Tichys Einblick
Rekordmengen an Flüssiggas-Lieferungen

EU-Gashändler verdienen an LNG aus Russland durch Umladungen

Es sind Häfen in der EU, die dazu beitragen, dass russische Flüssiggas-Lieferungen routinemäßig umgeladen werden. Mehr als 20 Prozent der russischen LNG-Importe werden mit Gewinn weiterverkauft.

IMAGO / ITAR-TASS

Dass EU-Staaten Rekordmengen von russischem Flüssigerdgas importieren, ist hinreichend bekannt. Nach China waren die EU-Staaten Belgien und Spanien in den ersten sieben Monaten dieses Jahres die zweit- und drittgrößten Importeure von russischem LNG. Zwar strebt die EU an, bis 2027 gar kein russisches Gas mehr zu importieren, weder per LNG-Tanker noch via Pipeline. Doch derzeit ist Russland der zweitgrößte Exporteur von LNG in die EU – nach den USA. Im Gegensatz zu Kohle und Öl wurde russisches Gas von der EU nicht mit Sanktionen belegt.

Beim russischen Import von Öl ist die Lage einigermaßen komplex. Deutschland importiert über Indien erhebliche Mengen russischen Öls. Genauer gesagt an Gasöl, dem wichtigsten Vorprodukt für Diesel und Heizöl. Diesen Schluss lassen jedenfalls Zahlen des Statistischen Bundesamts Stand Mitte September 2023 zu. Die Einfuhren aus Indien haben um das Zwölffache zugenommen.

Zurück zum Erdgas: Europa ist der größte Abnehmer von russischem LNG. Im ersten Halbjahr 2023 kauften die EU-Staaten zusammen 22 Millionen Kubikmeter Flüssiggas. Das entspricht einer Zunahme von 40 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum, in dem die EU 15 Millionen Kubikmeter LNG aus Russland bezog. Dabei hatte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen im vergangenen Jahr laut Politico verlauten lassen: „Wir müssen Russlands Einnahmen kürzen, mit denen Putin seinen grausamen Krieg in der Ukraine finanziert.“ Was, wie so oft, nach EU-Rhetorik zwischen Anspruch und Realität klingt.

Doch das ist noch nicht alles. Wie aus einem Bericht der Financial Times hervorgeht, werden mehr als 20 Prozent der russischen LNG-Exporte nach Europa anschließend von EU-Staaten in andere Regionen der Welt weiterverkauft. Sprich: Mehr als ein Fünftel des russischen Flüssigerdgases, das Europa erreicht, wird in andere Teile der Welt verschifft, eine Praxis, die Moskaus Einnahmen steigert, obwohl die EU als Reaktion auf die umfassende Invasion der Ukraine versucht, diese einzudämmen.

Und weiter: Während Verträge für den sogenannten Umschlag von russischem LNG im Vereinigten Königreich und in den Niederlanden verboten sind, deuten Daten aus dem Jahr 2023 darauf hin, dass genehmigte russische Gaslieferungen routinemäßig auf Tanker in Belgien, Frankreich und Spanien umgeladen werden und dann an Käufer in anderen Kontinenten exportiert. Dies seien laut der Financial Times Zielorte in Nicht-EU-Ländern wie China, Japan und Bangladesch.

Häfen in Belgien, Spanien und Frankreich beziehen noch immer erhebliche Mengen aus der sibirischen Anlage Yamal LNG, deren größte Anteilseigner Russlands zweitgrößter Erdgasproduzent Novatek, China National Petroleum Corporation und das französische Energieunternehmen TotalEnergies sind.

Laut einer Analystin des Instituts für Energiewirtschaft und Finanzanalyse (IEEFA) sei das Volumen der LNG-Umladungen in Europa seit dem Krieg gegen die Ukraine zwar zurückgegangen, doch seien diese weiterhin erheblich und möglicherweise übersehen worden. „Die EU denkt nicht darüber nach, wenn sie über ein Verbot spricht“, sagte sie. „Sie zählen keine Umladungen.“ Im Umkehrschluss: Europäische Gashändler machen mit diesen „Umladungen“ kräftig Kasse, denn das Flüssiggas wird zu einem höheren Preis weiterverkauft. Der Bedarf ist ja nach wie vor riesig. Und die EU wird auch in diesem Jahr Rekordmengen des supergekühlten Kraftstoffs aus Russland importieren.

EU-Politiker haben die Fortsetzung der Importe aus Russland damit verteidigt, dass dies auf vor dem Krieg vereinbarte langfristige Verträge zurückzuführen sei, deren Bruch europäische Unternehmen dazu zwingen würde, Entschädigungen an Russland zu zahlen. Das belgische Erdgasunternehmen Fluxys hat beispielsweise einen 20-Jahres-Vertrag mit Yamal, der 2039 endet.

Wie das zusammengehen soll mit dem Wunsch der EU-Kommission, die Mitgliedsstaaten sollten bis 2027 auf russische fossile Brennstoffe verzichten, bleibt dahingestellt. So räumt das belgische Energieministerium laut Financial Times auch ein, es sei „entschlossen, dieses Problem anzugehen“ und sammle „Informationen über wirksame Ansätze“. „Wir sind uns bewusst, wie wichtig es ist, einen Weg zu finden, der die Versorgungssicherheit des europäischen Kontinents nicht gefährdet“, fügte ein Sprecher hinzu.

Das Erdgasunternehmen Fluxys betonte, da Gas nicht unter Sanktionen stehe, könne „keinem Kunden der Zugang zu seinem LNG-Terminal rechtlich verweigert werden“. „Das Eigentum an den Molekülen bleibt in den Händen der Versender.“ Das französische Energieministerium erklärte, es habe keine Pläne, die Umladungen von russischem LNG in französischen Häfen zu verhindern. Frankreich und Europa hätten ihre Abhängigkeit vom russischen Gasverbrauch durch die Diversifizierung ihrer Bezugsquellen deutlich reduziert.

Dagegen äußerten EU-Beamte jedoch wiederholt ihre Besorgnis über die Mengen an russischem LNG, die in die Union gelangen. Energiekommissarin Kadri Simson sagte im September: „Wir können und müssen die russischen LNG-Exporte reduzieren, um sie vollständig auslaufen zu lassen.“ Im Dezember sollen sich die politischen Entscheidungsträger auf neue Regeln einigen.

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