Tichys Einblick
noch ein POLITISCHES EIGENTOR

EU-Lieferkettenrichtlinie: Das nächste Bürokratie-Monster

Zwar gibt es ein wachsendes Risiko hinter Europas moralischer Wirtschaftspolitik, doch im Namen des Guten soll ein EU-weites Lieferketten-Sorgfaltspflichten-Gesetz kommen.

IMAGO

„In der Wirtschaft geht die Furcht vor der nächsten Lieferketten-Verschärfung um. Denn die EU-Kommission plant ein europäisches Gesetz, das weit über die deutsche Regelung hinausgeht. Anders als im deutschen Gesetz will Brüssel durchsetzen, dass die Unternehmen für Menschenrechts- und Umweltverstöße ihrer sämtlichen Lieferanten haftbar gemacht werden können“, schreibt die Welt. „Lieferanten in fernen Ländern sollen die von Brüssel gesetzten Umweltstandards einhalten und keine Ausbeutung betreiben oder Kinderarbeit zulassen. Bei Verstößen drohen den hiesigen Firmen hohe Strafen.“

Doch der Reihe nach. Ab 2023 gilt in Deutschland das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSK). „Damit werden weltweit zum ersten Mal unternehmerische Sorgfaltspflichten für die Achtung von Menschenrechten und den Schutz von Umweltbelangen umfassend gesetzlich geregelt. Unternehmen müssen ein wirksames Risikomanagement einrichten, um Gefahren für Menschenrechtsverletzungen und bestimmte Schädigungen der Umwelt zu identifizieren, zu vermeiden oder zu minimieren.“, heißt es in der PM des Wirtschaftsministeriums.

Bürokratie und Schlupflöcher
Scharfe Kritik an Lieferkettengesetz von Wirtschaft und Hilfsorganisationen
Die Bundesregierung bestimmt also in einem Gesetz, dass unternehmerische Sorgfaltspflichten weltweit geregelt werden. Was für ein hehrer Anspruch. Dabei ist es für Länder in der Dritten Welt kontraproduktiv, da neue soziale Ungleichgewichte geschaffen werden und noch mehr Korruption einzieht. Beispiel Kinderarbeit: Durch das Lieferkettengesetz werden Familien, die nur mit Kinderarbeit überleben können, in den Hunger getrieben. Das ist das Ergebnis eines deutschen Allmachtsdenkens, das die eigene (bisherige) Wohlstandsidylle auf die ganze Welt projiziert.

Fakt ist: „Im Namen des Guten“ sollen Unternehmen künftig dafür sorgen, dass ihre Geschäftspartner Menschenrechte und Umweltstandards einhalten. In Deutschland, in der EU, in fernen Teilen der Erde. Und über die gesamte Wertschöpfung hinweg, vom Rohstoff bis zum fertigen Produkt. Europäische Manager sollen sicherstellen, dass es bei ihren Zulieferern keine Kinderarbeit, Sklaverei und Ausbeutung gibt, dass keine Flüsse verschmutzt und keine Wälder abgeholzt werden. Es sei unmöglich, die gesamte Wertschöpfungskette zu kontrollieren, die Zulieferer der Zulieferer der Zulieferer. „Macht Brüssel weiter wie bisher, könnte der deutsche Mittelstand zugrunde gehen“, sagt ein Mittelständler.

In einer Umfrage des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), die Welt exklusiv vorliegt, klagt eine überwältigende Mehrheit der Unternehmen über negative Folgen. Und obwohl das „Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz“ (LkSG) im ersten Jahr nur für Großunternehmen ab 3.000 Mitarbeiter galt und seit Jahresbeginn für Firmen ab 1.000 Mitarbeiter, trifft die Mehrbelastung auch kleinere Mittelständler.

Die Dritte WELT braucht keine DEUTSCHE MORAL
Das Lieferkettengesetz schafft nur Verlierer auf allen Seiten
Und wie war das noch mit dem Vorhaben, Bürokratie nun endlich abzubauen? „Der enorme bürokratische Aufwand, den das Gesetz erzeugt, bringt viele Betriebe, insbesondere kleine und mittlere Unternehmen, an den Rand der Verzweiflung“, sagte BDI-Präsident Siegfried Russwurm. Wirtschaft und Bundesregierung streben mit Blick auf die große Abhängigkeit Deutschlands vom Chinageschäft sowie von Rohstoff- und Energielieferungen auf eine stärkere Diversifizierung der Handelsbeziehungen. Doch das Lieferkettengesetz wirkt laut BDI diesem Ziel entgegen und sei ein „geopolitisches Eigentor“.

Aber hilft alles nichts. Es gibt zwar ein wachsendes Risiko hinter Europas moralischer Wirtschaftspolitik und damit Wohlstandsverluste, doch die Europäer wollen mit ihrer Lieferketten-Richtlinie Druck auf andere Länder ausüben, wie diese zu produzieren haben, wenn sie Zugang zum europäischen Markt haben wollen. Auch mit ihren bilateralen Handelsabkommen versucht die EU, ihre Vorstellungen von Nachhaltigkeit in Drittstaaten durchzusetzen und lässt die Abkommen platzen, wenn die Partner nicht mitspielen wollen. Und koste dies auch für exportorientierte EU-Mitglieder wie Deutschland einen hohen Preis für die moralisch aufgeladene Außenwirtschaftspolitik.

Drei von vier befragten Industrieunternehmen beklagen laut Welt, ihre Attraktivität im Ausland habe durch die Regelungen des deutschen Lieferkettengesetzes gelitten. Deutschland werde von internationalen Partnern als zunehmend protektionistisch empfunden. Es gebe einen Rückzug aus Risikoländern oder Abbruch der Handelsbeziehungen, um menschenrechts- und umweltbezogene Risiken zu reduzieren.

Konsum mit Anstand
Lieferkettengesetz hilft den Ausgebeuteten nicht, aber schadet der Wirtschaft
Brandbriefe an Bundeskanzler Scholz von Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger sowie Handwerkspräsident Jörg Dittrich, den EU-Plänen für ein strenges Lieferkettengesetz nicht zuzustimmen, und die laut beklagen, „Europas erhobenen Zeigefinger bezahlen wir mit Wohlstandsverlusten“, wurden wohl vergeblich verfasst.

Einzig die FDP stellt sich (bisher) den Plänen für ein EU-Lieferkettengesetz entgegen. Das Parteipräsidium hatte Mitte Januar die Ablehnung der EU-Lieferkettenrichtlinie beschlossen, so die Welt. Dagegen signalisierten Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) ihre Zustimmung.

Bleibt die Frage offen, wer sich durchsetzt: Rot-Grün-Moralisierer oder die Liberalen. Bleibt es bei der Uneinigkeit, müsste sich Deutschland bei der Abstimmung im Februar in Brüssel enthalten. Dann kommt es darauf an, wie sich die übrigen EU-Staaten zu der geplanten Richtlinie verhalten.

Ansonsten bleibt es bei dem deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, das den hiesigen Unternehmen genug Schwierigkeiten bereitet.

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