Die Dekarbonisierung der Weltwirtschaft möglichst schnell zu erreichen, lautet eine der einschneidendsten Forderungen der gerade in Madrid zum 25. Klimagipfel versammelten Klimawandel-Bewegten. Der Börsengang des staatlichen saudischen Ölriesen Saudi Aramco wirkt da wie ein zynischer Spott. Und dann wird es auch noch die größte Neuemission aller Zeiten.
Drei Milliarden Aktien werden zum Preis von 32 Riyal (umgerechnet 7,70 Euro) und damit am oberen Ende der Spanne (30 bis 32 Riyal) ausgegeben, teilte der Konzern am Tag vor Nikolaus mit. Damit ist der Börsengang umgerechnet mindestens 23,1 Milliarden Euro schwer. Der bisherige Rekordhalter, der chinesische Internetkonzern Alibaba, hatte vor fünf Jahren 22,5 Milliarden Euro erlöst. Einschließlich Platzierungsreserve könnten es bei Saudi Aramco sogar 26,5 Milliarden Euro werden. Mit einem Börsenwert von 1,53 Billionen Euro löst Saudi Aramco zudem den US-Konzern Apple als wertvollstes börsennotiertes Unternehmen der Welt ab.
Der Börsengang sei 4,7-mal überzeichnet gewesen, hieß es. Ab wann die Aktie an der saudischen Börse gehandelt wird, teilte der Konzern zunächst nicht mit. Dies könnte aber bereits in dieser Woche der Fall sein. 2020 könnte dann die Notierung an internationalen Börsen folgen. Saudi-Arabien hofft, durch die Einnahmen unabhängiger vom Geschäft mit Öl und Gas zu werden.
Trotz des gewaltigen Volumens: Auf den Markt kommt nur ein kleiner Teil des weiterhin vom Königshaus kontrollierten Konzerns: Ein Prozent der Aktien soll an institutionelle Anleger gehen, ein Anteil von bis zu 0,5 Prozent ist für Kleinanleger gedacht, wie es im Börsenprospekt heisst. Mit dieser „Volksaktie“ will der Kronprinz einen Erfolg an der heimischen Börse sicherstellen. Es geht also allein um den Erwerb aus einem Renditemotiv. Wer glaubt, dass das Unternehmen langfristig eine Dividende ausschütten wird, kann sich ein Investment überlegen, sollte es im kommenden Jahr auch zu einem Angebot in Deutschland kommen.
Ob sich die hochfliegenden Pläne überhaupt in absehbarer Zeit umsetzen lassen, ist mehr als fraglich. Immer mehr institutionelle Investoren richten ihre Portfolios – ob aus Überzeugung oder dem Zeitgeist folgend – an Klima- und Umweltkriterien aus. Sie legen ihr Geld (beziehungsweise das Geld ihrer Anleger) weder in Kohle- noch in Erdölunternehmen an. Dass es ohne fossile Energieträger auf längere Zeit nicht gehen wird, blenden Sie dabei völlig aus. Für antizyklisch handelnde und dem Klimaaktionismus skeptisch gegenüberstehende Anleger bieten sich dadurch bei einem Angebot auch hierzulande unter Renditegesichtspunkten durchaus Chancen. Kurzfristig dürfte eine auskömmliche Dividendenrendite den Kurs stützen, langfristig steht die Spekulation im Vordergrund, dass nach dem Scheitern der kompletten Dekarbonisierungsstrategie die Nachfrage nach Öl und Gas wieder (und weiter) anziehen wird.