Die beiden grosse Konflikte in der Europäischen Union erreichen langsam ihr Finale. Das Vereinigte Königreich zieht die EU-Zwangsjacke aus, Italien desertiert leise aus dem Euro. Beide Länder lehnen sich damit gegen Deutschland und Frankreich auf, die sich zunächst weigern zuzugeben, dass „ihre“ EU zu tief in die nationale Souveränität eingreift und zurückgefahren werden muss, um ein Auseinanderfallen EU-Europas zu verhindern.
Der Name „Maastricht“ klingt heutzutage immer bitterer. In dieser Stadt wurde am 11. Dezember 1991 der Vertrag zur Gründung der Europäischen Union und der Wirtschafts- und Währungsunion geschlossen, das Gründungsdokument für die gemeinsame europäische Währung, den EURO. Da verbündeten sich rücksichtslose französische Machtpolitik mit der deutschen „Alle Menschen werden Brüder-Romantik“. Was damals in Maastricht verschmolzen wurde, war dieser Tagen intensiv zu spüren.
EU und Euro als deutsch-französische Machtinstrumente
„Maastricht“ entfremdete die Briten von der bereits exotischen europäischen Integration. Und die EU und der Euro zeigten sich immer mehr als deutsch-französische Machtinstrumente, um Europa zu beherrschen. Das Vereinigte Königreich wird die EU am 29. März 2019 verlassen. Zwar kündigte Premierministerin Theresa May an, dass das Vereinigte Königreich bis 2021 in einer Zollunion mit der EU bleiben wird. Aber politisch sind die Briten auf dem Weg zum EU-Ausgang. Einen Weg zurück wird es nicht geben. Vielen Briten ist der Schnitt mit der Vergangenheit nicht eindeutig genug. Damit verliert EU-Europa seine drittgrößte Wirtschaftsmacht; die im übrigen der der 18 kleineren süd-osteuropäischen entspricht. Europa wird ärmer und mit dem Verlust der britischen Streitkräfte auch sicherheitspolitisch geschwächt. Damit nicht genug.
Die italienische Regierung ignoriert nun die Anordnung der EU-Kommission, weniger Geld auszugeben. Die Kommission droht mit einem Strafverfahren. Ein Verfahren, das sie niemals gegen Frankreich anwenden wollte. Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker (CSV) aus Luxemburg sagte: „Die Euro-Regeln gelten nicht für Frankreich, weil es Frankreich ist.”
Diese Art des Handelns bedeutet die Demütigung der Bürger und Regierungen anderer EU-Länder. Kleine Länder wie die Niederlande und Griechenland schlucken noch immer, aber Länder mit dem historisch-demokratischen Bewusstsein wie dem des Vereinigten Königreichs, der Größe Italiens und dem Nationalstolz und dem historischen Bewusstsein von Polen und Ungarn tun das nicht. Sie rebellieren. Immer lauter und entschiedener.
Der französische Präsident Emmanuel Macron hat bereits die Antwort gegeben: Er möchte, dass Deutschland und Frankreich die Eurozone schneller und tiefer einbinden und eine Kern-EU bilden, in der er und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) die Macht ausüben.
Dies würde bedeuten, den Irrweg von Maastricht fortzusetzen. Aus den Erfahrungen dieser Tage aber erkennt man, dass diese Art der Durchsetzung zu weniger Einigkeit in Europa als zu mehr führt.
Aber was will Deutschland? Merkel will nichts, sie hält den Status quo aufrecht. Dazu gehört, ab und zu Forderungen Macrons nachzukommen wie jetzt beim Eurozonen-Budget, einer gewaltig klingenden grauen Salbe, die Macron gegen seine dramatisch gesunkene Popularität zuhause einsetzen will.
Was für eine Aufgabe! Merkels Nachfolger wird regelmäßig „Maastricht“ verfluchen.