Tichys Einblick
Glashütte und Papierindustrie betroffen

Energienot führt zu ersten Produktionsstillständen

Immer dramatischer wirken sich die steigenden Energiepreise und die Knappheit an Erdgas für viele Unternehmen aus. Die ersten Unternehmen haben bereits ihre Produktion abgeschaltet.

Die Glashütte Freital hat eine komplette Produktionslinie auf unbestimmte Zeit abgestellt, wie der Geschäftsführer des Unternehmens gegenüber dem Handelsblatt sagte. Eine zweite Produktionslinie werde auf 25 Prozent heruntergefahren. Angesichts der hohen Erdgaspreise ergebe eine Produktion keinen Sinn mehr.

Grund: Der bisherige Energielieferant beliefert die Glashütte nicht mehr mit Energie, obwohl rechtsgültige Lieferverträge bestehen. Doch der Lieferant kann nicht mehr liefern, daraufhin musste die Hütte ihre Öfen herunterfahren. Die Glashütte, die 1802 als »Königliche Friedrich-Hütte« gegründet wurde, produziert Wein- und Spirituosenflaschen, darunter die Spezialflaschen »Sachsenkeule« für Sektproduzent Schloss Wackerbarth und Schnapsflaschen für »Ullmanns Vuglbeerschnaps«.

Existenzbedrohend werden die Energiepreise auch für die Papierindustrie. Während die Turbulenzen am Energiemarkt Unternehmen zur Aufgabe zwingen, blüht das Geschäft der Insolvenzverwalter. Vor Weihnachten musste der mittelständische Spezialist für Kartonverpackungen Baden Bord GmbH in Gernsbach bei Baden-Baden die Maschinen abstellen. Dies, obwohl im Zeitalter der Lieferdienste gerade der Markt für Verpackungen steigt.

Pläne von DB Schenker
Elektro-Lkws vergrößern deutsche Energienot
Der vorläufige Insolvenzverwalter Marc Schmidt-Thieme: »Diesen harten Schritt so kurz vor Weihnachten bedauern wir sehr. Wir waren bis dato auf einem guten Kurs. Die weiterhin extrem gestiegenen Energiepreise stellen allerdings eine zu starke Belastung für uns da, so dass wir infolge wirtschaftlicher und insolvenzrechtlicher Vorgaben zwingend handeln müssen.« Mit aktuell rund 184 Euro pro Megawattstunde sei das für die Produktionsprozesse der Baden Board erforderliche Erdgas so teuer wie noch nie in Deutschland. Ein Ende dieser problematischen Preisentwicklung sei nach wie vor nicht abzusehen, heißt es in einer Erklärung weiter.

Zu den Unternehmen, die weiter produzieren, aber hohe Lasten zu tragen haben, zählt Kabel Papier im westfälischen Hagen mit rund 600 Mitarbeitern. Gegenüber dem Handelsblatt sagte der Geschäftsführer des Unternehmens, Ebeling: »Unser Erdgaslieferant hat uns Mitte November erklärt, dass er uns ab Januar nicht mehr beliefern wird. Das hat uns enorm unter Druck gesetzt.« Und weiter: »Wir haben zwar einen neuen Lieferanten gefunden und können daher auch 2022 weiter produzieren.« Die Kosten würden erheblich steigen: »Der Cash-Effekt beträgt zehn Millionen Euro. Das ist für ein Unternehmen unserer Größenklasse eine schwere Belastung.«

Der Hersteller von Druck-, Schreib- und Verpackungspapieren, Sappi Europe, Brüssel, will seine Verkaufspreise erhöhen. Grund: die Energiekostenentwicklung. Er kündigte Preisaufschläge von 10 bis 25 Prozent bis spätestens Februar 2022 an. Sappi erklärte, zu den bereits hohen Kostensteigerungen für Rohstoffe und Transport komme noch die anhaltende Eskalation der Energiekosten, die eine Herausforderung für Sappi und die gesamte Branche darstelle. Sappi will auch die Rentabilität jeder Anlage überprüfen und möglicherweise Produktionsstopps einlegen.

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