Die Nachrichten vom gestrigen Zinsentscheid der US-Notenbank Federal Reserve (Fed) sind für Europäer vor allem im Gegensatz zu den zeitgleichen Signalen der Europäischen Zentralbank zu lesen. Denn es kündigt sich damit ein transatlantisches Ungleichgewicht an, das für Menschen, die ihre Rechnungen in Euro begleichen, mittelfristig ungünstige Auswirkungen haben dürfte.
Die Fed also hat gestern in ihrer Sitzung entschieden, das Volumen ihrer Wertpapierkäufe von derzeit 120 Milliarden Dollar monatlich ab Mitte November um monatlich 15 Milliarden Dollar zu reduzieren, sodass das Corona-Stützungsprogramm im Juni 2022 ausliefe (die Zentralbank behält sich aber Änderungen an ihrem Plan vor). Am Leitzins ändert sich vorerst nichts. Wie die Entscheidung der Fed zu deuten ist, zeigen die Finanzmärkte: Sie jubilieren mit Kurszuwächsen der Aktien (auch im Dax, der erstmals über 16000 Punkte sprang) über den nur ganz sanften Tritt der Notenbank auf das Bremspedal. Und sie freuen sich offenbar auch über die klare Ansage der Fed, die Leitzinsen erst ab Mitte des kommenden Jahres zu erhöhen.
Und wie um das zu bekräftigen, erscheint just heute am Tag nach der Fed-Entscheidung ein Gastbeitrag von Lagarde in der FAZ, mit dem sie deutlich macht, dass die Beendigung der ultralockeren Geldpolitik und die Eindämmung der damit verbundenen Inflation für sie keine Priorität hat. Sondern: Klimaschutz. In dem Beitrag schreibt sie zwar „Rapide steigende Energiepreise können die Schwächsten treffen“, aber sie verliert kein Wort zur Rolle der Geldpolitik bei dieser Preisentwicklung.
Lagardes eigentliches Kerngeschäft als Notenbankchefin, nämlich die Sicherung der Währungsstabilität, spielt in dem Beitrag so gut wie keine Rolle. Man gewinnt immer mehr den Eindruck, dass diese die Juristin Lagarde gar nicht besonders interessiert. Stattdessen behauptet sie: „Naturkatastrophen und der ökologische Wandel wirken sich auf die Inflation aus.“ Implizit wird der Klimaschutz damit zur Maßnahme gegen Inflation verklärt. Und sie schwärmt vom „Network for Greening the Financial System“ und dem Ziel „die Steuerung von Klima- und Umweltrisiken im Finanzsektor weiterzuentwickeln und Finanzierungen zur Unterstützung des ökologischen Wandels zu mobilisieren“. Eine EZB-Präsidentin, die keinerlei demokratische Legitimation und kein über die Geldwertstabilität hinausreichendes Mandat hat, fordert schließlich: „Nach der Pandemie haben wir jetzt die Chance zur Erneuerung und Umgestaltung unserer Volkswirtschaften und zu einer Abkehr vom CO2-Ausstoß.“
Zu dieser „Erneuerung und Umgestaltung“ dürfte, wenn es im kommenden Jahr zu einem transatlantischen Ungleichgewicht von Zins-Normalisierung in den USA und anhaltender Nullzinspolitik in Europa kommt, vor allem eine beschleunigte Inflation und damit Verarmung in Europa gehören. Denn bei höheren Zinsen in den USA wird der Euro voraussichtlich gegenüber dem Dollar deutlich an Wert verlieren. Damit verteuern sich außereuropäische Importe für die Europäer. Kurz gesagt: Europa importiert sich noch zusätzlich Inflation.