Tichys Einblick
Bloomberg-Ökonomen:

Deutschlands Wirtschaft droht “langsamer und unumkehrbarer Niedergang”

In Deutschland pfeifen es die Spatzen von den Dächern, nun lässt es sich auch international nicht mehr verheimlichen. Deutschlands ökonomischer Niedergang scheint stetig und unaufhaltsam vonstatten zu gehen. Neben strukturellen Problemen fehlt es vor allem an politischem Reformwillen.

IMAGO / Political-Moments

Was TE-Leser schon seit Jahren wissen, spricht sich nun auch unter internationalen Ökonomen herum. Detuschland steht, so eine Studie des Wirtschaftsmagazins Bloomberg, vor einem “sehr langsamen, sehr langwierigen Niedergang”, der allerdings aufgrund “struktureller Schocks” droht, “unumkehrbar” zu werden.

Die Deindustrialisierung Deutschlands ließe sich nicht mehr von der Hand weisen. Die fünf Jahre seit der Pandemie seien von einer Stagnation gekennzeichnet, die dazu führte, dass die deutsche Wirtschaft fünf Prozent kleiner ist, als sie es bei (ebenfalls niedrigen) vorpandemischen Wachstumswerten gewesen wäre. Das kommt mittlerweile deutlich in der Bevölkerung an. Jährlich fehlen rund 2500 Euro in den Haushaltskassen aufgrund der mangelnden Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands.

Hauptverantwortlich für diesen Niedergang sind strukturelle Probleme, die durch den Verlust von günstigem Gas aus Russland, aber auch durch die Krise der Automobilindustrie verursacht wurden. Da sich unter den etablierten Parteien, allen voran dem vermeintlichen Hoffnungsträger CDU, aber keine wirklichen Antworten auf diese Misere finden, gehen die Analysten von Bloomberg davon aus, dass dieser Trend womöglich unumkehrbar sei.

Deutschland zieht mal wieder Europa in den Abgrund

„Deutschland bricht nicht über Nacht zusammen”, so Amy Webb, Gründerin und Geschäftsführerin des Future Today Institute, das deutsche Unternehmen in strategischen Fragen berät. “Genau das macht dieses Szenario so absolut erschütternd und beängstigend. Es ist ein sehr langsamer, sehr langwieriger Niedergang. Nicht eines Unternehmens, nicht einer Stadt, sondern eines ganzen Landes – und Europa wird mit in den Abgrund gezogen.“ Nach und nach würde, so Webb, das Leben jeder einzelnen Person in Deutschland bis an ihr Lebensende ein wenig schlechter.

Verstärkt wird dieser Wandel auch durch Veränderungen in der Industrie, die ihre Investitionen immer häufiger ins Ausland verlagert. Der Senior-Makrostratege der Rabobank, Stefan Koopman, forderte im Angesicht Deutschlands rapider Deindustrialisierung sogar „ein tiefgehendes Überdenken dessen, was ‚die deutsche Wirtschaft‘ eigentlich bedeutet.” Allerdings gäbe es bisher „kaum Anzeichen dafür, dass ein solcher Wandel stattfindet“, so Koopman.

Den Ökonomen von Bloomberg zufolge haben jahrelange Fehlentscheidungen und etwas Pech Deutschlands Wirtschaftsmodell gerade dann zerstört, als der Rest Europas dessen industrielle Stärke brauchte, um der Region zu helfen, mit China Schritt zu halten, mit Russlands Krieg in der Ukraine fertig zu werden und auf zunehmend isolationistische USA zu reagieren. Stattdessen steht Deutschland vor seiner größten Krise seit der Wiedervereinigung.

„Deutschlands Probleme werden sich nicht von alleine lösen”, gibt der europäische Chefökonom Jamie Rush zu bedenken. “Die Umgestaltung der Wirtschaft für die Zukunft, die Verbesserung der Produktivität und die Bekämpfung der Ursachen für die hohen Energiekosten müssen von der nächsten Regierung dringend in Angriff genommen werden.“

“Jetzt gehts uns halt schlecht”

Doch auch Bloomberg sieht in den Reformvorschlägen von Friedrich Merz nur eine ungenügende Antwort auf die Herausforderungen der Gegenwart. Vor allem ziehen die Ökonomen das sture Festhalten an der Schuldenbremse in Frage. Denn während die Wirtschaft den Abbau von Bürokratie, die Modernisierung der Infrastruktur und die Beschleunigung der Digitalisierung fordert, droht die politische Spaltung Deutschlands das Land im Würgegriff des Status quo festzuhalten, anstatt sich der Zukunft zuzuwenden.

Diesen Trend verfolgt Bloomberg aber bereits in die Zeit vor Scholz. Während Angela Merkels sechzehnjähriger Amtszeit als Bundeskanzlerin wurde die umstrittene Schuldenbremse verabschiedet, die zu unzureichenden Investitionen in Verteidigung, Verkehr und Bildung beitrug. Unter anderem wurde so auch die Abhängigkeit Deutschlands von billiger russischer Energie zementiert.

In bester achselzuckender “jetzt sind sie halt da”-Manier antwortete Merkel auch selbst bei der Buchvorstellung ihrer Memoiren, als sie auf diese Probleme angesprochen wurde. „Wenn es hilft, dann kann man sagen, dass es Merkels Schuld ist“, so die Ex-Kanzlerin. „Ich glaube nur, dass wir dem Land damit nicht helfen.”

Und immerhin: Damit, wie man dem Land nicht hilft, kennt sie sich nun wahrlich aus.

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