Mehr als die Hälfte der Unternehmer gibt in einer großen Umfrage der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) an, dass vier Risiken ihre Geschäfte gefährden: Die hohen Arbeitskosten, der Fachkräftemangel, die hohen Energiepreise und die politischen Rahmenbedingungen könnten demnach ihr Unternehmen schwächen. Die vier Punkte liegen in ihrem Risikopotenzial so nahe zusammen, dass es schon keinen Sinn mehr macht, sie in ihrer Reihenfolge abzustufen. Wenn die Handelskammer die Unternehmer bittet, ihre Probleme mit eigenen Worten zu beschreiben, geht es am häufigsten um bürokratische Hürden.
Die hohe Zahl an Risiken erklärt, warum die Unternehmer in der Konjunkturprognose der Handelskammer negativ in die Zukunft schauen. Deutschland hat sich ein Geflecht an Problemen aufgebaut, das zu der vertrackten Lage führt, die DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben sieht. Wer ein Comeback Deutschland herbeiführen will, muss daher in Zusammenhängen denken – Wechselwirkungen berücksichtigen. Doch genau das kann die Politik immer weniger.
[inner_psot 1] Allen voran der Bundeskanzler: Olaf Scholz (SPD). Mit seiner Vorgängerin Angela Merkel (CDU) verbindet ihn vor allem eins: Ihm ist eigentlich völlig egal, welche Politik er macht. So lange sie nur seinem Machterhalt dient. Scholz kann innerhalb eines halben Jahres eine großzügige Einwanderungspolitik versprechen, Abschiebungen „im großen Stil“ ankündigen und sich dann moralisch über Menschen entsetzen, die privat über Umstände der Remigration gesprochen haben. Seine Meinungen nach dem Wind zu drehen, hat Scholz allerdings nicht exklusiv: Markus Söder (CSU), Friedrich Merz (CDU), Christian Lindner (FDP) oder Ricarda Lang (Grüne) bilden zusammen eine Generation Wetterfähnchen.
Das lässt zweifeln, ob ein Comeback Deutschland überhaupt möglich ist. Denn für ein durchgängiges Konzept braucht es Durchhaltevermögen in der Sache. Nichts fehlt der aktuellen Politikergeneration mehr. Sie ist einzig in der Lage, an einzelnen Stellschrauben zu drehen. Ist sie im Einzelfall dazu entschlossen, tut sie das ohne Rücksicht auf Zusammenhänge und Konsequenzen. Zum Beispiel der Mindestlohn.
Als die SPD 2015 in der großen Koalition den Mindestlohn durchgesetzt hat, hat sie gleichzeitig hoch und heilig versprochen, das Instrument werde politisch nicht missbraucht. Deswegen wurde eine Kommission eingerichtet, die fachlich über die Höhe des Mindestlohns entscheiden sollte. Für einen Wahlkampfschlager hat Scholz die Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro versprochen und das auch 2022 umgesetzt. Die Kommission hat er dabei gezielt übergangen. Weil das einmal geklappt hat, will der Kanzler den Mindestlohn nun zuerst auf 14, dann auf 15 Euro erhöhen. Gerade mal neun Jahre liegen zwischen „Der Mindestlohn soll politisch nicht missbraucht werden“ und: Der Mindestlohn wird erhöht, wann immer die SPD in den Umfragen absackt.
Wenn die Menschen mehr Geld haben, geht es ihnen wirtschaftlich besser. Das ist die Idee hinter dem höheren Mindestlohn. Ein solch simples Denken ist möglich in einer Partei, in der Treue und Zurückhaltung alles bedeuten, um die eigene Karriere nach vorne zu bringen – wirtschaftlicher Sachverstand indes gar nichts. Mit einem solch simplen Denken kommt die Politik in einem Land durch, in dem seine Bürger in der Schule eher 27 unterschiedliche Geschlechter und die Gottesbeweise von Anselm von Canterbury kennengelernt haben als wirtschaftliche Zusammenhänge.
Der Kanzler verkauft den höheren Mindestlohn 2025 wieder als Geschenk, das ihm seine Wiederwahl sichern soll. Doch das hat seinen Preis. Zum Beispiel den Vertrauensverlust. Wenn die Politik ein Ehrenwort abgibt, ein Instrument nicht missbrauchen zu wollen, und sich dann neun Jahre später darüber hinwegsetzt, als ob das nie passiert wäre, dann bekommen ihre Vertreter das Image von Rosstäuschern. Wobei sie auch dabei zeigen, dass sie Zusammenhänge nicht verstehen und nicht ihr Verhalten ändern, sondern mit Millionen Euro schweren Kampagnen reagieren, die den Bürger von der Seriosität der Politik überzeugen sollen – bezahlt vom Bürger selbst. Die Unverlässlichkeit der politischen Rahmenbedingungen ist einer der vier Punkte, die mehr als die Hälfte der Unternehmer als Risiko für ihr Geschäft angibt.
Ein anderes Risiko sind die hohen Arbeitskosten. Die steigen mit dem Mindestlohn weiter. Zum Beispiel bei Zeitungen, die immer noch zu Briefkästen gebracht werden. In Folge des Mindestlohns hat die große Koalition den Verlegern staatliches Geld versprochen. Für den Anfang mehr als 200 Millionen Euro pro Jahr, in wenigen Jahren schon mehr als 600 Millionen Euro. Die große Koalition ist an der Umsetzung gescheitert. Die Ampel hat den Plan übernommen, Verleger mit Staatsgeld zu pampern, deren Zeitungen unter dem höheren Mindestlohn leiden, ihn aber gleichzeitig im redaktionellen Teil feiern, weil ja jetzt alle mehr Geld haben.
200 Millionen Euro und mehr allein für die Zeitungen. Kampagnen, um den Imageschaden auszugleichen. Das ist nur ein kleiner Anfang. Der höhere Mindestlohn wird eine Welle weiterer Kosten auslösen: Die Arbeitskosten steigen unmittelbar. Das wird die Preise weiter nach oben treiben. Zudem wird die Ampel dann auch wieder das Bürgergeld erhöhen ebenso wie Freibeträge. Am Ende haben alle mehr Geld. Yeah. Aber es ist halt eben auch alles teurer. Wirtschaftliche Zusammenhänge sind eine strenge Lehrerin.
Durch die höheren Arbeitskosten steigen die Löhne unmittelbar. Doch all die Subventionen für Verleger, die Demokratie-Förderung genannten Imagekampagnen, das höhere Bürgergeld oder die Einnahmenausfälle durch höhere Freibeträge. Irgendwer muss das bezahlen. Und so werden die finanziellen Lasten von prinzipiell gesunden Unternehmen weiterwachsen. So lange, bis Kipppunkte erreicht sind und die Unternehmen und mit ihnen die Wirtschaft einbrechen. Ein Kipppunkt, den wir gerade live erleben. Dass die Steuern und Abgaben zu hoch sind, ist alles andere als eine neue Erkenntnis. Das Versprechen, sie zu senken, gehört zum festen Repertoire aller Parteien. Ebenso wie die Entschlossenheit, dieses Versprechen nicht umzusetzen.
Das Gleiche gilt für das Versprechen, die Bürokratie abzubauen. Die Ampel rühmt sich unter Federführung von Justizminister Marco Buschmann (FDP) damit, den Abbau gestartet zu haben – weil Unternehmer Belege jetzt zwei Jahre früher wegschmeißen dürfen. Das ist nahezu rührend angesichts der bestehenden Herausforderungen. Doch es ist eben nur eine einzelne Stellschraube. Der Kurs steht grundsätzlich auf Aufbau von Bürokratie. Nicht umsonst stockt der öffentliche Dienst auf allen Ebenen sein Personal auf. Zum Beispiel durch den höheren Mindestlohn.
In Einzelfällen sind Mitarbeiter bereit, mehr zu arbeiten, weil ihnen der Job als Teil der persönlichen Sinnstiftung wichtig ist oder weil sie die Notlagen ihres Unternehmens vor Ort selbst erfahren. Doch um solche individuellen Entscheidungen im Einzelfall zu verhindern, hat die Ampel für alle ein Gesetz zur Zeiterfassung auf den Weg gebracht, um illegale Mehrarbeit zu verhindern. Das nötigt dann Unternehmer dazu, jede Pause ihres Angestellten einzeln zu erfassen. Während die Politik den Abbau bürokratischen Aufwands verspricht, schafft sie immer wieder neuen. Stichwort Heizhammer. Stichwort Lieferkettengesetz. Auch hier wirken zwei Risiken wieder zusammen, die im Geflecht ein Comeback Deutschland verhindern.
Für ein Comeback Deutschland braucht es einen Kurswechsel. Mehr noch. Einen Mentalitätswechsel. Auch und gerade in der Politik. Diese versteht sich immer mehr als Bevormunder des Bürgers. Deutschland orientiert sich in seinem Staatsmodell immer stärker an der Helikopter-Mutter, die für ihr Kind alles regeln will. Doch wer für jede Bewegung mindestens eine Vorschrift schafft, der schafft damit gleichzeitig Bürokratie, denn irgendwer muss das ja überprüfen.
Wie die Helikopter-Mutter will der Staat von seinen Bürgern und von seiner Wirtschaft genau wissen, wann sie was wie getan haben. Und sie will ihnen bis ins Detail vorgeben, wie sie es künftig handhaben sollen. Wie die Helikopter-Mutter würgt der Helikopter-Staat damit den Schützlingen jede Luft ab – und schafft somit verkorkste Lebewesen, die zum Überleben nicht mehr in der Lage sind.
Mehr Freiräume lassen. Kosten niedrig halten. Das sind wichtige Voraussetzungen, um ein Comeback Deutschland zu schaffen. Über einzelne Stellschrauben lässt sich das nicht machen. Das fordert zuerst ein zusammenhängendes Denken, dann einen Mentalitätswechsel und dann ein konsequentes Handeln. Dafür braucht es strukturelle Veränderungen. Nicht in der Politik, sondern in der Auswahl des politischen Personals. Davon handelt der nächste Teil der Serie ‚Comeback Deutschland‘.