Rund zehn Millionen Haushalte werden derzeit über die drei letzten noch laufenden Atomkraftwerke mit Strom versorgt. Angesichts der sich zuspitzenden Energiekrise erschient es aberwitzig, sie zum Jahresende, mitten im Winter, abzuschalten. Doch die Bundesregierung will am Ausstiegsbeschluss der vorangegangenen Merkel-Regierung festhalten und sie abschalten. Im Bundestag haben nicht nur Sozialdemokraten und Grüne, sondern auch die FDP geschlossen entsprechende Anträge von CDU/CSU und AfD abgelehnt.
Wirtschaftsminister Robert Habeck spricht zwar in immer dramatischen Worten von einem „Albtraumszenario“. Aber der Weiterbetrieb der Kernkraftwerke bleibt den Grünen weiter tabu. Sein Ministerium und das Umweltministerium seiner Parteifreundin Steffi Lemke raten von einer Laufzeitverlängerung der AKW ab. „Einem kleinen Beitrag zur Energieversorgung stünden große wirtschaftliche, rechtliche und sicherheitstechnische Risiken entgegen”, hieß es in einem Prüfvermerk der Ministerien. Angeblich lehnen auch die drei Betreiber der Kraftwerke einen Weiterbetrieb ab.
Weil auch Gasturbinenkraftwerke für die Stromerzeugung genutzt werden, die wegen der Gas-Knappheit jedoch dafür nicht mehr eingesetzt werden sollen, ist beabsichtigt, stillgelegte Kohlekraftwerke wieder hochzufahren. Doch wenn man die Kohleverstromung wieder reaktiviert, benötigt man wiederum entsprechende Emissionszertifikate, um den CO2-Ausstoß sozusagen zu „kompensieren“, Geld, das wiederum auf die Strompreise aufgeschlagen wird.
Aber so ist das eben mit der Ideologie. Womöglich bleiben den Friedensparteien Rot und Grün keine verwertbaren Gesinnungs-Rest-Räume mehr, wenn sie sich auch noch auf eine Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke einlassen. Doch in der jetzigen Situation Kernkraftwerke zum Ende des Jahres abzuschalten, ist keine gewissenhafte Energiepolitik sondern absurd, unverantwortlich und gefährlich.
Stattdessen geht Bundeskanzler Olaf Scholz davon aus, dass „Maßnahmen“ auch über den kommenden Winter hinaus notwendig sein werden. Scholz stimmt die Bürger nicht nur auf hohe Preise, sondern auch auf jahrelange Energieknappheit ein. Scholz betont: „Wir werden nicht alle Preise runtersubventionieren können.“
Diskutiert wird auch ein Moratorium, also ein vertraglich vereinbarter oder gesetzlich angeordneter Aufschub für Gas- und Stromsperren. Umweltministerin Lemke will Bürger vor solchen Sperren bewahren, „sollten Preisgarantien seitens der Versorger nicht eingehalten werden können“, berichtet das Handelsblatt.
Und dann gibt es noch den Vorstoß von Bundeswirtschaftsminister Habeck, der sich gegen eine staatliche Begrenzung des Gaspreises ausspricht. Die hohen Preissteigerungen seien ein „externer Schock“ und könnten vom Staat nicht vollständig aufgefangen werden. „Das wird das Land in der einen oder anderen Form tragen müssen“, wird Habeck zitiert. Ökonomisch wäre ein Preisdeckel laut Habeck das falsche Signal: „Eine Deckelung der Preise wäre bei einem knappen Gut ein Signal: Energie ist nicht wertvoll, haut raus, was ihr wollt.“
Bei der Gasversorgung gebe es kein Marktproblem, da die hohen Preise viel Gas nach Europa „ansaugten“, so Habeck. „Es ist ein physikalisches Problem, das Gas muss halt ankommen.“ Deutschland habe bisher kein LNG-Terminal. „Wir müssen natürlich mehr besorgen“, sagte Habeck. Der Winter werde eine Herausforderung, auch für die privaten Verbraucher. Offenbar rechnet Habeck noch mit enormen Preiserhöhungen im vierstelligen Bereich. Jedoch werde die Bundesregierung Sorge dafür tragen, dass die Belastung durch die hohen Gaspreise „gerecht“ verteilt werde. Wie das bewerkstelligt werden soll verriet er nicht.