten ökologischen Vorteil zweifeln.

Bürokratischer Mehraufwand bedrückt Branche zusätzlich

Ein Baumwollverbot könnte jedoch noch weitreichendere Probleme mit sich bringen, insbesondere bei der Überwachung und Kontrolle. Dies gilt vor allem für importierte Kleidung, da die globale Textilindustrie von hochkomplexen, länderübergreifenden Lieferketten geprägt ist. Die Rückverfolgung der Herkunft und Zusammensetzung von Textilien würde einen enormen Aufwand bedeuten. Umfangreiche Dokumentationspflichten sowie Nachweise über Materialherkunft und -zusammensetzung würden die administrative Belastung der Unternehmen weiter erhöhen.

Schon jetzt kämpft die EU-Textilbranche mit einem wachsenden Berg an Regulierung. Vom Textilkennzeichnungsgesetz über die erweiterte Herstellerverantwortung (EPR) bis hin zum Lieferkettengesetz sehen sich Unternehmen mit einer großen Last von Vorschriften konfrontiert. Ein Baumwollverbot würde zusätzliche Hürden schaffen, die die ohnehin schon belastete Branche kaum noch bewältigen könnte.

Auch andere Branchen werden durch „EU-Nachhaltigkeitsvorgaben‟ eingeschränkt

Neben der Textilbranche betreffen die Nachhaltigkeitsziele der EU auch weitere zentrale Branchen. Materialgruppen wie Eisen, Stahl, Chemikalien, Baumaterialien, Elektrogeräte und Verpackungen fallen ebenfalls unter die neuen Nachhaltigkeitsrichtlinien.

Die Umstellung auf alternative Produktionsverfahren wird höchstwahrscheinlich auch in diesen Sektoren immense Mehrkosten verursachen und bei den Unternehmen zu Umsatzeinbußen führen.

Ein ähnliches Bild zeigt sich bei der grünen Transformation der Baubranche. Kürzlich wurden auf der Klimakonferenz COP29 erstmals verbindliche Standards für klima- und umweltfreundlichen Zement und Beton festgelegt. Auch hier bereitet die Umsetzung erhebliche Probleme und wäre unrentabel.

Abschließend lässt sich sagen, dass die durch die CSDDD und die CSRD vorangetriebene Kreislaufwirtschaft sowie die Dekarbonisierung von Produktionsverfahren Anlass zur Sorge bereiten. Es besteht die Gefahr, dass die Europäische Union durch die Maßnahmen ihre eigene Wirtschaftsleistung drosseln würde. Das potenzielle Baumwoll-Verbot, das die Textilbranche massiv belasten könnte, steht exemplarisch für diese Herausforderungen. Ähnliche Problematiken zeigen sich doch in der gesamten Industrie.

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