Chipmangel, Bruch von Lieferketten und zuletzt zusätzlich wieder Corona und Lockdown in einzelnen Ländern haben auch gegen Jahresende 2021 die Weltautomobilindustrie fest im Griff.
Besonders betroffen sind die Länder, die im Buhlen um Wählergunst zu früh Pandemieeinschränkungen gelockert und den freedom-day bereits eingeführt oder den Bürgern in Aussicht gestellt haben. In Deutschland wurde die „epidemische Lage von nationaler Tragweite“ mit großer Parlamentsmehrheit sogar offiziell für beendet erklärt. Ein fataler Irrtum!
Produktions- und zwangsläufig nachfolgend Absatz- und Exporteinbrüche sind erneut an der Tagesordnung. Business as usual? Nein! Zunehmend drängender wird die Frage, wie lange Pandemie und Chipmangel anhalten und wie groß der globale Volumenverlust in der Pkw-Produktion in 2021 ausfallen wird. Die Expertenschätzungen reichen von 11 bis 15 Millionen Einheiten. Wobei die größte Unsicherheit über Produktionsausfälle in jenen Automobilländern herrscht, in denen keine Chips hergestellt werden, während die Chiperzeugerländer ihre eigenen Hersteller möglicherweise bevorzugt beliefern.
Die altertümliche Benennung der Wissenschaft der Nationalökonomie als Politische Ökonomie rechtfertigt sich in 2021 in voller Aktualität.
Lage im Oktober 2021 (laut VDA)
Im Oktober 2021 mussten die internationalen Automobilmärkte erhebliche Rückgänge hinnehmen:
- Europa, USA und Japan waren deutlich im Minus
- China erholte sich etwas, der Niveauverlust gegenüber dem Vorjahr wurde aber deutlich größer
- Brasilien und Indien verzeichneten zweistellige Einbrüche
Allerdings gibt die Statistik, besser: die Arithmetik der Veränderungsraten gegenüber dem Vorjahr, die Entwicklung teilweise nur verzerrt wieder, da in den Herbstmonaten 2020 einen deutliche Markterholung vonstattenging, der Vorjahresabstand sich gegenüber der aktuellen Entwicklung also quasi automatisch vergrößert.
Europäische Union
Die Zahl der Auto-Neuzulassungen in der EU ist im Oktober deutlich zurückgegangen. Im Oktober wurden 665.001 Autos neu zugelassen, 30,3 Prozent weniger als ein Jahr zuvor. Damit ist die Zahl der Neuzulassungen den vierten Monat in Folge gesunken. Bedingt durch die lockdown freie Zeit bis zum Sommer, lag der Absatz in den ersten zehn Monate mit 8,2 Millionen Autos allerdings noch 2,2 Prozent höher als im Vorjahreszeitraum.
In den größten europäischen Automärkten ging der Absatz teils stärker zurück als im Durchschnitt der EU-Märkte.
- In Italien brachen die Neuzulassungen im Oktober um 35,7 Prozent,
- in Deutschland um 34,9 Prozent und
- in Frankreich um 30,7 Prozent ein.
- In Spanien wurden 20,5 Prozent weniger Autos neu zugelassen als ein Jahr zuvor.
- im Vereinigten Königreich gingen die Neuwagenverkäufe um ein Viertel (-25 Prozent) zurück, diesmal allerdings nicht durch Folgen des Brexits bedingt, wie bei Lebensmitteln und Dienstleistungen.
Unter den Herstellern verzeichnete besonders Volkswagen samt seinen Töchterfirmen einen starken Rückgang: Konzernweit brach der Absatz in der EU im Oktober um 44 Prozent ein. Daimler kam mit einem Rückgang um 34 Prozent und BMW mit knapp 23 Prozent glimpflicher davon.
Vereinigte Staaten
In den USA sind die Light-Vehicle-Verkäufe (Pkw und Light Trucks) im Oktober erneut deutlich zurückgegangen. Mit 1,0 Mio. Neufahrzeugen lag der Absatz um 23 Prozent niedriger als ein Jahr zuvor. In den Monaten Januar bis Oktober wurden in den USA 12,7 Mio. Fahrzeuge verkauft (+9 Prozent). Das Light-Truck-Segment (+11 Prozent) entwickelte sich in diesem Zeitraum dynamischer als das Pkw-Segment (+4 Prozent).
China
Die Pkw-Verkäufe in China gingen im Oktober erneut zurück (-5 Prozent). Die Intensität des Rückgangs war jedoch die niedrigste seit Mai. Das Marktvolumen sank somit auf 2,0 Mio. Neufahrzeuge.
Der wichtige chinesische Automarkt hat auch im Oktober weiter schwach abgeschnitten. So wurden im vergangenen Monat 1,74 Millionen Pkw, SUVs und Minivans an die Kunden ausgeliefert, das waren rund 14 Prozent weniger als im Vorjahresmonat, wie der Branchenverband PCA (Passenger Car Association) am Montag in Peking mitteilte. Gegenüber dem Vormonat September zogen die gesamten Auslieferungen in China allerdings an. Laut VDA wurden seit Jahresanfang wurden in China 16,6 Mio. Pkw verkauft, 9 Prozent mehr als im Vergleichszeitraum des Vorjahres.
Das Land ist für die deutschen Autobauer der mit Abstand wichtigste Einzelmarkt. Die deutschen Autohersteller BMW, Daimler und Volkswagen hatten schon im dritten Quartal in China spürbar weniger Autos verkauft. Volkswagen ist als Marktführer im Massenmarkt des Landes besonders von dem Produktionseinbruch durch Chipmangel betroffen.
Ungeachtet dessen hat PR-Genie Elon Musk in einem zweideutigem Statement angedeutet, dass Tesla möglicherweise eine zweite Fabrik in China plane.
Übrige Weltmärkte
- Japan ist der Absatz von 230.550 neuen Pkw zum vierten Mal in Folge geschrumpft, diesmal um rund ein Drittel (-32 Prozent).
- Der indische Pkw-Markt ist im Oktober um 27 Prozent auf ein Marktvolumen von 226.400 Fahrzeuge zurückgegangen. Im Vergleich zum Vorjahr stieg der Absatz im Zeitraum Januar bis Oktober um 36 Prozent auf 2,5 Mio. Fahrzeuge.
- Auf dem brasilianische Light-Vehicle-Markt (Pkw und Light Duty) wurden im Oktober mit 150.400 neu zugelassenen Fahrzeugen 27 Prozent weniger abgesetzt als im Vorjahr (per Oktober: 1,6 Mio. Neufahrzeuge, + 8 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum.
Ausblick
Eine rasche Besserung der Lieferschwierigkeiten bei Speicherchips ist nicht in Sicht. Produktion und Beschäftigung, Absatz und Neuzulassungen bleiben angespannt, Lieferzeiten für Neuwagen nehmen weiter zu.
Ein Quantum Trost spendet allein die Erkenntnis, dass das Automobil als Mobilitätsgarant in der Käufergunst einen neuen Stellenwert erklommen hat.