Tichys Einblick
Rückkehr zum Goldstandard?

BRICS-Gipfel in Südafrika: Schwanengesang des Dollar?

Seit Wochen halten sich Gerüchte, die BRICS-Staaten würden bei ihrem anstehenden Gipfeltreffen die Einführung einer neuen goldgedeckten Währung verkünden. Doch was würde das bedeuten und wie realistisch ist ein solches Szenario? Eine Standortbestimmung.

Symbolbild

IMAGO / McPHOTO

Die Gerüchteküche der internationalen Finanzwelt brodelt vor dem anstehenden BRICS-Gipfel in Johannesburg (22. bis 24. August). Schon seit Wochen halten sich hartnäckige Gerüchte, die BRICS-Staaten könnten bei dem Gipfel eine neue goldgedeckte Währung ankündigen, die den US-Dollar als internationale Leitwährung ablösen sollte. Während es unwahrscheinlich ist, dass solch eine neue Währung mit einem Schlag das Ende der Hegemonie des Dollars einläutet, so dürfte auch die in westlichen Medien gehandhabte Einschätzung, es handle sich dabei nur um Wunschdenken Putins, zu kurz greifen.

Der Ruf nach einer Entdollarfizierung ist in den BRICS-Staaten nicht neu und es erscheint verlockend, diesen als ökonomisches Säbelrasseln abzutun. Die Vorzeichen haben sich aber nicht nur durch den wirtschaftlichen Aufstieg Chinas und anderer ehemaliger Schwellenländer verändert. Die Schuldenpolitik westlicher Zentralbanken und die damit einhergehende Devaluierung westlicher Währungen führt dazu, dass die BRICS, die über beträchtliche Außenhandelsüberschüsse verfügen, diese Überschüsse wie Schnee in der Sonne schmelzen sehen. Bereits 1971 lösten die USA den Dollar vom Goldstandard, doch die Welt hat sich mittlerweile drastisch verändert. China gelang der Aufstieg zur zweitgrößten Volkswirtschaft, steht aber mit dieser Entwicklung nicht alleine da, denn auch andere BRICS-Nationen wie Indien (BIP Platz 6) und Brasilien (Platz 13) haben eine Entwicklung hingelegt, die Begehrlichkeiten erwachen ließ.

Es herrscht ein globales Gefühl vor, dass die Welt sich seit Corona in einer politischen Stromverschnellung befindet. Erosionsprozesse (ob nun von Grundrechten oder von wirtschaftlichen Kapazitäten) einerseits gehen dabei Hand in Hand mit Emanzipationsbewegungen andererseits. Der Krieg in der Ukraine, sowie die damit verbundene wirtschaftliche Krise wirken dabei als Brandbeschleuniger.

Die Anzeichen, dass die BRICS-Staaten mit einer neuen goldgedeckten Währung entgegenwirken wollen, mehren sich daher fast unvermeidlich in gleichem Maße, in dem das Vertrauen in das Vermögen des US-Dollars, diese Brandherde wieder in den Griff zu bekommen, sinkt. Während man einen Bericht von RT, demzufolge eine solche Währung in Planung sein sollte, noch wie üblich als Propaganda abtun könnte, ist der russische Sender schon lange nicht mehr die einzige Quelle für solche Pläne.

Mehr als nur Russia-Today-Propaganda

Im Gegenteil, die Spatzen pfeifen es mittlerweile von den Dächern. Bereits 2009 plante Gaddafi die Einführung eines goldgedeckten pan-afrikanischen Dinars. Der arabische Frühling 2011 bereitete dem Plan, sowie Gaddafi selbst, ein vorzeitiges Ende. Ebenfalls 2009 sprach sich der Chef von Chinas Zentralbank, Zhou Xiaochuan, für eine goldgedeckte Währungsreserve aus und bezeichnete die momentane Akzeptanz einer „kreditgestützten Nationalwährung“ als einen „historischen Sonderfall“.

Zehn Jahre später, 2019, plädierte der Premierminister von Malaysia, Mahathir Mohammad, für die Einführung einer goldgedeckten pan-asiatischen Währung, die einen Grad von Stabilität bieten könnte, die der Dollar nicht bietet. Bereits seit 2022 stocken die Notenbanken vieler BRICS-Länder massiv ihre Goldvorräte auf und auch Brasiliens Präsident Lula stellte erst kürzlich die Frage, warum die Welt eigentlich noch mit dem Dollar handele, und ob es dazu nicht andere Möglichkeiten gäbe.

Auch im deutschsprachigen Raum werden diese Entwicklungen wahr- und ernstgenommen. Ende Juli prognostizierte der Finanzpodcaster Sebastian Hell bei einem Gespräch mit dem Focus die mögliche Einführung einer neuen Währung im Zuge des BRICS-Gipfels; Thorsten Polleit, Chefökonom der Degussa, bezeichnete ein solches Projekt als „Schritt in die richtige Richtung“ und auch TE-Autor Markus Krall äußerte in den letzten Wochen wiederholt seine Einschätzung, dass eine goldgestützte Währung über kurz oder lang unausweichlich sei.

Selbst im Forbes-Magazin wurde die Möglichkeit einer Rückkehr zum Goldstandard mittlerweile diskutiert, und im Journal Foreign Policy beschrieb der ehemalige Hausökonom des Weißen Hauses unter Donald Trump, Joseph Sullivan, ein plausibles Szenario für eine BRICS-Währung, die den Dollar ablösen könnte. Sullivan warnt dabei sogar Amerikaner davor, dem Dollar in seiner jetzigen Form vorschnell nachzutrauern, denn während dieser Washington eine Möglichkeit bot, über Sanktionen Außenpolitik zu betreiben, nagte er gleichzeitig an der Konkurrenzfähigkeit des US-Marktes im internationalen Vergleich. Das „zweischneidige Schwert“ des Dollar, so Sullivan, schnitt im Laufe der letzten Jahre aber immer schärfer zu Hause ein, während es außenpolitisch abstumpfte.

Entdollarfizierung, aber nicht um jeden Preis

Allerdings gibt es (mindestens) eine große Hürde bei der Umsetzung, denn die Einführung einer solchen Währung von einem Tag auf den anderen würde zu einer derartigen Entwertung von Fiat-Währungen führen, dass die BRICS – allen voran China – sich der westlichen Hauptabnehmer ihrer Güter entledigen würden. Ein entwerteter Außenhandelsüberschuss ist besser, als ein bankrotter Abnehmer, der gar nicht mehr zahlen kann.

Dennoch sind die BRICS wohl offensichtlich nicht länger bereit, das Spiel wie bisher weiterzuspielen. Das Einfrieren und Enteignen russischer Auslandsanlagen im Zuge des Ukraine-Kriegs ließ die meisten BRICS-Länder aufhorchen, zumal diese Russland zwar nicht offiziell unterstützen, allerdings auch nicht der angeblich weltweiten Front gegen Russland angehören. Die Angst, bei nächster Gelegenheit ähnlich behandelt zu werden, ist in diesen Ländern real.

Wenn also der bisherige Status quo als nicht länger tragbar erscheint und eine plötzliche Einführung wohl die gesamte Weltwirtschaft in ihren Grundfesten erschüttern würde, dann erscheint der Mittelweg einer schrittweisen Entdollarfizierung über vermehrten Handel in nationalen Währungen als das wahrscheinlichste Szenario. So begannen im Juli dieses Jahres einige indische Raffinerien, den Ölhandel mit Russland in Yuan, statt in Dollar, abzurechnen. Dieser Schritt wurde auch explizit mit dem Ziel einer Entdollarfizierung begründet.

Der Yuan mag zwar nicht die bevorzugte Alternative zum Dollar aller BRICS-Partner sein, dürfte aber zumindest als Übergangskompromiss akzeptabel wirken. Denn während Russlands und Chinas Interesse an einer neuen Leitwährung bekannt ist, dementierte der indische Außenminister Subrahmanyan Jaishankar erst kürzlich, dass es Pläne für eine gemeinsame BRICS-Währung gäbe. Indiens Interesse gilt vor allem der Stärkung nationaler Währungen, insbesondere natürlich des eigenen Rupee. Und obwohl Indien zwar das Ziel der Entdollarfizierung mit China gemein hat, so wuchsen mit der wirtschaftlichen Bedeutung der beiden asiatischen Großmächte auch deren Hegemonialansprüche in der Region, eine Entwicklung die Delhi und Peking nicht nur zu Partnern, sondern auch zu Konkurrenten macht.

Das Zünglein an der Waage aus der Wüste

Ist das Gerede um die Einführung einer neuen Währung also doch nur viel Lärm um nichts? Wer für nächste Woche die Verkündung einer neuen finanziellen Weltordnung in Johannesburg erwartet, wird wohl mit hoher Wahrscheinlichkeit enttäuscht (oder erleichtert, je nachdem). Der südafrikanische Botschafter der BRICS, Anil Sooklal, dementierte, dass die Einführung einer neuen Währung auf dem Programm des Treffens in Johannesburg stünde, stattdessen liege der Fokus auf dem „Handel in lokalen Währungen“.

Das deckte sich auch mit den Aussagen von Südafrikas ehemaligem Innenminister und jetzigem Botschafter in China, Siyabonga Cwele, in einem Interview mit Chinas Global Times. In diesem Gespräch gab Cwele zu Protokoll, dass die BRICS-eigene New Development Bank tatsächlich an diesem Projekt arbeite und im Zuge des Gipfels einen Statusreport präsentieren würde. Im „Zentrum der Gespräche“ stünden dabei „unilaterale Sanktionen ohne UN-Mandat“, die inflationären Druck ausüben würden. Die Suche nach „alternativen Handelssystemen“ hat dabei Priorität, wobei die BRICS nicht nur nach „alternativen Währungen zum US-Dollar oder zu lokalen Währungen“ suchen, sondern auch „neue digitale Währungen“ ins Auge fassen. Auch US-Experten hatten eine goldgestützte Kryptowährung als eines der möglichen Projekte in den Raum gestellt.

Vieles davon mag noch wie Zukunftsmusik klingen und manch einer mag sich fragen, ob die BRICS trotz ihrer wirtschaftlichen Potenz mit solch einem Alternativmodell tatsächlich die Hegemonie des Dollars ablösen könnten. Doch ein entscheidendes Zünglein an der Waage könnte ein Gast in Johannesburg sein, der bislang noch nicht zu den BRICS zählt: Saudi-Arabien.

Denn Saudi-Arabien steht stellvertretend für einen ganzen Block von Mittelmächten und Schwellenländern, die Interesse an einem Beitritt zu den BRICS bekundet haben. Alleine 23 Länder haben seit 2022 bereits einen offiziellen Mitgliedsantrag zu den BRICS gestellt, darunter Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Iran, Argentinien, Indonesien und Nigeria. Weitere 16 Länder haben allgemeines Interesse an einem Beitritt bekundet, unter anderem die Türkei, Mexiko und Pakistan. Die wirtschaftliche Macht von Ländern wie Guinea-Bissau mag zwar westliche Kommentatoren kaum beeindrucken, allerdings gab Joseph Sullivan bereits in der jetzigen Besetzung der BRICS zu bedenken, dass eine Währungsunion der BRICS aufgrund der geographischen Vielfalt seiner Mitglieder eine größere Bandbreite an Gütern produzieren könnte und somit autarker wäre, als herkömmliche Währungsunionen wie die EU, die alleine im Jahr 2022 ein Handelsdefizit von 432 Milliarden Euro aufzuweisen hatte.

Die Hinzufügung kleinerer Schwellenländer, die allerdings oftmals reich an Rohstoffen sind, könnte dieses Gefälle noch deutlicher ausfallen lassen. Entscheidend wird aber die Position Saudi-Arabiens sein. Kaum ein Land steht derart sinnbildlich für das Petrodollar-System, wie das Königreich Saudi-Arabien. Sollte Riad die Entdollarfizierung unterstützen, wird dieser Prozess nochmals deutlich an Fahrt aufnehmen. Nicht unbedingt mit einem großen Knall, aber mit einem fortschreitenden Prozess der Abwendung vom Dollar, an deren Ende wir – ob wir es wollen oder nicht – eine andere Weltordnung sehen werden.

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