Wenn deutsche Unternehmen im Ausland investieren, ist das eigentlich gut für Deutschland. Zumindest, wenn es darum geht, als Vertrieb zu wachsen oder zusätzliche Märkte im Ausland zu ergreifen. Dann wüchse nämlich die deutsche Wirtschaft. So ist es aber nicht mehr: Wenn deutsche Unternehmen investieren, dann um abzuwandern – also zum Nachteil für Deutschland. Das ergab eine Sonderauswertung einer Konjunktur-Umfrage der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK).
Generell halten sich die Unternehmen laut dieser Umfrage mit ihrem Engagement im Ausland zurück: Nur 42 Prozent der Betriebe planen, Investitionen im Ausland zu tätigen. Das sind zwar geringfügig mehr als im letzten Jahr, aber immer noch unterdurchschnittlich wenige. Von den Unternehmen, die überhaupt noch im Ausland investieren, gibt fast jedes Vierte an, diese Investitionen zurückzufahren, während nur noch 30 Prozent ihre Investitionen ausweiten wollen. Warum? Weil ihre Budgets „belastet“ sind: „Anhaltend negative Geschäftserwartungen, weiterhin hohe Energiepreise, hohe Zinsen und zahlreiche geopolitische Risiken“ schränken den Spielraum für Investitionen ein. Auch eine zunehmende Zahl an Handelshemmnissen sorgen für ein zurückhaltendes Engagement der Unternehmen. Insgesamt fehle es an Planungssicherheit.
Gleichzeitig investieren weniger Unternehmen, um zu expandieren: Nur noch 37 Prozent der Unternehmen nennen als Hauptmotiv, ihren Vertrieb und Kundendienst im Ausland auf- und ausbauen zu wollen. Vor zwei Jahren waren es noch fast die Hälfte der Unternehmen. Ilja Nothnagel, Mitglied der DIHK-Hauptgeschäftsführung, merkt an, dass somit jene Motive Bedeutung verlieren, die dem Wirtschaftsstandort Deutschland zugute kämen. Das sei besorgniserregend.
Generell sind die Standortfaktoren in Deutschland nicht besonders prickelnd, wie eine weitere DIHK-Umfrage ergab: Viele, teilweise unverständliche Bürokratieauflagen, ineffiziente Behörden und lange Genehmigungsverfahren machen den Standort Deutschland demnach unattraktiv. Hinzu kommen die hohen Steuern und das komplexe Steuerrecht. Die Folge: Viele Unternehmen fahren ihre Investitionen in ihren heimischen Standort zurück und beschäftigen hierzulande weniger Menschen. Der Saldo für inländische Investitionen liegt somit laut der DIHK-Sonderauswertung bei minus elf Punkten. Statt sich im Inland zu engagieren, würden sich viele Unternehmen „umschauen“, sagt Nothnagel: Nach Standorten, in denen sie ihren Vertrieb „schneller und einfacher“ aufbauen können. Sie suchen also nicht nach Möglichkeiten, zu expandieren. Sondern nach Möglichkeiten, aus Deutschland abzuwandern. Entsprechend ist der Saldo des Auslandsengagements mit sieben Punkten „deutlich expansiver“.
Am meisten investieren die Unternehmen in die Eurozone: Jedes zweite Unternehmen von denen, die Auslandsinvestitionen planen, geben diese Destination an. Das sind allerdings weniger als in den letzten zwei Jahren – die Gesetze und Vorhaben der Europäischen Union bleiben offenbar auch nicht ohne Wirkung. Die Investitionen nach China und Südostasien nehmen wiederum zu: Ein Drittel der Unternehmen plant in diesem Jahr mit Investitionen in China und/oder in Südostasien.
Dass deutsche Unternehmen abwandern, „ist ein alarmierendes Signal“, sagt Nothnagel: „Umsteuern ist das Gebot der Stunde, bevor die industrielle Struktur in Deutschland nachhaltig geschwächt wird.“