Tichys Einblick
Corona und der große Frust

Die Arbeitszufriedenheit der Deutschen ist auf einem Tiefstand

Fast die Hälfte der Arbeitnehmer in Büro-Jobs ist frustriert. Die große Unzufriedenheit ist vermutlich Ausdruck einer großen Veränderung, die die Corona-Pandemie in Gang gesetzt hat.

Es rumort offenbar gewaltig in deutschen Arbeitnehmergehirnen. Jedenfalls wenn einer Umfrage zum Thema Arbeitszufriedenheit Glauben geschenkt wird. Danach sind rund 47 Prozent der deutschen Arbeitnehmer in ihrem Job frustriert – ähnlich hoch fallen die Zahlen speziell bei IT-Fachkräften aus. Das ergab eine repräsentative Umfrage des Marktforschungsunternehmens Censuswide (London) in Kooperation mit dem Online-Job-Vermittlungsportal „fiverr“ (Tel Aviv). Befragt wurden Mitte Juli 1005 deutsche Büroangestellte zur Zufriedenheit im Berufsalltag. Anlass für die Umfrage war das Ende der Homeoffice-Pflicht und die Rückkehr vieler Arbeitnehmerinnen ins Büro.

Wie die Webseite heise.online berichtet, gaben 16 Prozent der Befragten sogar an, sehr frustriert zu sein. Am häufigsten wurden als Auslöser dafür mangelnde Unterstützung durch die Geschäftsleitung, Klienten oder Kunden genannt (29 Prozent). Ähnlich oft sagten die Befragten (27 Prozent), dass ihre Arbeitsbelastung im Laufe der Pandemie auf ein unerträgliches Maß gestiegen sei. Außerdem würden 26 Prozent den tieferen Sinn ihrer Tätigkeit hinterfragen. Ebenso viele beklagten sich über mangelnde Unterstützung des Arbeitgebers bei der Möglichkeit, von zu Hause aus zu arbeiten. Ganze 60 Prozent der Angestellten spielen der Umfrage nach zumindest mit dem Gedanken eines Jobwechsels. 22 Prozent davon sind aber zögerlich, zum Beispiel aus Angst vor Arbeitslosigkeit. Zehn Prozent der Wechselwilligen gaben an, in ihrem Berufsfeld bleiben, allerdings den Arbeitgeber wechseln zu wollen, während zwei Prozent der Befragten sogar in einen völlig neuen Bereich gehen möchten.

Peggy de Lange, VicePresident International Expansion bei Fiverr, sagt: „Der hohe Grad an Frustration und auch die wachsende Bereitschaft für einen Jobwechsel bei vielen Angestellten …. ist anscheinend Ausdruck einer großen Veränderung, die die Corona-Pandemie in Gang gesetzt hat. In den USA sehen wir diese Entwicklungen bereits massiv – dort herrscht aktuell schon viel Bewegung auf dem Arbeitsmarkt und die Arbeitnehmer haben sehr klare, neue Anforderungen an ihre Unternehmen.“ Fiverr hat außerdem die Offenheit gegenüber der Aufnahme einer freiberuflichen Tätigkeit abgefragt. 59 Prozent zeigten sich diesbezüglich offen und begründen es zum Beispiel damit, dass sie erfolgreiche Freelancer im Bekanntenkreis kennen würden, dass sie weiterhin von zu Hause aus arbeiten möchten und dass die Flexibilität einer freiberuflichen Tätigkeit attraktiv sei. Betrachtet man allein die Befragten aus der IT- und Telekommunikationsbranche, dann sind 48 Prozent derjenigen, die über einen Jobwechsel nachdenken, offen für eine freiberufliche Tätigkeit.

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Die Umfrage bestätigt zudem: Flexibilität ist für alle Arbeitnehmer aktuell die dringendste Anforderung an ihren Arbeitsplatz. 33 Prozent der Befragten gaben an, dass es für sie besser laufen würden, wenn sie ihre Aufgaben flexibel bestimmen könnten. Diejenigen, die zurück ins Büro gehen, wünschen sich wenigstens flexible Arbeitsstunden mit Option auf Homeoffice (34 Prozent) oder ein bis drei fixe Homeofficetage pro Woche (33 Prozent). Allein in der IT- und Telekommunikationsbranche gaben 43 Prozent der Befragten an, dass sie flexible Arbeitszeiten mit Homeoffice-Optionen benötigen, um sich in ihrer Rolle wohl zu fühlen, sofern ihr Unternehmen die Arbeit im Büro wieder aufnehmen sollte. Insgesamt fordern 27 Prozent eine offenere und flexiblere Unternehmenskultur oder Einstellung ihres Arbeitgebers. So ist für 34 Prozent Flexibilität auch das wichtigste Schlagwort, wenn es darum geht, was für sie in Bezug auf ihre Arbeit während der Pandemie an Relevanz gewonnen hat.

Auch umgekehrt, bei den Arbeitgebern, hat sich die Einstellung zum Homeoffice deutlich verändert. So gaben 74 Prozent allein der IT-Unternehmen in Deutschland an, Arbeit im Homeoffice auch nach der Coronavirus-Pandemie einsetzen zu wollen. Das ergab eine Unternehmensbefragung des Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim. Vor einem Jahr hatten 64 Prozent der befragten Unternehmen solche Pläne gehegt. Momentan arbeiten in 63 Prozent der IT-Unternehmen mehr als ein Fünftel der Beschäftigten regelmäßig zuhause. Vor der Pandemie hatte etwa die Hälfte dieser Unternehmen einem Teil der Beschäftigten ermöglicht, mindestens einmal wöchentlich im Homeoffice zu arbeiten. Dabei ist laut ZEW nicht nur der Anteil an Unternehmen mit langfristigen Home-officeplänen gewachsen, sondern auch der Anteil an Beschäftigten, die solche Angebote in der Zeit nach Corona voraussichtlich in Anspruch nehmen werden. Daniel Erdsiek vom ZEW sagt dazu, dass „derzeit etwa jedes zweite Unternehmen in der Informationswirtschaft davon ausgeht, dass langfristig mehr als 20 Prozent der Beschäftigten mindestens einmal wöchentlich im Homeoffice arbeiten werden“. Im Juni 2020 rechnete noch jedes dritte Unternehmen mit einer derart intensiven Homeoffice-Nutzung nach der Pandemie.

In anderen Brachen ist es ähnlich. Etwa im verarbeitenden Gewerbe, in dem wegen vieler ortsgebundener Tätigkeiten weniger im Homeoffice gearbeitet wird. Die Unternehmen dieser Branche haben ihre anfänglichen Erwartungen bezüglich der langfristigen Nutzung von Homeoffice nach oben korrigiert. Derzeit rechnen etwa 46 Prozent der Unternehmen im verarbeitenden Gewerbe damit, dass ein Teil der Belegschaft nach dem Ende der Pandemie mindestens einmal wöchentlich im Homeoffice arbeiten wird. Im Juni 2020 lag dieser Wert noch bei 37 Prozent; vor der Pandemie erlaubten 24 Prozent der Unternehmen überhaupt regelmäßiges Homeoffice. Für die Verlagerung der Arbeit ins Homeoffice haben Unternehmen sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in die technische Ausstattung und Infrastruktur investiert, also vor allem in Smartphones, Notebooks oder Tablets. 82 Prozent der IT-Unternehmen und 70 Prozent der im verarbeitenden Gewerbe hatten zwar bereits vor der Pandemie einen Teil ihrer Beschäftigten mit diesen Endgeräten ausgestattet, im Verlauf der Pandemie haben die Unternehmen diesen Anteil jedoch deutlich erhöht.


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