Continental steht seit Monaten exemplarisch für die tiefgreifenden Herausforderungen, die die gesamte deutsche Automobilindustrie zu bewältigen hat. Die Zahlen sprächen Bände. Im dritten Quartal 2024 musste der Dax-Konzern einen Umsatzrückgang von 4,7 Prozent in der Zulieferersparte „Automotive“ hinnehmen. Dieser Bereich umfasst unter anderem Elektronik, Bremsen und Innenausstattung.
Ein Lichtblick bleibt das Reifengeschäft: Hier verzeichnete der Konzern einen Umsatzanstieg von 1,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Besonders positiv wirkte sich dabei der erfolgreiche Verkaufsstart von Winterreifen in Europa aus, der die Bilanz in diesem Bereich stützte.
Radikaler Sparkurs: Zulieferersparte wird ausgegliedert
Um den Herausforderungen zu begegnen, setzt der Konzern seit Monaten auf einen strikten Sparkurs. Ziel ist es, jährlich rund 400 Millionen Euro einzusparen. Zudem steht schon länger die Abspaltung der angeschlagenen Automotive-Sparte vom profitableren Reifengeschäft im Raum. Bereits im August hatte die Continental AG angekündigt, diese Möglichkeit intensiv zu prüfen.
Nun wird das Vorhaben konkret: Der Continental-Vorstand unter der Leitung von Nikolai Setzer hat am Montag den nächsten Schritt eingeleitet, um die Automotive-Sparte abzuspalten. Nach einer mehrmonatigen Detailanalyse hat das Führungsgremium einen Vorstandsbeschluss gefasst, der den Weg für die Trennung frei macht.
Die Abspaltung soll bis Ende 2025 abgeschlossen sein, wobei die Sparte als eigenständiges Unternehmen an die Börse gebracht wird. Das Reifengeschäft sowie die ContiTech-Sparte, die auf Kautschuk- und Kunststoffprodukte spezialisiert ist, bleiben unter dem Dach von Continental. Dieser Schritt wird wohl drastische Folgen für die Belegschaft haben. Insgesamt sollen 7.150 Stellen gestrichen werden. „Bis Ende 2025 soll eine schlanke, fokussierte Holdingstruktur entstehen‟, erklärte Continental-Chef Nikolai Setzer.
Zukunft der Zulieferersparte ungewiss
Bis zur endgültigen Umsetzung der Abspaltung bleiben jedoch wesentliche Fragen offen, insbesondere hinsichtlich der finanziellen Ausstattung der Automotive-Sparte. Da diese in den vergangenen Jahren kaum profitabel war, wird das Reifengeschäft voraussichtlich die notwendige Kapitalausstattung übernehmen müssen. Die benötigte Summe könnte beträchtlich sein. Zum Vergleich: Bei der Abspaltung von Vitesco, dem früheren Antriebsgeschäft, hatte Continental vor drei Jahren finanzielle Mittel von rund 660 Millionen Euro bereitgestellt.
Ungeklärt bleibt außerdem, wo die neue Zentrale der Automotive-Sparte angesiedelt wird. Darüber hinaus stehen weitreichende Entscheidungen an, sowohl auf Führungsebene als auch für das gesamte Personal. Die Besetzung des neuen Aufsichtsrats muss ebenfalls noch finalisiert werden.
Problemfeld E-Auto: Zuliefererbranche ächzt unter Last der Elektromobilität
Doch wo liegen die Gründe für die Belastungen, die bei Zulieferern wie Continental zu Tage treten? Die Antwort ist offensichtlich: Es ist vor allem die einseitige Fokussierung der Automobilhersteller auf die Elektromobilität, kombiniert mit immer belastenderen Rahmenbedingungen in Deutschland, die die gesamte Branche zunehmend in die Enge treiben. Hauptfaktoren sind zudem die extrem hohen Energiekosten, eine überbordende Bürokratie sowie hohe Steuerbelastungen.
Besonders gravierend wirkt sich der drastische Einbruch der Nachfrage nach Elektroautos auf die Automobilindustrie aus. Dieser Trend setzt nicht nur Continental, sondern auch andere Branchenriesen wie Bosch und ZF Friedrichshafen erheblich unter Druck.
Im November dieses Jahres sanken die Neuzulassungen von Elektrofahrzeugen in Deutschland erneut. Lediglich 35.167 E-Autos wurden in diesem Monat neu zugelassen, was einem Rückgang von 21,8 Prozent im Vergleich zum November 2023 entspricht. Der Anteil am gesamten Absatz lag damit bei lediglich 14,4 Prozent. Schon im August hatte die Branche unter einem deutlichen Absatzschwund gelitten. Daten des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) offenbarten, dass die Zulassungen im Vergleich zum Vorjahresmonat um dramatische 69 Prozent eingebrochen waren.
Diese Entwicklungen sind jedoch keineswegs ein Phänomen des deutschen Marktes. Auch auf internationaler Ebene kämpfen die deutschen Automobilhersteller – darunter Volkswagen, Mercedes-Benz und BMW – zunehmend mit Vermarktungsproblemen. Chinesische Hersteller dominieren den Markt häufig durch ein überlegenes Preis-Leistungs-Verhältnis und setzen die etablierten europäischen Marken unter Druck.
Die Krise spiegelt sich in den Finanzergebnissen der deutschen Automobilriesen wider. Mercedes-Benz musste im dritten Quartal 2024 einen Rückgang des Nettogewinns um 54 Prozent hinnehmen, während Volkswagen sogar einen Einbruch von 63 Prozent im Vergleich zum Vorjahr verzeichnete. Besonders drastisch zeigt sich die Schwere der Krise bei BMW und Audi: Der Münchener Autobauer meldete einen Gewinneinbruch von erschreckenden 83,8 Prozent, während die VW-Tochter Audi mit einem Rückgang von 91 Prozent einbrach.
Gründe für den enormen Nachfrageausfall in Deutschland
Der drastische Rückgang der Nachfrage nach Elektroautos in Deutschland ist vor allem dem Wegfall der E-Auto-Prämie geschuldet, die über Jahre hinweg eine künstliche Marktnachfrage geschaffen hatte. Der sogenannte Umweltbonus, eingeführt im Jahr 2016, war ein zentrales Instrument zur Förderung des Absatzes von Elektrofahrzeugen. Mit Zuschüssen von bis zu 4.500 Euro pro Fahrzeug wurde die Zulassung von über 2,1 Millionen E-Autos unterstützt, wodurch die Elektromobilität für viele Käufer überhaupt erst erschwinglich und attraktiv wurde.
Mit dem Auslaufen dieser finanziellen Unterstützung brach jedoch das Interesse an Elektrofahrzeugen massiv ein. Viele potenzielle Käufer gaben an, dass sie ohne die Subvention nicht bereit seien, in ein Elektroauto zu investieren. Der „DAT Report 2024‟ zeigt, dass zwei Drittel der Neuwagenkäufer ausschließlich durch die Förderung zur Elektromobilität bewegt wurden. Dies offenbart eine bittere Wahrheit: Die E-Auto-Prämie diente der Bundesregierung dazu, ein nicht zukunftsfähiges Geschäftsmodell künstlich zu stützen und dessen vermeintlichen Erfolg zu propagieren.
Neben der weggefallenen Prämie gibt es jedoch noch weitere Hindernisse, die die Attraktivität von Elektroautos mindern und für Verbraucher durchaus störend sind: hohe Reparaturkosten, begrenzte Reichweite, mangelhafte Ladeinfrastruktur und lange Ladezeiten.
Steigende Ladekosten – Erneuerbare Energien lassen Preise ansteigen
Hinzu kommen die steigenden Strompreise, die sich unmittelbar auf die Ladekosten von Elektroautos auswirken. Nach Angaben des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) lag der Strompreis im Januar 2024 bei durchschnittlich 42,22 Cent pro Kilowattstunde. Die langfristige Entwicklung des Strompreises zeigt einen allgemeinen Aufwärtstrend.
Ein Problem, das zu den ansteigenden Strompreisen beiträgt, ist die Ineffizienz in der deutschen Stromproduktion, die durch den hohen Anteil erneuerbarer Energien verstärkt wird. Der Anteil der erneuerbaren Energien an der Gesamtstromerzeugung beträgt aktuell 61,5 Prozent. Bis 2045 soll der gesamte Strommix aus erneuerbaren Energien bestehen.
Der geplante Ausbau von Solar- und Windkraftanlagen birgt jedoch Herausforderungen. Einerseits könnten die Strompreise weiter ansteigen, andererseits drohen Versorgungsengpässe. Besonders kritisch wird es in Zeiten geringer Sonneneinstrahlung oder schwachem Wind, wenn der Bedarf an Energie nicht durch grüne Stromquellen gedeckt werden kann. Dann muss oft teurer Importstrom oder Strom aus fossilen Reservekraftwerken einspringen. Für E-Auto-Fahrer bedeutet das, dass in Zukunft mit weiter steigenden Ladepreisen zu rechnen ist.
Fazit: Die E-Mobilitätskrise trifft nicht nur die Automobilhersteller, sondern entfaltet auch gravierende Auswirkungen auf die Zuliefererindustrie – ein Paradebeispiel ist Continental. Die Ausgliederung der Zulieferersparte und der Verlust von über 7.000 Arbeitsplätzen unterstreichen den enormen Druck, unter dem die Branche steht. Getrieben von einem dramatischen Nachfrageeinbruch nach Elektrofahrzeugen gerät die gesamte Wertschöpfungskette ins Wanken.