Tichys Einblick
Auto-Enten leben ewig…

Die PR-Ente um Tesla als angeblich meistverkauftes Auto

Tesla hat es mal wieder geschafft, mit einer vermeintlichen Erfolgsmeldung in die Schlagzeilen zu kommen. Bei näherer Betrachtung ist nichts dran.

Die ältere Generation wird sich noch an ihn erinnern, an den Citroën 2CV, in Frankreich deux chevaux benannt, in Deutschland und Österreich üblicherweise mit dem Kosenamen Ente bedacht (in der Deutsch-Schweiz: Döschwo). 

Soviel zur Ente: Die französische Ente erblickte 1948 (mit einem luftgekühlten Zweizylinder-Viertakt-Boxermotor und Frontantrieb) das Licht der Welt und wurde rasch ob ihrer Robustheit und ihres niedrigen Preises zum populärsten Modell des Automobilherstellers Citroën. Bei den Jungen wurde sie Kult und zum beliebtesten französischen Gegenstück zum VW Käfer – für Studenten ohne Geld erschwinglich und nahezu unverwüstlich und simpel in der Technik. Die Ente entsprach dem Lebensgefühl einer ganzen Generation.

Die automobile Emissions- und Sicherheitsgesetzgebung machte ihr schließlich den Garaus, im Februar 1988 wurde die Produktion des 2CV erst in Frankreich, im Juni 1990 dann auch in Portugal eingestellt. Ausgeflattert…!

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Mitnichten! Auto-Enten leben offenkundig ewig, wenn auch nicht auf der Straße wie der 2CV, so doch weiter in den Medien in Form von Zeitungsenten. Und sei es auch nur in Form von Schlagzeilen – ohne dem verehrten Kollegen von der Journaille eine böse Absicht zu unterstellen. 

So war vor kurzem in der Welt die Schlagzeile zu lesen: Erstmals ist ein Tesla Deutschlands meistverkauftes Auto.“ Diese Behauptung bezog sich auf die Meldung des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) über die PKW -Neuzulassungen in Deutschland im September 2022.

Was natürlich allen Schlagzeilen-Konsumenten die in, mit und um die deutsche Autoindustrie herum ihre Brötchen – die ohnehin inflationsbedingt real immer kleiner werden – den Schweiß auf die Stirn und die Tränen in die Augen treibt. 

Und altgedienten Autoökonomen aus gegebenem Anlass die Zornesröte ins Gesicht. 

Doch warum und weshalb dieses?

Zunächst die Fakten: 

Soviel zu den Veränderungsraten der einzelnen Marken gegenüber dem Vorjahr in Prozent, deren Aussagekraft bekanntlich eingeschränkt ist, weil immer sehr stark von der Entwicklung der Vorjahresbasis beeinflusst.

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Die eigentliche Musik spielt bei den absoluten Zahlen, jedenfalls legt das die hier kritisierte Schlagzeile zugrunde, die ja auf die meistverkaufte Marke, in diesem Fall Tesla, abzielt. Wobei bereits an dieser Stelle der Hinweis erfolgen soll, dass selbst dann absolute Zahlen und Ableitungen daraus dann in die Irre führen, wenn der Markt insgesamt schrumpft, und der Spitzenreiter plötzlich deshalb zum Spitzenreiter wird, weil seine Schrumpfungsrate geringer ausfällt als bei den anderen.

Marken, und da spielt die Musik, zeigte sich im September 2022 (absolut + Anteil in vH am Gesamtmarkt) – in Klammern Summe Januar-September (absolut + Anteil in vH am Gesamtmarkt) –  folgende Reihenfolge ab:

Auch in Bezug auf den Gesamtabsatz ist Tesla also keineswegs das „meist verkaufte Auto in Deutschland“.

Richtig ist allerdings, dass der Anteils-Abstand zu den deutschen Premium-Marktführern und Skodas sich im September stark verkürzt hat. Verantwortlich dafür soll lt. Welt eine Besonderheit im Vertriebsmodell von Tesla sein: Das Unternehmen versucht stets aus Gründen der bilanziellen Quartalskosmetik im letzten Monat des Quartals seine gesamten aufgelaufenen Lagerbestände auszuliefern. Das Hochfahren der Produktion des Models Y in Grünheide bei Berlin spielt dabei ebenfalls eine Rolle. Genau aus diesem Grund ist aber damit zu rechnen, dass der „Sales Push“ zum Quartalsende künftig weniger heftig ausfallen wird, weil der Hersteller nun kontinuierlich Stückzahlen liefern kann.

Richtig ist ebenfalls, dass es im September 2022 in einzelnen Fahrzeug-Segmenten nach Meldung des KBA einen Wechsel des zulassungsstärksten Modells zugunsten Teslas gab:

Das heißt nichts Anderes, als dass das gesamte Segment der Mittelklasse im Schrumpfen begriffen ist. Im Gegenzug hält das Wachstum des SUV-Segments ungebrochen an.

Berücksichtigt man zusätzlich die Meldung, dass die Firma Sixt beim chinesischen Vollelektro-Autobauer BYD für die nächsten Jahre eine Bestellung von 100.00 Elektroautos für den europäischen Markt lanciert hat, nicht bei Tesla und auch nicht bei VW, so dürfte es nur eine Frage der Zeit sein, bis die Karten in der Flensburger Zulassungsstatistik abermals neu gemischt werden. 

Und es dann in den Schlagzeilen heißt: „Chinesische Elektroautos fahren an die Spitze“!

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