Tichys Einblick
Branchenreport Nr. 06: E-Automarkt

Die Elektromobilität ist auf dem Vormarsch – der Gesamtmarkt stagniert

Trotz des globalen Mangels an Speicherchips und anderen Vormaterialien: Der Anteil der elektrisch angetriebenen Autos steigt – bei bleibend mickrigen Verkaufszahlen des Gesamtmarkts. Wo der Strom für weitere E-Autos herkommen soll, bleibt die große Frage.

IMAGO / Michael Gstettenbauer

Den Weltmarkt für Elektroautos kennzeichnen aktuell drei Charakteristika: Erstens, er entwickelt sich dynamisch und zulasten der Verbrennerautos. Zweitens, es ist wie mit dem Elefanten, der unter großem Getöse kreißt und dann nur eine Maus gebiert; das Zulassungsniveau ist überall äußerst mickrig! Drittens, PR-Genie Elon Musk hat die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit vom Absatz seiner Elektroautos und Fabrikeröffnungen auf spektakuläre Verkäufe eigener Tesla-Aktien gelenkt; der Machtkampf bei Volkswagen zwischen VW-Chef Herbert Diess und Gabriella Cavallo war dabei hilfreich.

Alternative Antriebe sind auf allen großen Märkten der Welt weiter auf dem Vormarsch, trotz des globalen Mangels an Speicherchips und anderen Vormaterialien sowie gravierenden Lieferschwierigkeiten im Netzwerk der weltweiten Transport- und Logistikketten. Nach Schätzungen von Experten werden dadurch 2021 über 11 Millionen Automobile – überwiegend Verbrenner – nicht gebaut. Die Zahlen werden mit Sicherheit noch nach oben korrigiert – sehr zur Freude der Umweltaktivisten.

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Marktgewinner sind Elektroautos – vollelektrisch auf Batteriebasis (BEV) oder als Plug-In-Hybrid (PHEV); Verlierer sind Verbrennerautos, allen voran jene mit Dieselmotor. Einem Ondit zufolge bereitet das Deutsche Museum in München bereits einen Präsentationsraum vor, in dem der letzte Dieselmotor aus deutscher Produktion eine würdige Heimat finden soll. Elektroantriebe gewinnen auch im dritten Vierteljahr in Europa wie in Deutschland Marktanteile hinzu. Allerdings können auch sie sich dem allgemeinen Produktionseinbruch infolge Chipmangels und Lieferengpässe bei anderen wichtigen Zuliefererteilen nicht entziehen.
Globale Elektromarktentwicklung (Quelle: ACEA, Automobilwoche)

Der weltgrößte Automobilmarkt China blieb auch im Oktober schwach. Im Oktober sind auf dem chinesischen Markt mit 1,74 Millionen Neuwagen (Pkw, SUVs und Minivans) 14 Prozent weniger Autos verkauft worden als im Vorjahresmonat. In China erschwert seit Monaten die schwierige Lage bei der Versorgung mit Elektronikchips die Situation am Markt. Das Land ist für die deutschen Autobauer der mit Abstand wichtigste Einzelmarkt. Volkswagen ist als Marktführer im Massenmarkt des Landes besonders vom Produktionseinbruch betroffen, zuletzt mussten aber auch Daimler und BMW im Premium-Segment Verluste hinnehmen. 

Auch in der EU sind die Neuzulassungen im Oktober deutlich zurückgegangen. Im Oktober wurden 665.001 Autos neu zugelassen und damit 30,3 Prozent weniger als ein Jahr zuvor. Damit ist die Zahl der Neuzulassungen den vierten Monat in Folge gesunken. Auf die ersten zehn Monate gesehen lag der Absatz wegen des guten ersten Halbjahres mit 8,2 Millionen Autos noch 2,2 Prozent höher als im Vorjahreszeitraum.  

Im Gegensatz zur allgemeinen Marktschwäche nahmen die Verkäufe von Batterie-Elektroautos (BEV) im dritten Vierteljahr 2021 um 56,7 Prozent weiter auf 212.582 Einheiten zu. Ihr Marktanteil beträgt inzwischen rund 9,8 vH, woran zahlreiche Kaufprämien-Programme in wichtigen Märkten einen hohen Anteil hatten. So wiesen die vier größten EU-Märkte je nach Niveau der Bezugsbasis teils dreistellige Zuwachsraten auf: Italien (+122,0 Prozent), Deutschland (+62,7 Prozent), Frankreich(+34,6 Prozent) und Spanien (+21,8 Prozent).

Plug-In-Hybrid-Elektroautos (PHEVs) gewannen ebenfalls Marktanteile hinzu und lagen im dritten Quartal 2021 bei 9,1 vH. Die Neuzulassungen expandierten um 42,6 Prozent auf 197.300 Einheiten. Das stärkste Wachstum fand in Italien mit 130,6 Prozent statt, gefolgt von Spanien (+87,5 Prozent), Frankreich (+49,5 Prozent) und Deutschland (+37,5 Prozent).

Verbrennerautos verloren in der EU weiter an Boden: Benziner verloren gegenüber dem Vorjahr mit 855.476 Einheiten 35,1 Prozent; ihr Marktanteil sank von 47,6 vH auf 39,5 vH, die Verkäufe halbierten sich fast (von 769.922 auf 381.473). Der Diesel-Marktanteil sank im 3. Quartal um über 10 Prozentpunkte von 27,8 vH auf 17,6 vH, die Verkäufe halbierten sich von 769.922 auf 381.473.

E-Marktentwicklung in Deutschland (Quelle: VDA, KBA)

Zunächst eine erfreuliche Meldung für die Umweltpolitik der Bundesregierung: 41,2 Prozent aller neu zugelassenen Personenkraftwagen waren in den zurückliegenden zehn Monaten mit alternativen Antrieben (Elektrobatterie, Hybrid, Plug-In, Brennstoffzelle, Gas, Wasserstoff) ausgestattet. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zeigte sich damit ein deutlicher Anstieg von 88,1 Prozent. Im Oktober 2021 sieht das Bild allerdings etwas schattiger aus:

Nach Angaben des KBA in Flensburg zeigte sich in den ersten 10 Monaten 2021 am deutschen Markt für alternative Antriebe folgendes Bild:

Der Wettbewerb auf dem Markt für Elektroautos wird zunehmend härter. Im Anhang ist dazu die neueste Statistik des Kraftfahrzeug-Bundesamtes angefügt: Von den dort aufgeführten 35 Marken haben inzwischen alle einen Elektroantrieb im Programm, 2020 waren noch vier ohne elektrischen Antrieb. 

Ausblick

Längerfristig werden die Märkte für Elektroautos weiter expandieren, allein schon die COP26-Klimavereinbarungen zur Dekarbonisierung von Energie und Verkehr sorgen für weitere Impulse. Hinzu kommt, dass synthetische Treibstoffe etc., die für eine umweltfreundliche Marktalternative sorgen könnten, bislang nur vielfach angekündigt, aber noch nicht verfügbar sind. Der Engpass ist all überall „grüner“ Strom.

Bereits kurzfristig absehbar ist, dass der Verdrängungswettbewerb auf diesem bisherigen Nischenmarkt voll Fahrt aufgenommen hat. Dafür sorgen immer mehr Hersteller mit immer mehr Modellen, die in voller Breite in den Elektromarkt drängen. Das hohe Wachstumstempo der Pioniere hat damit zu Ende – für Investoren ein untrügliches Anzeichen zum Verkauf ihrer Anteilsscheine.

Ehemalige Pionier- und Monopolanbieter werden, ähnlich wie die Ausreißer bei der Tour de France, erst vom Hauptfeld eingeholt und dann auf Normalmaß zurückgestutzt und ins Feld integriert. So funktioniert Wettbewerb im marktwirtschaftlichen System.

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