Tichys Einblick
Ungenutzte Potenziale heben

Warum Deutschland keine Einwanderung braucht, um Arbeitsplätze zu besetzen

Die Ampel will offene Stellen mit offenen Grenzen bekämpfen. Doch die Zahlen der Vergangenheit zeigen, dass das Vorhaben zum Scheitern verurteilt ist. Die Potenziale gegen Arbeitskräftemangel liegen in Deutschland selbst. Japan, ein Land mit ähnlichen Herausforderungen, zeigt, wie es gehen kann. Von Samuel Faber

picture alliance/dpa/Revierfoto | Revierfoto

Wenn das Erzählmuster vereinheitlicht ist, dann hat die Propaganda Struktur. Diese Binsenweisheit kann man auch auf das Thema „Fachkräftemangel“ anwenden, wobei „Arbeitskräftemangel“ passender ist, denn auch im Bereich der Hilfsarbeiter gibt es bereits Engpässe. Das Erzählmuster der geneigten Medien, aber auch der herrschenden Politik, geht so: „Weil wir Arbeitskräftemangel haben, benötigen wir Zuwanderung. Und da wir Zuwanderung brauchen, müssen wir mehr Menschen ins Land lassen.“

Diesen Zirkelschluss darf man als widerlegt betrachten. Laut Statista waren im Jahr 2023 rund 770.000 Stellen in Deutschland unbesetzt. Allein im Jahr 2015 kamen rund 1,1 Millionen Menschen ins Land. In den letzten Jahren hätte sich laut dem Zuwanderungs-Erzählmuster diese Lücke schließen sollen. Doch das Gegenteil ist geschehen. Je mehr Migranten sich in Deutschland niederlassen, desto mehr Arbeitskräfte werden gesucht.

Flüchtlinge: entweder arbeitslos oder kaum berufliche Weiterentwicklung

Was auf den ersten Blick paradox wirkt, erschließt sich in der Analyse schnell. Ein wesentliches Problem bleibt bei Migranten die mangelnde Bildung. Manche besitzen gar keine formale Bildung, und andere bringen zwar Fähigkeiten mit, die jedoch für den deutschen Markt nicht kompatibel sind. Das macht sich auch in der Arbeitsmarktstatistik bemerkbar.

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Doch auch hier kommt es auf das Framing an. Wenn das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) schreibt, dass die Mehrheit aller sogenannten Flüchtlinge seit 2015 in Arbeit ist, so ist das nicht gelogen. Im Text vom Juli 2023 heißt es wörtlich: „54 Prozent der 2015 nach Deutschland Geflüchteten waren 2021 erwerbstätig. Das zeigt eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Ihre Erwerbstätigkeit ist gegenüber dem Pandemiejahr 2020 um zehn Prozentpunkte gestiegen.“

Anders gesagt: Fast die Hälfte derer, die im Jahr 2015 als Flüchtlinge ins Land kamen, sind nicht erwerbstätig. Die Erwerbstätigenquote in Deutschland liegt im Mittelwert bei mehr als 75 Prozent. Die Betonung soll auf „Mittelwert“ liegen, denn Highperformer wie Vietnamesen, die sehr viel weniger arbeitslos sind als die allermeisten Volksgruppen, einschließlich der Deutschen selbst, kaschieren die geringe Erwerbstätigenquote sogenannter Flüchtlinge.

Schaut man sich den IAB-Bericht 13/2023 genau an, so wird deutlich, welchen Beschäftigungen die Flüchtlinge ab 2015 nachgehen. Demnach arbeiten im siebten Jahr nach dem Zuzug immer noch 41 Prozent derer, die überhaupt erwerbstätig sind, im Helferbereich. Als Fachkräfte arbeiten nach sieben Jahren 53 Prozent. Oder anders gesagt: Seitdem die Flüchtlinge 2015 nach Deutschland kamen, sind heute 12 Prozent mehr als Fachkräfte tätig und vier Prozent weniger als Helfer. Die Zahl der Akademiker hat sich mit 4 Prozent kaum verändert. Die versprochenen Herzchirurgen blieben nicht nur aus, sie wurden in den Jahren auch nicht ausgebildet.

Was die Studie offenkundig ignoriert, sind Flüchtlinge, die in Maßnahmen der Agentur für Arbeit stecken. Die Zahlen sprechen jedoch auch so eine eindeutige Sprache. Flüchtlinge, die arbeitsfähig und arbeitswillig sind, erfahren kaum Bildung. Sie bleiben in ihren angelernten Tätigkeiten und erfahren kaum berufliche Weiterentwicklung.

Japan heuert zielgerichtet kulturnahe Migranten an

Richtig ist, dass gezielte, partielle Fachkräfte-Zuwanderung helfen würde. Doch hierfür sieht sich Deutschland, ganz im Gegensatz zu Japan, kaum im Stande. Das asiatische Land hat, ähnlich wie Deutschland, mit einer alternden Gesellschaft in Verbindung mit geringen Geburtenjahrgängen zu tun. Doch Japan geht den Weg der vernünftigen, weil zielgerichteten Migration.

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So sollen innerhalb der nächsten fünf Jahre laut dem Magazin Sumikai bis zu 800.000 ausländische Fachkräfte im Rahmen des Fachkräftevisums akzeptiert werden. Konkret geht es um die Bereiche Straßentransport, Eisenbahn, Forstwirtschaft und Holzindustrie. Japan geht also den diametral entgegengesetzten Weg wie Deutschland.

Hinzu kommt: Japan hatte so gut wie keine Ausländer im Land, und die, die sie einwandern lassen, sind ihrer Kultur nahe. In Zahlen sieht das so aus: Im Jahr 2022 lebten fast 3 Millionen Ausländer in Japan. Das entspricht 2,3 Prozent. Für deutsche Verhältnisse, hierzulande sind es rund 15 Prozent, mag das wenig klingen. Dennoch ist das für den Inselstaat Rekord. Noch nie lebten so viele Ausländer in Japan. Der Rückgang in den Jahren 2020 und 2021 aufgrund der restriktiven Grenzschließung ist damit überwunden.

Auch ein großer Unterschied zu Deutschland ist die kulturelle Nähe der Migranten zum Zielort. Mehr als die Hälfte der in Japan lebenden Ausländer stammen aus China, Vietnam und Südkorea. Das Land versucht also nicht nur die Qualifikation der Neuankömmlinge zu steuern, sondern auch zu vermeiden, dass durch kulturfremde Migration Probleme entstehen, Probleme, die in Deutschland derzeit die Tagesmeldungen füllen.

Die Potenziale schlummern bereits im Land

Dabei gäbe es hierzulande Potenziale, die es auszuschöpfen gilt. Mehr als 2,6 Millionen Menschen zwischen 20 und 35 Jahren sind ungelernt – das ist ein trauriger Rekord. Viele finden sich heute im Bürgergeld, andere in teuren und nicht immer sinnvollen Schulungsmaßnahmen der Agentur für Arbeit wieder. Insgesamt sind 3,6 Millionen Menschen in Deutschland ohne Job. Nicht wenige Experten gehen von mehr als fünf Millionen Arbeitslosen aus.

Angesichts dieses Potenzials erscheint das Erzählmuster „Mehr Migration führt zu einer höheren Beschäftigungsquote“ nicht nur unsinnig, wie die Zahlen zeigen, es ist auch noch unnötig. Es ist zumindest kaum vermittelbar, wenn laut Tagesschau sogar auf Wochenmärkten das Personal fehlt, um den Betrieb so aufrechtzuerhalten, wie es die Kunden gewohnt sind. Um Spargel oder Äpfel zu verkaufen, braucht es weder einen akademischen Grad noch Zuwanderung. Es genügt der Wille zur Arbeit, der bei manchen offenkundig durch zu hohes Bürgergeld ausgebremst wird.

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