Das gab’s wohl so noch nie: kein Strom mehr für Züge. Am Mittwochmorgen war der Strom im Bahnnetz so knapp, dass die Bahn ihre Güterzüge stehen lassen musste.
Das Zeitalter der Dampflokomotiven, in dem die Züge bei jedem Wetter und unter allen Umständen liefen, ist bekanntlich vorbei, die meisten Züge werden mit elektrischen Lokomotiven gezogen. Die benötigen Strom. Der war früher ausreichend und preisgünstig vorhanden, jetzt nicht mehr.
Jetzt macht es sich schlecht, dem Regionalverkehr mit seinen S-Bahnen noch mehr Verspätungen und Ausfälle zuzumuten oder gar die schicken ICEs stehen zu lassen. Die Bahn gibt schließlich Millionen an Werbung für ihr grünes Image aus. ICEs vor Windrädern vermittelt dem eher einfach gestrickten Grünen, dass sich Windräder drehen und daraufhin der ICE rollt.
Betreiber im Güterverkehr sauer: Sind nicht Wurmfortsatz der Eisenbahnbranche
Dann lieber Güterzüge stehen lassen. Das merkt niemand so recht, eine leistungsstarke Lok mit ihrem Stromhunger entfällt als heftiger Stromverbraucher und rettet die Netzstabilität.
Richtig sauer sind deswegen die Betreiber der Güterbahnen. Die wurden von dem Stillstand vollkommen überrascht und mussten zusehen, wie ihre wertvollen Frachten auf Abstellgleisen schmorten. Das Netzwerk Europäischer Eisenbahnen will die Bundesnetzagentur einschalten, wenn sich herausstellen sollte, dass nur Güterzüge angehalten wurden.
Die Betreiber der Schienengüterverkehre stören sich bereits seit Langem daran, dass kaum noch Platz auf den Schienen ist. Die sind so vollgestopft wie der Kölner Ring im Berufsverkehr. Mehr geht nicht, nur sieht man das nicht so deutlich, denn die Züge müssen längere Abstände einhalten. Das hindert umweltbewegte Politik wieder nicht, mehr Güter auf die Schiene zu fordern.
Schon vorher gab es Probleme bei der Verfügbarkeit des Schienennetzes – jetzt kommen Stromprobleme hinzu
Doch gerade im kombinierten Verkehr zerstören schon länger Probleme mit Verfügbarkeit des Schienennetzes die mühsam geplanten Umläufe der Züge und Personalplanungen, teils mit wochenlangen Folgewirkungen. Wenn jetzt noch Probleme mit der Stromversorgung der Lokomotiven dazukommen, »werden sich die Kunden abwenden und die Ladung auf die Straße gehen«, weiß Westenberger.
Er fordert, dass die DB »so oder so eine schnelle Regulierung der bei den Betroffenen entstandenen Schäden gewährleisten« muss. Aus der mit abgehalfterten Politikern besetzten DB-Bahnspitze wird die Order kommen, beim nächsten Strommangel dafür zu sorgen, dass dies nicht an die Öffentlichkeit gerät.
Eigentlich soll die DB Energie als Betreiber der Bahnstromnetze dafür sorgen, dass immer genügend Strom in den Oberleitungen vorhanden ist. Schon in der Vergangenheit konnte es mal allzu knapp mit dem Strom in den Oberleitungen werden, konnte schon mal ein Güterzug stehen bleiben.
Wenn es Probleme in den Oberleitungen gibt, muss ein Güterzug schon mal stehen bleiben
Eine sehr anspruchsvolle Aufgabe: Wenn ein ICE den Hauptbahnhof verlässt, zieht er so viel Strom aus dem Netz wie eine Kleinstadt. Ein 13-teiliger ICE-4 zieht schonmal 11.550 kW aus dem Netz, so viel wie eine kleine Gemeinde mit 5000 Einwohnern.
Diese Leistung muss in genau dem Augenblick zur Verfügung stehen, in dem sich der bis zu 800, 900 Tonnen schwere Zug in Bewegung setzt. Fahren gleich mehrere Züge aus einem Hauptbahnhof, muss auch diese Leistung vorhanden sein. Das Bahnstromnetz muss mit erheblichen Leistungsschwankungen fertig werden, wenn die Loks nur noch rollen. Mitunter speisen die Fahrmotoren auch ein wenig Energie zurück ins Bahnnetz, wenn der Zug rollt.
Eine bewundernswerte Leistung von Ingenieuren und Technikern, allen 20.000 Personenzügen, die täglich in Deutschland verkehren, die notwendige Energie zur Verfügung zu stellen, damit die Bahnen sich überhaupt bewegen können. Denn gerade die Steuerung der energieintensiven Anfahrts- und Beschleunigungsprozesse auf allen Schienen, mit Höchstgeschwindigkeit fahrende ICEs mit entsprechend riesigem Stromverbrauch verlangen mehr Rechenfähigkeit als sich das die gewöhnliche Grüne vorstellen vermag. Dabei können die Loks teilweise noch die C-Dur-Tonleiter hinauf und hinunter singen.
Preisgünstiger Strom aus Kern- und Kohleenergie ist weggefallen
Den Strom für die Bahn liefert ein eigenes Bahnstromnetz, das anders als das normale Netz mit einer Frequenz von 16,7 Hz anstelle der üblichen 50 Hz arbeitet.
Den Strom liefern teilweise eigene Kraftwerke der Bahn sowie eigene, an große Kraftwerke angekoppelte Bahnstromgeneratoren wie zum Beispiel am Großkraftwerk Mannheim. Bisher lieferten Kohle- und Kernkraftwerke, an denen meist ein eigener Generator für den Bahnstrom hing, den meisten Strom für die Züge.
Derzeit wird mehr Erdgas als Energiequelle für Bahnstromkraftwerke genutzt. Doch das ist teuer, zu teuer. Deshalb überlegt die Bahn, wieder vermehrt dieselangetriebene Loks einzusetzen. Die sind billiger.
Dagegen lieferten beispielsweise die alten Blöcke des Kohlekraftwerkes Datteln ebenfalls Bahnstrom, preisgünstig, zuverlässig. Doch die wurden stillgelegt; der neue, moderne Kraftwerksblock Datteln 4 kann die beachtliche elektrische Leistung von 413 MW für die Bahn erzeugen. Doch Grüne und Umwelt-NGOs veranstalten gegen dieses Kraftwerk den gleichen Budenzauber wie gegen alle Kohlekraftwerke und Tagebaue. Ziel: stilllegen.
Eine Umwelt-NGO hat aktiv am Strommangel mitgewirkt
Die Umwelt-NGO BUND klagt gegen Datteln 4, hat zuletzt im vergangenen Sommer recht bekommen. Die seinerzeit erteilte Betriebsgenehmigung sei nicht rechtens, meinten die Richter.
Dass sie damit auch die hochgelobten Züge treffen, ist ihnen bisher vermutlich entgangen. So werden künftig vermehrt Züge stehen bleiben müssen, weil nicht ausreichend Strom vorhanden ist.
Gut wenigstens, dass jetzt im Sommer die Weichen nicht geheizt werden müssen. Bei Eis und Schnee sorgen meist elektrische Weichenheizungen dafür, dass die Weichen funktionieren. Eine einzige Heizung benötigt etwa so viel Strom wie ein Haushalt in einem Jahr.
Habeck muss entscheiden: zwischen frieren in der Wohnung oder Züge blockieren, wenn weder Strom für Loks noch für Weichen da ist.