Das ist schon sehr heftig. Jetzt wurde der ehemalige VW-Chef Martin Winterkorn in den USA wegen Verschwörung gegen die USA, Betrug und Behinderung der US-Ermittlungen angeklagt. Ihm drohen neben einer Geldstraße von 275.000 Dollar bis zu 25 Jahren Haft. Das zuständige US-Gericht in Michigan veröffentlichte die Anklageschrift am Donnerstag dieser Woche. Die Klageschrift selbst wurde bereits im März eingereicht.
Die US-Behörden glauben, dass Winterkorn eineinhalb Jahr vor Dieselgate über den Betrug informiert wurde und bewußt entschieden habe, die Manipulationen fortzusetzen. Geschockt seien sie, dass das »kriminelle Vorgehen bei Volkswagen von oberster Stelle abgesegnet wurde«.
Mit angeklagt wurden sechs weitere hohe VW-Manager. Sie alle sollen sich wie Winterkorn in Deutschland aufhalten. Eine Auslieferung droht ihnen wohl nicht.
»Wer versucht«, so wird US-Justizminister Jeff Sessions zitiert, »die Vereinigten Staaten zu täuschen, zahlt dafür einen hohen Preis.«
Die Vereinigten Staaten bleiben also bis auf Weiteres kein gutes Reisepflaster mehr für Manager aus der deutschen Automobilindustrie, insbesondere für VW-Leute nicht. Der ehemalige VW-Manager Oliver Schmidt war schlecht beraten, seinen Urlaub in Florida zu verbringen. Vor seinem Rückflug nach Deutschland wurde er in Miami verhaftet und im Dezember vergangenen Jahres zu sieben Jahren Haft verurteilt. 40 Monate sitzt der ehemalige VW-Ingenieur James Liang.
Jetzt fällt auch der Spitze des Herstellers auf die Füße, dass mit Hilfe von Software-Tricks die Abgaswerte für bestimmte Situationen »geschönt« wurden.
»Das ist eine Bestrafung eines Managers, der Betrug zu verantworten hat«, bewertet der Bundestagsabgeordnete und Daimler-Ingenieur Dirk Spaniel (AfD) den Vorgang, betont allerdings auch: »Der Höhe der Strafe ist jedoch völlig unverhältnismäßig. GM wurde in einem Entwicklungsskandal mit klaren Todesfolgen wesentlich nachsichtiger behandelt. Es ist Sache der Bundesregierung, deutsche Unternehmen vor dieser Art der Ungleichbehandlung zu schützen.«
Die VW-Konstrukteure versuchten damit, das Problem der seinerzeit drastisch verschärften Grenzwertvorgaben für Dieselmo-toren zu lösen. Die waren von keinem Auto-Hersteller auf der Welt erreichbar. Die Technik gab es nicht, ob sie zu einem vertretbaren Preis entwickelt werden könnte und auch funktionieren würde, war offen.
Höhere Führungskräfte hätten automatisch »Nein!« sagen müssen, als es darum ging, irgendwie die strengeren Abgasvorschriften zu erreichen. Spätestens in den Chefetagen hätte man sagen müssen: So gehts nicht! Keine Frage: Der VW-Konzern hat ein Führungsproblem.
Nun muß man immer mit berücksichtigen, dass VW politisch dominiert wurde, und dass die Gewerkschaft eine den Ausschlag gebende Rolle bei Entscheidungen spielt. Kaum zu glauben, dass der mächtige Betriebsratschef Bernd Osterloh überhaupt nichts wußte und auch nicht einschritt.
Jetzt soll alles besser werden, versprach der neue VW-Chef Herbert Diess auf der VW-Hauptversammlung an diesem Donnerstag. Er beschrieb Dieselgate als »schmerzhaften Einschnitt« und sagte, VW müsse »ehrlicher, offener, wahrhaftiger, kurz: anständiger werden«. Wenns denn nichts weiter ist.
Diess will die Konzernstruktur so verändern, dass nicht mehr alle Macht im Vorstand konzentriert ist, sondern die Markenebenen mehr Autonomie erhalten und selbst mehr Entscheidungen als bisher treffen können.
Ein wenig sanfter als der bisherige Vorstandschef Müller äußerte sich Diess zum Aufbau einer eigenen Batteriefertigung. Müller lehnte die kategorisch ab, Diess könne sie sich vorstellen, wenn die Politik entsprechende Rahmenbedingungen schaffe, sprich die nötigen Milliarden bereitstellt. Diess gibt dem grünen Affen ein wenig Zucker, sicher wissend, dass sich eine solche Fertigung in Deutschland nicht rechnet. Bosch hat nicht umsonst seine entsprechenden Pläne über den Haufen geworfen. Politik und Gewerksschaften fordern dies immer wieder, angeblich um Know how im Lande zu halten. Das Know how aber ist bereits völlig verschwunden, die Forschung wurde abgewürgt, der asiatische Vorsprung ist nicht mehr einzuholen. Außerdem rechnet sich eine Batteriefertigung auch aufgrund der hohen Energiekosten hierzulande nicht.
Man kann Dieselgate auch als selbstverschuldetes Spektakel ansehen. Jetzt fällt den Automanagern auf die Füße, dass sie sich nicht früher gegen unerfüllbare Forderungen gewehrt haben. Als die EU neue verschärfte Grenzwerte einführte, hat sich niemand in der Autoindustrie gewehrt. Im Gegenteil: VW-Manager wie Winterkorn betonten immer wieder laut: »Wir schaffen das!« Die Chefetagen ignorierten die Warnungen aus ihren technischen Abteilungen und betonten, Autos könnten noch sauberer gemacht werden. Das sei kein Problem. Das war zu jener Zeit, als NGO-Trupps wie Greenpeace im Kampf gegen das böse Auto VW in Wolfsburg auf die Dächer stieg, sich von Schornsteinen abseilte und die willfährigen grünen Medien dankbar solche Bilder sendeten.
Man muß auch an einen wesentlichen Grund erinnern: Es liegt am beschämenswerten Opportunismus vieler Manager und Unternehmen selbst. Systematisch haben sie selbst Technikängste und Wissenschaftsabneigung gefördert und bezahlt. Nicht direkt selbst, sondern meistens über ihre großen Stiftungen, die sie gegründet haben, um sich ein umweltfreundliches Mäntelchen umzuhängen. Sie haben Kreide gefressen, um den bösen Wolf gut zustimmen.
Die Sache mit Dieselgate ins Rolle brachte die undurchsichtige Nichtregierungsorganisation ICCT: Die wird aus dem Nachlass des Gründers des Computerkonzerns HP bezahlt. Dahinter steht auch die ClimateWorks Foundation, in der andere Stiftungen organisiert sind, die »etwas mit Klimawandel« machen.
Vielleicht nicht ganz unpassend unterstützt die Ford Foundation wiederum ClimateWorks und konnte so – absichtlich oder nicht – dem Konkurrenten kräftig vors Schienbein treten. Vermögensverwaltungen spendeten beträchtliche Mittel. Somit bekommt die Angelegenheit schon eher den Dreh eines handfesten Wirtschaftskrimis.
Doch unvorhersehbar war das VW-Desaster nicht. In Amerika gefallen sich Umweltbewegte im Autobashing, natürlich weniger bei eigenen Produkten. Die EPA, die amerikanische Umweltbehörde, versuchte sich unter dem ehemaligen US-Präsidenten Obama auf Kosten der deutschen Automobilindustrie zu profilieren. Obama wollte in einem seiner letzten Amtsstreiche die USA auf den Klimawandel vorbereiten, den Kohlendioxid-Ausstoß in den USA drastisch verringern und eine Führungsrolle im Klimaschutz einnehmen. Der neue Präsident Trump beendete sehr schnell dieses Spiel und ersetzte rasch das Führungspersonal in der Umweltbehörde EPA.
Obama – daran sollte man auch erinnern – wolle der »Wissenschaft ihre rechtmäßigen Platz zurückgeben« und berief in seiner Amtszeit mit John Holden ausgerechnet einen der führenden Panikmacher zu seinem wissenschaftlichen Chefberater. Holden ist ein bizarrer Physiker, der alles tun wollte, damit »Treibhausgase« reduziert werden, der auch schon mal Zwangssterilisation befürwortet und vor einem überbevölkerten Planeten warnte.
Es ist immer das gleiche Spiel: die bösen Abgase, das böse CO2. »Der Mensch«, der alles versaut. Wären da nicht die »Guten«, die alles retten wollen und dafür Spendengelder brauchen und »Staatsknete« für Umweltprojekte. Und nein, es sind nicht nur umweltbewegte Gruppen und NGOs, die durch ihre unseligen Aktivitäten die Automobilindustrie zerstören wollen. Die Autoindustrie zerstört sich selbst.
VW selbst hat einen bedeutenden Anteil daran, dass solche dubiosen Institutionen wie ein »Club of Rome« in bester Mittelaltermanier ausrufen konnte: Das Ende ist nahe – wenn, ja, wenn ihr nicht bezahlt. Die Idee des Ablasses kam wieder auf. Diesmal für die Umwelt.
So hatte VW seinerzeit eine Stiftung auf die Beine gestellt, mit 2,9 Milliarden an Kapital ausgestattet, um »Gutes« zu tun. Die Volkswagenstiftung ist heute zur größten privaten Wissenschaftsförderin in Deutschland geworden. 1961 gegründet, ist sie eine »eigenständige, gemeinnützige Stiftung privaten Rechts mit Sitz in Hannover.« Sie ist allerdings keine Unternehmensstiftung, wie sie betont.
Eine ihrer frühen »Großtaten« war die Finanzierung der »Grenzen des Wachstums«. Ältere erinnern sich: Das war jener unselige Bericht des »Club of Rome«, der den Untergang der Welt an die Wand malte, wenn, ja, wenn »wir« nicht mit Bevölkerungswachstum, Industrialisierung, Ausbeutung von Rohstoffreserven, Unterernährung und Zerstörung von Lebensraum aufhörten.
Es sind also nicht nur NGOs und Umweltbehörden, die der Autoindustrie den Garaus machen wollen. Sie tut es zu einem Teil selbst. Ihre Manager geben sich nach außen hin grüner als die Grünen selbst. In teuren Werbespots fahren leise blinkende Karossen durch blühende Landschaften, kein Lüftlein stört die Idylle, kein Hauch eines Abgases. Dabei funktioniert Verbrennung ohne Abgase nicht.
Wo aber sind die Manager mit »Hintern in der Hose«, die deutlich dem grünen Unsinn die Grenzen aufzeigen? Wo sind die Manager, die zu immer weitergehenden Abgasvorschriften laut »So nicht!« sagen? Wo sind die Manager, die deutlich auf die zentrale wirtschaftliche Rolle der Automobilindustrie hinweisen und darauf, wie sauber die Autos tatsächlich gemacht geworden sind und dass geringfügig weniger Abgase neben einem unverhältnismäßig hohen Aufwand sehr hohe Kosten für die Autofahrer mit sich bringen? Um Fragen der Gesundheit geht es dabei schon lange nicht mehr.
Niemandem scheint jetzt die Tragweite so recht klar zu sein: Wenn sich bei VW als einem der größten und wichtigsten deutschen Konzerne die Autos auf dem Hof stauen, weil sie keiner mehr kauft, bekommt nicht nur VW ein Problem, mindestens Niedersachsen, wenn nicht ganz Deutschland. Autos stehen auf Halde bei mittlerweile fast jedem Händler. Auch denen und ihren Mitarbeitern kann es wirtschaftlich an den Kragen gehen; verschärft wird dies durch die Krise bei Banken und Leasing-Unternehmen: Die zurückkommenden Diesel-Autos sind nicht zu den ursprünglich kalkulierten Preisen weiterzuverkaufen.
Was droht dem Ministerpräsidenten Niedersachsens, der immerhin im VW-Vorstand sitzt und auch über das Desaster informiert sein mußte? Was sagt er seinen Wählern, wenn die ersten Werke geschlossen werden müßten, weil niemand mehr die Autos kauft? Im Augenblick fährt VW Rekorde ein, weil vor allem das Geschäft in China brummt.
Eine Veranstaltung der Volkswagenstiftung bezog sich einmal auf den »Burnout, Angst am Arbeitsplatz«. Es sollte besser heißen: »um den Arbeitsplatz«.