Kleine Ursache, große Wirkung! Jeder kennt die zündende Wirkung des Funkens, sei es in der Zündkerze des Kraftfahrzeugs, sei es in dem berühmten Zusammenhang mit dem Pulverfass: schon das kleinste Fünkchen ist imstande, gewaltigste Explosionen auszulösen.
Eines dieser Pulverfässer verbirgt sich auch hinter einer – eigentlich banalen – Meldung, die vor kurzem in der Automobilwoche erschien. Dort hieß es: „Senkung der Emissionen – DB Schenker will rund 1500 Elektro-Laster kaufen.“
Für Schenker sind zwar täglich etwa 45.000 Lastwagen im Einsatz, die meisten Fahrzeuge gehören aber Subunternehmern. Bisher hat Schenker nur gut 2500 eigene Lastwagen in seiner Flotte. Durch den Kauf der Stromer würde der Eigenbestand insgesamt deutlich größer werden.
Wann die ersten Serienfahrzeuge auf die Straße geschickt werden, ist noch unklar. Die ersten Prototypen sind zwei 16-Tonner, deren Einsatz laut Plan im Frühjahr in Paris beginnt. Die hierbei gesammelten Erkenntnisse sollen danach in die Serienproduktion von 1470 Lastwagen einfließen, die im österreichischen Steyr stattfindet.
Danach sollen die E-Lkw im Ruhrgebiet und an anderen europäischen Schenker-Terminals im Einsatz sein, etwa Berlin und Wien. Die Reichweite beträgt den Angaben zufolge 150 bis 200 Kilometer, die Laster sollen Waren von Verteilerzentren in die Innenstädte und in andere städtische Gebiete transportieren.
Dieser Schritt von Schenker ist insofern bemerkenswert, als Konkurrenten wie die Deutsche Post mit DHL und Kühne+Nagel beim Einsatz von Elektrolastwagen noch nicht so weit sind. Die Firmen investieren laut Automobilwoche zwar ebenfalls stark in klimaschonende Technologien, um den CO2-Ausstoß ihrer Flotten zu mindern; DHL setzt dabei beispielsweise auf kleinere Elektro-Transporter wie den Streetscooter. Ausgewachsene E-Lastwagen sind aber noch nicht im großen Stil für diese Firmen unterwegs. „Schenker hievt seine Elektrobestrebungen nun auf ein anderes Level“ (Automobilwoche).
Ob die Strom-Lkw tatsächlich klimafreundlich betrieben werden können, ist bekanntlich vor allem eine Frage, ob sie mit „grünem“ Strom betankt werden können, also mit Strom aus Wind- und Wasserkraft, in Frankreich auch aus AKWs. Diese Frage soll an dieser Stelle einmal außer Acht gelassen werden. Hier steht die Frage im Mittelpunkt, wie hoch die Belastungen für die bundesdeutsche Stromversorgung bei einem wachsenden Einsatz von E-Lkws sind.
Keine Rose ohne Dornen! So sehr der Umstieg von Verbrenner -Lkw vor allem im innerstädtischen Verteilerverkehr auf Elektro-Lkw aus Emissions- und Umweltgründen zu begrüßen ist, so sehr gibt es auch Bedenken dagegen:
- Selbstredend gilt für Elektro-Lkw das gleiche Umweltgebot wie für Elektro-Pkw: der Strom, mit dem sie betankt werden, muss „grün“ sein, sonst verschlimmert sich die CO2-Gesamtlage.
- Experten werten die Schenker Investition in die E-Lkw zwar als wichtigen Schritt auf dem Weg zu einer klimaschonenden Logistik. „E-Lastwagen können auf der Kurzstrecke dazu beitragen, dass der CO2-Ausstoß der Branche deutlich sinkt“ (Logistikprofessor Kai-Oliver Schocke, Frankfurt University of Applied Sciences). Dabei ist aber zu bedenken, dass die Reichweite von Elektro-Lkw nach wie vor begrenzt ist und dass die Langstrecken noch längere Zeit von Diesel-Fahrzeugen bewältigt werde müssen, auf denen 40-Tonner unterwegs sind .“Hierfür ist ein marktreifes Elektroangebot nicht in Sicht“, so Schocke.
- Die größten Bedenken gegen den Einsatz von E-Lkws in Deutschland kommen aus dem erheblichen Strombedarf, der je nach Wachstumsdynamik der E-Lkw-Flotte das deutsche Energieangebot zusätzlich belastet und an seien Grenzen bringt- oder sogar übersteigt.
Dazu nachfolgenden Berechnungen und Argumente (zitiert nach Prof. Thomas Koch, KIT-Karlsruhe):
- Eine typische Batteriekapazität eines LKW beträgt in Zukunft rund 500kWh. Wenn diese in einer Stunde aufgeladen werden, so wäre bei 1000 Lkw bei 500kWh Energiebedarf pro LKW eine Ladeleistung von 500 MW . Das entspricht der Leistungskapazität eines mittleren Kraftwerks. Wenn man sich 10 Stunden Zeit für die Ladung nimmt, so sind es nur 50MW, aber eben über 10Stunden. – Aber wehe, ein Fuhrunternehmen lädt 10 Elektro-LKW gleichzeitig in 1er oder in 10 Stunden auf!
- Bei einer Million E-Lkw, die innerhalb einer Stunde geladen werden müssten, wären das 500 Gigawatt. .Dieser Bedarf ist unrealistisch, jedoch müssen die LKW typischerweise nachts aufgeladen werden und über einen Zeitraum von 10h ergibt sich ein Leistungsbedarf von 50 GW.
- Nur zum Vergleich: Die mittlere Leistung des gesamten deutschen Stromnetzes lag in 2017 bei circa 56 GW.
Dazu als Hintergrund-Information: Laut Statistischem Bundesamt gab es in Deutschland am 01.Januar 2021 einen Bestand von 3,4 Millionen Lkw (zum Vergleich 1960: 681.000). Täglich rollen durchschnittlich 1,3 Millionen LKW über die deutschen Autobahnen, davon kommt ungefähr ein Drittel aus anderen europäischen Ländern.
In Europa befinden sich nach Angaben des Dachverbands der europäischen Fahrzeughersteller (ACEA) aktuell rund 6,2 Millionen mittelschwere und schwere Nutzfahrzeuge innerhalb Europas im Straßenverkehr, nahezu alle mit Verbrennermotoren Nur 0,04 Prozent fahren emissionsfrei.
Elektro-LKWs schaffen den Brenner-Pass nicht
Mit diesen Zahlen ist die Dimension des Problems beschreiben. Die Frage ist, wo der notwendige Strom herkommen könnten. Jedenfalls nicht ausschließlich von Windrädern.
- Denn die mittlere jährliche Leistung eines großen Windrades beträgt rund 400kW. Um 1000 Lkw elektrisch zu betreiben sind also bei 50MW Leistung 125 Windkraftanlagen!!!! in der Ladephase notwendig, da die LKW über einen längeren Zeitraum parallel laden müssen (z.B. nachts).
Eine Million Elektro-Lkws benötigen zur Versorgung grosso modo 125.000 Windräder. Vom Strombedarf der 10 Millionen Elektro-Pkw, die bis 2030 nach Plänen der Bundesregierung in Deutschland fahren sollen ganz zu schweigen.
- Hinzu kommt der notwenige Ersatz des Stromangebotes durch den Ausstieg aus der Kernkraft. Ein mittleres Atomkraftwerk (AKW) hat eine installierte Leistung von 1.200 Megawatt (MW) und einen Ertrag von 9,6 Millionen Megawattstunden (MWh) im Jahr. Eine moderne Onshore-Windkraftanlage mit 3 MW Leistung erzeugt jährlich rund 6.200 MWh Strom. Um ein AKW zu ersetzen, braucht es also etwa rund 1.500 Windkraftanlagen.
- Heute sind in Deutschland Ende Juni 2021 insgesamt 29.715 Onshore-Windkraftanlagen in Betrieb. 240 neue Onshore-Windenergieanlagen mit 971 MW Leistung wurden im ersten Halbjahr 2021 neu installiert. Die installierte Gesamtleistung aus Onshore-Windenergie beträgt 55.772 MW.
- Insgesamt wurden im Jahr 2020 wurden in Deutschland rund 500.000 Milliarden Kilowattstunden (500.000 Gigawatt) Strom erzeugt und in das Stromnetz eingespeist.
Als Ergebnis bleibt festzuhalten, dass eine Elektrifizierung der Lkw-Flotte zusätzlich zu den Pkw in Deutschland aus Umweltgründen sicherlich zu begrüßen wäre, dass es dafür an Entscheidendem fehlt: nämlich an grüner Energie, um die Flotte zu betreiben.
Zum Glück für die Netzbetreiber und Energiebranche dürfte es aber auch an Nachfrage nach Elektro-LKWs fehlen. Ein Batterie-LKW ist für Verteilerfahrten vorstellbar, wie von Schenker geplant, aber nicht für den Fernverkehr quer durch Europa. Als Beispiel: Allein die Brenner-Auffahrt mit einem 40-Tonner benötigt 400-450 kWh. Das entspricht der Leistung eines Windrads!
Aber auch leichte Elektro-LKW bereiten Probleme. Die Energienöte, in die der Industriestandort Deutschland ohnehin sehenden Auges treibt, werden sich mit jedem zusätzlichen E-Lkw nur noch vergrößern. Grüne Energie wird in Deutschland in Zukunft an allen Ecken und Enden Energie fehlen.