In der Diskussion um Absatzhemmnisse für Elektro-Autos wegen unzureichender Tankinfrastruktur hat sich Anfang August VW Chef Herbert Diess mit einem persönlichen Erfahrungsbericht kritisch zu Wort gemeldet. Auf dem Weg zum Gardasee pausierte er mit seinem elektrischen ID.3 im italienischen Trento und meldete über ein soziales Netzwerk: „Kein WC, kein Kaffee, eine Säule außer Betrieb/defekt, traurige Angelegenheit“.
Nach sicheren internen Information aus VW-Kreisen ist das aber nicht der Grund, weshalb der VW-Konzern vor 2022 keine Bestellungen für den Hoffnungsträger ID.3 mehr annimmt. Teile fehlen!
Das ist der Gipfel
Ein Vergleich mit den Zuständen in Deutschland lag nahe und wurde beim – im Wortsinn – letzten Autogipfel bei und mit Bundeskanzlerin Merkel auch thematisiert.
Der für den Wandel der Autobranche zu E-Autos eingerichtete „Zukunftsfonds“ sei jetzt „startklar“ bekräftigte Finanzminister Olaf Scholz. „Unser Ziel ist es, dass die deutsche Autoindustrie die klimafreundlichsten Autos der Zukunft baut, neue Arbeitsplätze entstehen und Wertschöpfung erhalten bleibt.“
Allein mir fehlt der Glaube… Wenn 60 Prozent der Wertschöpfung eines Batterie-Elektro-Autos auf die Batterien entfallen, die weitgehend roboterisiert hergestellt und auf absehbare Zeit noch aus dem Ausland bezogen werden. Genau aus diesem Grund warnte VDA-Chefin Hildegard Müller (Verbands der Autoindustrie) erneut vor dem faktischen Aus für den Verbrennungsmotor ab 2035 durch die drohende Verschärfung der Flottengrenzwerte durch die EU-Kommision. Dies sei „unnötig und unklug“.
Die Tanknetz-Gebetsmühle
Und Verkehrsminister Andreas Scheuer („Andi, wie lange dauert das noch?“ O-Ton Kanzlerin Merkel) bekräftigt einmal mehr, den Bau von 50.000 zusätzlichen Ladepunkten bis 2025 mit 500 Millionen Fördergelder zu beschleunigen. „Laden muss das neue Tanken werden“ so Minister Scheuer.
Muss es auch, wenn die Pläne der Regierung, bereits 2030 etwa 14 Millionen Pkw, also rd. ein Drittel des Pkw-Bestandes, elektrisch fahren zu lassen. Eine realistische Chance haben sollen. Vier von fünf Neuzulassungen sollen bis 2030 als Strom-Fahrzeuge auf die Straße kommen.
Änderung der PHEV Förderkulisse
Um den eindringlichen Forderungen des Weltklimarates nach größeren Anstrengungen des Verkehrssektors zur Reduktion der Treibhausgaseimissionen zu entsprechen, hat die Bundesregierung die Förderkulisse für beliebten Plug-In´s (PHEV) verschärft. Liegt der Nettolistenpreis eines entsprechenden Plug-In-Hybrid-Basismodells unter 40.000 Euro, steuert das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) 4500 Euro dazu, sofern der Hersteller seinerseits 2250 Euro nachlässt. Kostet der Basis-PHEV netto zwischen 40.000 und 65.000 Euro, reduziert sich der Zuschuss auf 3750 (BAFA) und 1875 Euro (Herstelleranteil).
Bislang mussten Plug-In-Hybride 40 Kilometer rein elektrisch schaffen oder im kombinierten Verbrauch unter 50 Gramm CO₂ je Kilometer bleiben, damit es für sie eine Kaufprämie gibt. Ab Januar 2022 ändert sich zumindest die erste Vorgabe. Dann müssen Plug-In-Hybride mindestens 60 km schaffen, um weiterhin gefördert zu werden, ab 2025 sogar 80 km. Entscheidend ist die Erstzulassung. Wer jetzt bestellt und Anfang des Jahres sein neues Auto bekommt, sollte genau hinsehen, ob die künftigen Förderrichtlinien eingehalten werden.
Für Plug-In-Hybride ändern sich ab Januar 2022 die Förderbedingungen. Greifen Hersteller nicht ein, gibt es für einige Modelle keinen BAFA-Zuschuss mehr. Es gibt eine ganze Reihe von Modellen, die – Stand 17. August 2021 – ab Januar 2022 nicht mehr gefördert werden, weil sie entweder zu viel verbrauchen oder rein elektrisch nicht weit genug fahren.
In den meisten Fällen ist davon auszugehen, dass die Autohersteller die E-Reichweite mit leicht vergrößerten Batterien über die erforderliche Marke von 60 km hieven. Das verteuert allerdings die Batterien (Fausregel: 1 kw = 1000 Euro) und erhöht die Anschaffungskosten.
Siegeszug von Hybrid-Autos setzt sich fort
Die jüngsten zahlen vom Markt sind wenig erfreulich für die Branche: Der deutsche Gesamtmarkt schwächte sich im Juli unerwartet deutlich ab, in Summe wurden 24,9 Prozent oder 78.500 Pkw weniger Neuwagen zugelassen als im Vorjahresmonat. Dieser Rückgang traf insbesondere die reinen Verbrenner (- 104.000 Pkw).
Autos mit elektrifiziertem Antrieb zeigten dagegen in Summe weiterhin eine positive Entwicklung, wobei Batterie-E-Autos und Plug-In Hybride (BHEV) an Dynamik einbüssten.
- 69.795 E-Autos (+ 33 Prozent) wurden mit Hybridantrieb zugelassen und erreichten inzwischen sogar einen Anteil von fast einem Drittel der Gesamtzulassungen ( 29,5 vH).
- 30.154 Autos waren Plug-in-Hybride (PHEV) und einem Zuwachs von +57,7 Prozent. Der Marktanteil übertraf mit 12,8 vH die Werte der beiden Vormonate zwar leicht. Seit dem sehr dynamischen Wachstum im zweiten Halbjahr 2020 mit dem bisherigen Höchststand von 12,6 Prozent im Dezember, zeigt der Marktanteil im bisherigen Jahresverlauf aber eine eher seitwärts gerichtete Entwicklung.
Bei den Plug-in-Hybriden war Mercedes im vergangenen Monat die Nummer eins (Marktanteil: 19,1 vH).
Die Top 15 PHEV-Modelle machten im Juli 56 Prozent der Zulassungen aus. Insgesamt verteilten sich die Neuzulassungen auf 79 Modelle. Unter den Top 15 PHEV-Modellen sind zehn Modelle deutscher Marken.
- Reine Batterie-Elektro-Pkw (BEV) erreichten mit 25.464 Pkw einen Zuwachs gegenüber dem Vorjahr von +51,6 Prozent und einen Gesamtmarkt-Anteil von 10,8 vH.
Bemerkenswert ist, dass nach dem Rekordmarktanteil von 14 vH im Dezember 2020 war der Marktanteil der reinen E-Mobile in den darauffolgenden Monaten deutlich gefallen ist. Im Juli bedeuteten 25.464 Neuzulassungen eine Marktdurchdringung von 10,8 Prozent, nach 12,2 Prozent im Vormonat.
Innerhalb der BEV Gruppe war VW im Juli mit einem Marktanteil von 22,8 vH die dominierende Marke. Hyundai folgte mit großem Abstand und 9,3 vH auf dem zweiten Platz, vor Renault (7,1 vH), Opel (6,4 vH) und Skoda mit 5,7 vH
- Die fünf erfolgreichsten E-Mobile kamen vergangenen Monat auf 34 Prozent aller Elektrozulassungen, die Top 15 auf 67 Prozent. Dies zeigt, wie konzentriert auf wenige Modelle dieser Markt weiterhin noch ist. Mit aktuell nur 53 Modellen ist das Angebot bei den E-Autos laut KBA-Statistik noch deutlich kleiner als bei Verbrennern. Allerdings sind in diesem Jahr bereits neun neue Modelle auf den Markt gekommen.
- Die deutschen Marken sind aktuell mit 26 Modellen vertreten und machten im Juli 55 Prozent aller E-Auto Zulassungen aus.
- Tesla konnte im Juli lediglich mit 489 E-Autos nur halb so viele Neuzulassungen wie Smart (1.263) verbuchen, wies aber einen hohen Zuwachs zum Vorjahr (+140,9 Prozent) auf. Der Tesla Anteil an den Gesamtzulassungen lag im Juli bei 0,2 vH (per Juli 0,9 vH), vergleichbar mit Alfa Romeo (0,1vH) und Toyota Lexus (0,1 vH)
- Nach den Erhebungen des KBA ging der durchschnittliche CO2-Ausstoß aller Neuzulassungen weiter um -15,1 Prozent zurück und betrug 122,7 g/km
Zusammenfassung
In Summe erreichten die alternativen Antriebe im Sommer einen neuen Höchstwert bei den Marktanteilen. Allerdings setzten nur die normalen Hybride ihren Siegeszug fort. Bei den Plug-in-Hybriden und reinen Batterie- E-Autos zeigte sich eine eher verhaltene Entwicklung. Dies dürfte zum Teil allerdings auch an dem Mangel an Speicherchips liegen.
Die deutschen Hersteller sind am E- Markt qualitativ sehr gut positioniert. Quantitativ ist noch Luft nach oben. Doch weder das eine noch das andere für sich genommen bestimmt die Wettbewerbsstärke eines Unternehmens. Die deutschen Hersteller weisen die Eigenart auf, dass sie beide Antriebsspielarten der Elektromobilität: BEV und PHEV inzwischen auf hohem Niveau beherrschen.