Tichys Einblick
Nach Milliardenverlust massiver Stellenabbau

Warum die Deutsche Bahn noch verheerender ist als die offiziellen Zahlen eingestehen

Das Chaos bei der Bahn ist weit schlimmer als die offiziellen, schon verheerenden Zahlen. Weit weniger als 63 Prozent der Züge sind pünktlich, 30.000 Vollzeitstellen sollen wegfallen, der Schuldenstand liegt auf einem Rekordhoch, mehr Bürger steigen wieder aufs Auto um.

picture alliance / dpa | Matthias Balk

Kürzlich meldete die Bahn für das erste Halbjahr 2024 einen Verlust von mehr als 1,2 Milliarden Euro. Schlimm genug – und doch Beschönigung. Denn auch in den nächsten Jahren wird die Lage der Bahn schlimmer werden statt sich zu bessern. Die Weichen dafür sind gestellt. Und die Ausreden für das Bahn-Versagen werden immer wüster.

Neben dem Streik der Lokführer im März dieses Jahres – die Streiks kosteten die Bahn 300 Millionen Euro – sollen Vorleistungen für die Sanierung der Infrastruktur schuld am Desaster gewesen sein, aber auch „Klima-Ereignisse“. Klima ist die neuerdings gängige Ausrede, während seit 1966 der Werbespruch lautet: „Wir fahren bei jedem Wetter.“ Tatsächlich bleib 2024 Süddeutschland im Winter tagelang weitgehend ohne Bahn. Es hatte geschneit: Schnee im Winter – ein Klimachaos.

Offiziell sehen die Zahlen schlimm genug aus: erstes Halbjahr 2024 mit einem operativen Verlust (EBIT bereinigt) von minus 677 Millionen Euro – mehr als 950 Millionen schlechter als im ersten Halbjahr 2023. Das Konzern-Ergebnis nach Ertragssteuern betrug minus 1,2 Milliarden Euro (1. Halbjahr 2023: minus 71 Millionen Euro). Der Systemverbund Bahn verzeichnet im ersten Halbjahr 2024 einen operativen Verlust von minus 1,2 Milliarden Euro (erstes Halbjahr 2023: minus 339 Millionen Euro). Der Umsatz des DB-Konzerns sank um drei Prozent auf 22,3 Milliarden Euro.

Insgesamt 1,2 Milliarden Reisende nutzten in den ersten sechs Monaten die Züge im gesamten DB-Schienennetz. Nur 64,2 Millionen Reisende nutzten in den ersten sechs Monaten des laufenden Jahres die Fernverkehrszüge – minus sechs Prozent zum ersten Halbjahr 2023. Das ist ein unternehmerisches Kunststück der Extra-Klasse: Im Fernverkehr ist Die Bahn praktisch ein Monopolist. Und trotzdem bleiben die Fahrgäste weg? Der politisch propagierte Umstieg vom Auto in den Verspätungs-Zug findet nicht statt.

Weit weniger als 63 Prozent der Züge sind pünktlich

Die Pünktlichkeitsquote betrug im ersten Halbjahr im Fernverkehr 62,7 Prozent, im gesamten Personenverkehr des Konzerns bei 90,1 Prozent. Laut Definition der Bahn ist ein Zug pünktlich, der mit weniger als sechs Minuten Verspätung im Bahnhof eintrifft. Diese Zahl ist schrecklich – und doch noch geschönt. Darin sind nur solche Züge enthalten, die überhaupt den Bahnhof verlassen. Immer mehr Züge allerdings fallen aus. Das wird allerdings nicht als Verspätung gerechnet. Ebenfalls fehlen Verspätungen die durch verpaßte Anschlusszüge entstehen. Aus vielleicht vernachlässigbaren 10 Minuten Verspätung wird dann in der Regel eine komplette Stunde oder noch mehr. Und: Mittlerweile nimmt Die Bahn Verspätungen in ihren Fahrplänen vorweg. Wegen Umbauten auf ihren Strecken verlängern sich die Fahrten erheblich – aber gelten nicht als „Verspätung“. So dauert die Fahrt von Frankfurt nach Berlin jetzt wieder rund 5 Stunden, es waren aber schon mal deutlich unter vier Stunden Reisezeit. Bleibt als Fazit: Bahnfahrten sind nicht mehr planbar. Das fällt auch immer mehr Besuchern auf – Deutsche haben sich an das Leid mit der Bahn gewöhnt wie auf das sinnlose Warten an der Ampel.

„Die Bahn war im Zuge der Fußballeuropameisterschaft aufgrund überfüllter und teils stark verspäteter Züge auch im Ausland in Kritik geraten, schreibt die Zeit. Und weiter: „DB-Chef Lutz sagte, das Großereignis habe ‚wie unter dem Brennglas‘ ins öffentliche Bewusstsein gerückt, wie hoch die Nachfrage nach klimafreundlicher Mobilität und wie groß gleichzeitig der Handlungsbedarf bei der Schieneninfrastruktur sei. Die vielen Besucher aus dem Ausland haben den Angaben zufolge zu einem deutlichen Umsatzplus für den Monat Juni geführt. …“

Die Botschaft der Bahn ist entlarvend: Kunde droht mit Auftrag! Die Verantwortung für Verspätung und Überfüllung  liegt bei den Kunden!

30.000 Vollzeitstellen sollen wegfallen

„Die Bahn hat mit einem umfangreichen Sparprogramm begonnen, das sie selbst ‚qualifizierte Ausgabensteuerung‘ nennt“, berichtet die Welt. Als erstes werden das die Mitarbeiter des Konzerns zu spüren bekommen – innerhalb der Verwaltung sollen in den kommenden fünf Jahren 30.000 der insgesamt knapp 300.000 Vollzeitstellen gestrichen werden.

Dies entspräche der natürlichen Fluktuation durch das Ausscheiden älterer Mitarbeiter im Zeitraum von zwei Jahren, so Bahn-Finanzchef Holle. Betriebsbedingte Kündigungen sollten so vermieden werden. Alle Geschäftsbereiche müssten in Zukunft wieder profitabel werden, sagte er. „Wir müssen künftig mehr Bahn mit weniger Menschen schaffen“, so der Finanzvorstand. Das solle vor allem durch Effizienzgewinne durch Digitalisierung erreicht werden. Aber immerhin organisierte die Bahn im April eine Führungskräfte-Feier für 1,7 Millionen Euro.

Schuldenstand

Die Deutsche Bahn ist mit 34 Milliarden Euro hoch verschuldet und liegt auf einem Rekordhoch. In den Jahren 2022 und 2023 wurden bereits Teile von DB Arriva (Nahverkehr der DB im europäischen Ausland) verkauft. Dazu soll noch im Jahr 2024 der Logistik- und Gütertransportdienstleister DB Schenker den Besitzer wechseln. Dieser hat in der Vergangenheit stets den größten Teil des Umsatzes der Deutschen Bahn erwirtschaftet.

Weiterhin hat der Bund im Februar 2024 eine Eigenkapitalerhöhung der Deutschen Bahn in Höhe von 12,5 Milliarden Euro angekündigt. Die Schulden umfassen nicht nur Netto-Finanzschulden und Lease-Verbindlichkeiten, sondern auch Pensionsverbindlichkeiten, heißt es bei der Bahn.

Aber das Bahn-Management denkt gar nicht daran, seine Aufgaben zu erfüllen. Das Management erhält hohe Prämien, wenn es Quoten für Diversität erfüllt. Solche Quoten sind leicht zu erfüllen – man stellt Vertreter von Minderheiten ein, auch wenn sie ihren Job nicht erfüllen. Aber die Köpfe zählen für die Millionen-Boni – Verspätung dagegen und Verlust von Marktanteilen bleiben ohne Folge. die Konsequenz ist klar: Falsche Personalentscheidungen werden belohnt, die Folgen sind egal und für die Fahrgäste spürbar. Missmanagement wird belohnt.

Ticketpreise sollen trotz Missmanagement steigen 

Inwiefern die Ticketpreise aufgrund des Spardrucks steigen werden, entscheide man traditionell erst im Herbst, erklärte Konzernchef Richard Lutz ausweichend auf Nachfrage. Allerdings sei angesichts von gestiegenen Kosten und dem Ziel, operativ wieder Gewinn zu machen, von deutlichen Steigerungen auszugehen, schreibt Welt.

Wie schön: Die Leistung ist mies, die Preise steigen. Das geht nur mit einer staatlich garantierten Monopolstellung im Fernverkehr.

Derzeit gibt es das 49-Euro-Ticket im Nah- und Regionalverkehr. Der Preis soll 2024 nicht erhöht werden. Ob das auch 2025 so bleibt, ist mehr als fraglich. Bund und Länder streiten darüber seit geraumer Zeit.

Mehr Bürger steigen wieder aufs Auto um

Um die „Mobilitätswende“ zu organisieren, erfand die Ampel das Deutschlandticket. Zuerst hochgelobt – nun stellt sich heraus: Die Unpünktlichkeit der Bahn führte laut dem Fahrgastverband Pro Bahn dazu, dass wieder mehr Leute das Auto zum Reisen nutzen, was den Umsatz der Bahn im Fernverkehr auch zukünftig schmälern könnte. Dürfte auch dazu führen, dass im Nahverkehr die 49-Euro-Tickets gekündigt werden.

Die Bahn und ihr unglückseliger Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) versprechen allen ernstes: In 50 Jahren wird alles besser. Etwas ab 2070! Und keiner lacht!  Es ist das alte Versprechen verstaatlichter, also sozialistischer Unternehmen: Die Morgenröte zieht auf – aber wir werden es nicht mehr erleben. Im rotgrünen Deutschland bedeutet das: Jahrzehnte sich weiter verschlechternder Zustände liegen vor uns, keine Lösung in Sicht. Trotzdem wird das Auto als einzige Alternative zur Bahn weiter behindert. Verkehr behindern – das geht sofort. Durch Blockaden in den Innenstädten, durch immer noch absurdere Vorschriften, Verteuerung, und Verbrennerverbot. Mach kaputt, was funktioniert, und finde eine Lösung, die vielleicht ab 2070 wirkt.

Aber auch diese „Mobilitätswende“  ist auf breiter Front gescheitert: Im Jahr 2019 hieß es, Bundeskanzlerin Angela Merkel erwarte, dass bis spätestens 2022 eine Million Elektroautos hierzulande fahren werden. Indessen treten im Jahr 2024 die Deutschen bei E-Autos in den Käuferstreik.

„Demnach haben Privatkunden seit Jahresbeginn 47 Prozent weniger E-Autos bestellt als im vergleichbaren Vorjahreszeitraum. Die Bestellungen für Plug-in-Hybride (mit Verbrennungs- und Elektromotor) gingen um 37 Prozent zurück. Dafür stieg die Nachfrage nach Dieselfahrzeugen und Benzinern um 24 Prozent.“

E-Autos sind auch im Gebrauchtwagenhandel ein „Ladenhüter und „so gut wie unverkäuflich“. Autohändler nehmen keine gebrauchten Elektroautos mehr in Zahlung. Um diese Fahrzeuge überhaupt vom Hof zu bekommen, müssen die Verkäufer hohe Rabatte gewähren.

Wenn die große Mobilitätswende dann kommt braucht man vielleicht überhaupt keine Bahn mehr. Autonomes Fahren bedeutet: Auch die Fernstrecke wird wieder für das Auto attraktiv. Es holt den Kunden vor der Tür ab und fährt ihn ans Ziel, während er schläft oder liest oder arbeitet. Die Vorzüge der Bahn gelangen in die individuellen Fahrzeuge. Wer will sich da noch wegen der Verspätung und schlechten Personals ärgern?

Übrigens reagierten die Spötter schon 1966 auf den Spruch „Wir fahren bei jedem Wetter“ mit:

„Nur die Fahrgäste bleiben im Regen stehen“.

 

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