Tichys Einblick
VW-Diesel-Skandal

Bundesgerichtshof verurteilt Volkswagen zu Schadenersatzzahlungen

Volkswagen muss die mit der betrügerischen Software ausgestatteten Diesel-Autos zurücknehmen und Schadenersatz zahlen - allerdings nicht den vollen Kaufpreis. Jetzt droht anderen Herstellern ähnliches.

© Sean Gallup/Getty Images

VW muss vom Dieselskandal betroffene Autos zurücknehmen und Käufer haben grundsätzlich einen Anspruch auf Schadenersatz. Sie können allerdings nicht den vollen Kaufpreis zurückfordern, sondern müssen sich eine Nutzungsentschädigung abziehen lassen. Dies ist der Kern des ersten Urteils des Bundesgerichtshofes in Sachen VW Abgasskandal. 

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Im konkreten Fall ging es um einen gebrauchten VW Schavan 2.0 TDI, den der Kläger am 10. Januar 2014 zu einem Preis von 31.490 € brutto bei einem Kilometerstand von 20.000 km kaufte. Das Auto war nach Schadstoffklasse Euro fünf typgenehmigt. Doch die Motorsteuerung erkennt – betrügerischerweise -, ob das Fahrzeug auf einem Prüfstand steht. Sie schaltet in diesem Falle in den Abgasrückführungsmodus eins. Bei dem werden die Abgase mit anderen Raten als im normalen Fahrbetrieb außerhalb des Prüfstandes zurückgeführt. Der Stickoxidausstoß sinkt.

Außerhalb des Prüfstandes im normalen Fahrbetrieb dagegen schaltet der Motor in den Abgasrückführungsmodus null. Die Abgasrückführungsrate ist geringer, der Stickoxidausstoß steigt leicht an. Damit überschreitet er jedoch die engen vorgegebenen Grenzwerte der Euro-5 Norm.

Im September 2015 gab der beklagte Autohersteller VW öffentlich die Verwendung einer entsprechenden Software zu. Das Kraftfahrtbundesamt hat dann am 15. Oktober 2015 in einem Bescheid festgestellt, dass in diesen Fahrzeugtypen eine unzulässige Abschalteinrichtung eingebaut sei. VW müsse die beseitigen und die maßgeblichen Grenzwerte gewährleisten. Am 25. November 2015 gab VW schließlich bekannt, Software-Updates durchzuführen, nach der die Fahrzeuge nur noch im Modus eins betrieben werden.

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Im Februar 2017 hat der Kläger dieses Software-Update durchführen lassen. Ohne das Update wäre die Betriebsgenehmigung erloschen. Er wollte das Auto wieder zurückgeben, verlangte den Kaufpreis in voller Höhe von 31.490 € zuzüglich Zinsen und klagte vor dem Landgericht Bad Kreuznach.

Das Landgericht wies diese Klage ab. Das Oberlandesgericht Koblenz wiederum änderte diese Entscheidung und verurteilte VW, an den Kläger 25.616,10 Euro plus Zinsen gegen die Rückgabe des Fahrzeuges zu zahlen. Die Richter zogen also Nutzungskosten ab. Dagegen wiederum legten beide Parteien Revision ein.

Die Karlsruher Richter setzten die Entschädigung auf 28.257,74 Euro fest, stuften das Verhalten von VW als sittenwidrig ein und bezogen sich in ihrem letztinstanzlichen Urteil auf den § 826 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB): »Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.«

»Sittenwidrig ist«, so die Klatsche der Richter gegen VW weiter, »nach der üblichen juristischen Definition ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt.«

Über 60.000 Kunden können Entschädigung bekommen

Ein historisches Urteil des VI. Zivilsenates, das nicht ganz unerwartet kam. Der Bundesgerichtshof stärkt mit diesem Urteil den Autokäufer. Wer sich bereits mit VW geeinigt hat, profitiert nicht mehr. Noch über 60.000 Kunden können mit Entschädigung rechnen. Wer noch nicht eine Klage gegen VW angestrengt hat, kann dies jetzt tun. Mit Sorge müssen andere Autohersteller, die ebenfalls mit ihren Diesel-Fahrzeugen betrogen haben, auf dieses Urteil nach Karlsruhe schauen. Denn auch sie müssen mit einer Klagewelle rechnen. Im Juli finden die nächsten drei Verhandlungen in Sachen Diesel in Karlsruhe statt. 

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Rechtsanwalt Claus Goldenstein, dessen Kanzlei Goldenstein & Partner für den Fall verantwortlich ist und insgesamt rund 21.000 Mandanten im Dieselskandal vertritt, prognostizierte: »Jetzt geht der Dieselskandal erst richtig los! Das Urteil wird auch für die manipulierten PKW anderer Fahrzeughersteller eine Signalwirkung haben, denn nahezu alle Autobauer haben illegale Abschalteinrichtungen in ihren Dieselfahrzeugen integriert.«

Das Versäumnis der Autohersteller, bei den entsprechenden EU-Verhandlungen in Brüssel vor zwölf Jahren gegen extrem niedrige Grenzwerte vorzugehen, wird für die Autohersteller heute richtig teuer. Der damalige Daimler-Chef Dieter Zetsche schwieg, während der damalige VW-Chef Martin Winterkorn laut verkündet hatte: ‚Wir werden sogar die strengen Grenzwerte noch unterbieten!‘

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