Die britische Premierministerin May ist nicht bekannt dafür, dass Fortuna ihr den Erfolg freigiebig und von leichter Hand vor die Füße legt. Erst verliert sie eine Unterhauswahl, die eigentlich nach dem Erfolg der Brexit-Befürworter beim vorangegangenen Referendum gar nicht verloren werden konnte, dann fallen ihr auf dem Parteitag der Tories die Stimmbänder aus und die Buchstaben von der Wand, als hätte jemand versucht Mene Mene Tekel an selbige zu schreiben.
Und in ihrer Partei kreisen wie die Geier ein paar unentwegte Erben des EU-Mandarinats, die sich mit der demokratischen Entscheidung des britischen Souveräns nicht abfinden wollen und denen es scheinbar egal ist, ob das Ergebnis ihrer Intrigen die Machtergreifung durch eine Gruppe kommunistischer Sowjet-Nostalgiker und Ewig-Gestriger Corbynistas mit dem Willen zur Diktatur des Proletariats sein könnte.
Wahrhaftig keine beneidenswerte Ausgangslage. Die Premierministerin hält sich dabei verzweifelt an dem Satz fest, dass das Vereinigte Königreich aus dem Brexit einen Erfolg machen und dabei Europas bester Freund bleiben wird – als wollte sie einen Glauben beschwören, der doch schon längst widerlegt wurde: Nämlich dass auf der Seite der Noch-EU-27 freundliche Personen die Verhandlungen in gutem Glauben führen und dass sie das seit Monaten stattfindende stetige Entgegenkommen der Premierministerin Ihrer Majestät mit gleicher Haltung erwidern werden.
Donald Tusk und der Freud`sche Versprecher
In diesem bemerkenswerten historischen Moment versteigt sich in einem Anfall unfreiwilliger Luzidität Herr Tusk, Mitglied des EU-Präsidentenstadels, in Antwort auf den oben zitierten Satz von Frau May zu der lapidaren Feststellung: „Es tut mir leid, aber das ist nicht das, was wir wollen“.
Da ist ihm die Wahrheit rausgeflutscht wie eine ungeplante Sturzgeburt. Das ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert: Es beweist zum einen, dass die Lippenbekenntnisse der Brüsseler Räterepublik, eine konstruktive Lösung suchen zu wollen, nichts weiter sind als Heuchelei. Es zeigt zum zweiten, was das EU-Mandarinat nicht will: Das Wohlergehen Großbritanniens und die Freundschaft mit ihm. Das sagt dieser Satz ganz und gar wörtlich, ohne Interpretationsspielraum. Hört, hört!
Es zeigt zum dritten, was für ein geschichtsvergessener Bursche man wird, wenn man seine Loyalität an eine dem Volk entfremdete Nomenklatura der Macht gebunden hat. Wäre es anders, würde sich Herr Tusk darauf besinnen, dass Großbritannien unter Aufopferung seines Empire, seines Wohlstands und seiner Jugend in den Krieg mit Deutschland eingetreten ist, weil ein verbrecherischer Reichskanzler sein Heimatland Polen überfallen, besetzt und vergewaltigt hat in der Absicht, einen europäischen Superstaat unter deutscher Führung zu schaffen. An dieser Stelle kann ich daher nur sagen: Herr Tusk, Sie sollten sich schämen.
Die hässliche Wahrheit: Die wahren Rosinenpicker sitzen in der Kommission
Es werden aber weder das Vereinigte Königreich noch Resteuropa aus dieser Krise führen, wenn Frau May ihren Irrtum im Charakter ihrer Verhandlungspartner nicht erkennt. Mangel an Einsicht sollte sie Frau Merkel überlassen, nicht von ihr kopieren. Sie hat – ohne rechtliche Verpflichtung – beim Thema Brexit-Rechnung großes Entgegenkommen gezeigt. Sie hat in der Frage der irischen Grenze ohne Not die Last auf die britischen Schultern gelegt, eine Lösung zu finden, die diese einzige Landgrenze zur EU offen hält, sie hat auf der Münchener Sicherheitskonferenz ebenso freigiebig ein Sicherheitsabkommen angeboten, welches die EU viel nötiger braucht als Großbritannien. Sie will den Freihandel mit Europa erhalten, obwohl die EU einen Handelsbilanzüberschuss von 120 Mrd. Euro mit dem Königreich hat und daran mindestens ebenso interessiert sein sollte. Frau May hat damit die Falken in Brüssel ermutigt, noch aggressiver zu agieren.
Verlangt die Premierministerin aber die Anwendung des Freihandels auch auf Finanzdienstleistungen, fliegt ihr daher als logische Konsequenz das Schlagwort vom „Rosinenpicken“ aus Brüssel entgegen. Dies, obwohl es mittlerweile offensichtlich ist, dass die eigentlichen Rosinenpicker im Berlaymont sitzen und dass es dem Kommissariat egal ist, welche wirtschaftlichen Kollateralschäden ihr selbstsüchtiger und nur ihren eigenen Interessen dienender Konfrontationskurs für Europas Wirtschaft, Arbeitsplätze und seinen Wohlstand haben.
Gefühlsduselei ist kein Ersatz für Strategie
Dabei gibt es eine Wirkungskette, die das DEXEU, das „Department for Exiting the EU“, auch bekannt als Brexit-Ministerium mit schlafwandlerischer Sicherheit entlang gehen kann, um einen guten Deal zu bekommen: Europa will unbedingt die Grenze zwischen Nordirland und Irland offen halten. Das geht nur mit einem Freihandelsabkommen, denn eine Grenze durch die Irische See wäre die Alternative dazu. Dieser Angriff auf die Souveränität des Vereinigten Königreiches wird aber mit Sicherheit keinen Erfolg haben.
Auch das europäische Begehr nach freiem Güterhandel zur Erhaltung seines Handelsbilanzüberschusses geht nur mit einem solchen Abkommen. Alles was London tun muss, ist, ein solches Abkommen an einen Deal beim Thema Finanzdienstleistungen zu knüpfen. Kein Freihandelsabkommen ohne Passporting. Über koordinierte Regulierung kann man dann reden, aber das ist eine Zweibahnstraße, und sicher keine Unterwerfung unter ein Brüsseler Diktat. Angesichts der Dominanz des Londoner Finanzplatzes, die mit und ohne Deal auch für die Zukunft nicht in Frage steht, wird der Schwanz nicht mit dem Hund wedeln. Hoffnung auf Fairness und Freundschaft ist keine Strategie, sie ist Gefühlsduselei. Und ohne Strategie gibt es keinen Erfolg.
Es wird für das Vereinigte Königreich Zeit, diese Fakten zur Kenntnis zu nehmen und eine Strategie zu adoptieren, die seine Interessen an die erste Stelle stellt. Das wird auch passieren, notfalls mit neuem Personal an der Spitze. Das Ergebnis wird auch den Interessen der anderen Völker Europas gerecht, aber halt nicht denen der Brüsseler Nomenklatura. Und bevor Herr Tusk sich jetzt zurücklehnt und in der ihm eigenen arroganten Larmoyanz verkündet, dass man dann halt auf einen Hard Brexit zusteuert, sollte er eines bedenken: Hard Brexit heißt Harte Grenze. Auch in Irland. Hard Brexit heißt keinen Cent aus London für Brüssel, auch nicht für die Pensionen des Feudalpersonals. Hard Brexit heißt kein Sicherheitsabkommen, denn so etwas schließt man unter Freunden. Hard Brexit heißt halt so, weil es dann hart wird.