Justus Haucap untersucht in seiner neuen Rolle, was er in seiner alten mit der "Markttransparenzstelle für Kraftstoffe" bewirkt und verursacht hat. Hilft das der Transparenz?
Seit Dezember 2013 sind Tankstellenbetreiber verpflichtet, ihre aktuellen Preise an eine „Markttransparenzstelle für Kraftstoffe“ zu melden. Über diese können sich Verbraucher informieren, wo sie am billigsten tanken können. Das funktioniert gut, stellt der Wegbereiter dieser Einrichtung, Justus Haucap, nun in einer Evaluierungsstudie fest. Er tut das ausgerechnet in einem von den großen Mineralölgesellschaften finanzierten Auftragsstudie. Das macht misstrauisch.
Haucap hat seinerzeit als Vorsitzender der Monopolkommission die Blaupause für die Markttransparenzstelle geliefert. Dabei ging es ihm darum, regulatorische Markteingriffe zu verhindern, die damals breit diskutiert wurden. Die Benzinpreise waren damals hoch und eine Sektoruntersuchung des Bundeskartellamts hatte ergeben, dass fünf große Mineralölgesellschaften den Markt beherrschen und wirksamer Wettbewerb nur am Rande durch freie Tankstellen und regionale Ketten stattfindet. Es gebe auch ohne Kartellabsprachen Parallelverhalten. Preiserhöhungen würden in aller Regel durch die beiden Marktführer Aral und Shell vorgenommen. Die anderen zögen mit geringer Verzögerung regelmäßig nach.
Nun hat Haucap als Direktor des Düsseldorfer Instituts für Wettbewerbsökonomik (DICE) mit Mitarbeitern untersucht, wie sich das Verhalten der Verbraucher und Tankstellenbetreiber seither verändert hat. Er findet starke Anzeichen für eine Intensivierung des Wettbewerbs. Insbesondere hätte sich die Zahl der Preisänderungen der Tankstellen pro Tag weiter vermehrt und die Spanne zwischen Tagestiefst- und Tageshöchstpreis sei erheblich größer geworden. Das nimmt er als Beleg für mehr Wettbewerb. Außerdem würden die Kunden heute verstärkt dann tanken, wenn die Preise niedrig sind. Das ist eigentlich kein Wunder, wenn sich die Preisunterschiede so sehr vergrößert haben.
Überraschender Auftraggeber
Die Studie kommt nicht von ungefähr. Das Wirtschaftsministerium hatte „interessierte Kreise“ eingeladen, sich in die vorgesehene politische Evaluierung der Transparenzstelle einzubringen. Überraschend ist allerdings der Auftraggeber der Studie. Ausgerechnet der Mineralölwirtschaftsverband (MWV), in dem die marktbeherrschenden Tankstellenbetreiber organisiert sind, hat sich den Wegbereiter und bekannten Unterstützer der Transparenzstelle als Gutachter geholt. Er stützt so eine Einrichtung, die – dem Gutachter zufolge – die Marktmacht und Gewinne der Mitgliedsunternehmen beeinträchtigt. „Wir verstehen uns seit jeher als Wettbewerbsbranche“, erklärt das ein Sprecher des MWV. Aus dem gleichen Grund wundert sich auch Haucap nicht, dass ausgerechnet er den Auftrag bekam.
Die angeblich Begünstigten sind kritisch
Kein Freund der Transparenzstelle ist dagegen ausgerechnet der Bundesverband freier Tankstellen (bft), der sich über intensivierten Wettbewerb eigentlich freuen sollte. Präsident Thomas Grebe bewertete zwei Jahre nach Einführung der Transparenzstelle die häufigen Preisänderungen ganz anders als Haucap: Ziel der Einführung der Transparenzstelle sei es gewesen, Preisschwankungen zu minimieren, stattdessen sei das Gegenteil eingetreten, was die freien Tankstellen in ihrer Konkurrenzsituation mit den Großen der Branche schwäche. Die kleinen Betriebe, die sich keine zentrale EDV leisten können, könnten der hohen Schrittgeschwindigkeit der Konzerne nicht folgen.
Dahinter steht ein Dilemma, das Haucap schon bei seinem ursprünglichen Vorschlag, Preistransparenz zu schaffen, eingeräumt hatte. Preistransparenz erleichtert nicht nur den Kunden, die billigste Tankstelle zu finden. Sie erleichtert es auch marktmächtigen Anbietern, sehr zeitnah und genau zu verfolgen, was andere Anbieter tun. Das weithin vermutete Parallelverhalten könnte dadurch noch leichter werden. Abweichler würden sofort entdeckt und kleine Konkurrenten könnten zielgenau ausgekontert werden.
Haucap hatte 2013 im Ifo-Schnelldienst diese Sorge mit dem Argument beiseitegewischt: „Die hohe horizontale Markttransparenz sorgt augenscheinlich schon jetzt dafür, dass es für die marktbeherrschenden Unternehmen ohnehin vergleichsweise einfach ist, sich zu koordinieren.“ Da könne sich also nichts verschlechtern, meinte er.
Die kleinen Konkurrenten der marktbeherrschenden Anbieter sehen das offenbar anders, ebenso wie Ralf Dewenter von der Universität Hamburg. Der Industrieökonom kommt zu dem Verdikt, „Meiner Einschätzung nach hat die Markttransparenzstelle den Wettbewerb nicht verstärkt.“ Anders als Haucap, hat das Dewenter-Team untersucht, wie sich die Durchschnittspreise nach Einführung der Transparenzstelle relativ zu anderen EU-Ländern entwickelt haben. Diesel hat sich danach relativ zu den anderen EU-Ländern um rund zwei Cent, Benzin um gut drei Cent verteuert. Die Studie “The impact of the market transparency unit for fuels on gasoline prices in Germany” von Ralf Dewenter, Ulrich Heimeshoff und Hendrik Lüth ist in der Zeitschrift „Applied Economics Letters“ erschienen.
Eine andere Interpretation
Dass Haucap gestiegene Preisspannen und häufigere Preisänderungen als starkes Indiz für mehr Wettbewerb deutet, überzeugt Dewenter nicht. Sie könnten für ihn ebenso eine Folge von reduziertem Wettbewerb sein, etwa wenn die Anbieter Zwangslagen und Zeitmangel der Kunden zu bestimmten Zeiten verstärkt ausnutzten, sagt er auf Anfrage.
Diesem Argument unterschiedlicher Preissensibilität der Konsumenten zu unterschiedlichen Zeiten, hält Haucap entgegen, es gebe dazu zwar keine wissenschaftlichen Untersuchungen. Es sei aber zu vermuten, dass Dieselnutzer, die oft Dienstwagen fahren, weniger preissensibel sind als Benzinkunden. Trotzdem gebe es das gleiche Muster bei Dieselpreisen wie beim Benzin. Das passe nicht zu dem Argument. Allerdings lässt sich das auch gegen Haucaps Alternativerklärung vorbringen. Er geht davon aus, dass die starken Preisschwankungen von intensivem Wettbewerb ausgelöst werden. Dieser Wettbewerb sollte dann bei Diesel auch schwächer sein, und ein anderes Preismuster hervorbringen, was er aber laut Haucap nicht tut.
Haucap und Team bemängeln an der Untersuchung von Dewenter und Co. vor allem, dass diese mit ungewichteten Durchschnittspreisen operiere. (Pikanter Weise war ein Ko-Autor Haucaps Mitglied in beiden Teams.) Weil aber die Preisschwankungen und die Markttransparenz größer geworden sind, würde heute ein größerer Anteil der Gesamtmenge zu Zeiten mit Niedrigpreisen getankt. Dadurch übertreibe der ungewichtete Durchschnittspreis die tatsächlichen Kosten für die Verbraucher, und zwar stärker als vor Einführung der Transparenzstelle.
Die von Haucap festgestellte Größenordnung dieser Verzerrung ist allerdings kleiner als der Anstieg der Preise (relativ zu anderen EU-Ländern), den Dewenter nach Einführung der Transparenzstelle festgestellt hat. Dewenters ungünstiger Befund für die Markttransparenzstelle lässt sich so also kaum ausräumen. Und selbst eine theoretische Analyse von Steffen Eibelshäuser und Sascha Wilhelm, auf die Haucap zur Unterstützung seiner Position verweist, kommt zu dem Ergebnis, die Konsumenten führen mit höherer Transparenz schlechter, während die Produzenten gewännen. „Unsere Ergebnisse stehen im Einklang mit denen von Dewenter et al.“, schreiben sie (auf S. 39).
Irgendwie macht das alles keinen objektiven und von den Ergebniswünschen des Auftraggebers unabhängigen Eindruck.
Der Beitrag von Norbert Häring ist zuerst hier erschienen.
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„Benzinpreismeldestelle als Hilfe zum Melken der Autofahrer“
ich hatte nichts anderes erwartet.
Lustig, die Werbung für E-Bikes über diesem Artikel 🙂
Die Haucap’sche Regelung erinnert mich irgendwie an die Mietpreisbremse, und zwar insofern, als offensichtlich beides „nach hinten los“ gegangen ist…
Ja, da gäbe es soviele Ansatzpunkte, wenn man nur wollte. Aber der Reigerung ist es egal. Sie bekommen dadurch mehr Einnahmen zum Verteilen und sich als Erlöser bei Wahlen zu Sonnen. Was mir als professioneller Anleger (Privatier) immer das witzigste Argument der Mineralölwirtschaft (MÖW) für die ständigen Preisänderungen am Tage und in der Nacht ist: „Die Preise schwanken am Tag an den Börsen so stark, dass wir dieses an den Tankstellen wiederspigeln müssen.“ Alleine dieser Vorwand zeigt, daß die MÖW über den Kunden nur lacht und ihn für so deppert hält, daß er beschissen werden muss. Denn ich frage mich:… Mehr
Ich arbeite seit drei Jahren in Luxemburg und habe mir vor zwei Jahren einen Diesel mit großem (70l) Tank gekauft. Bei etwa 280 km zum Heimatort reicht mir das, um außer bei größeren Ausflügen gar nicht mehr in Deutschland tanken zu müsssen. Kann mich noch sehr gut erinnern, wie sehr mich vorher die 10-12 täglichen Preisanpassungen genervt haben, die mir nur dann noch halbwegs (als Muster) transparent wurden, wenn ich mir eine – natürlich kostenpflichtige – Premium-Version einer Preisvergleichs-App auf mein Smartphone gepackt habe. Das Luxemburger Modell hingegen: Der Staat gibt eine Preisobergrenze vor, die zudem noch im Internet veröffentlicht… Mehr
Ach ja, ist ja nur der Spritpreis der hoch mit Steuern und Abgaben belastet ist. Macht nix, sagte der Elektro-Auto-Fahrer, ich Tanke ja Strom. Alles richtig, wäre da nicht die Politik?!
Wie schnell das auch beim Strom gehen kann, sehen Sie am Gas:
http://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/autogas-wird-teurer-2018-laeuft-steuervorteil-fuer-klimafreundlichen-antrieb-aus/19394770.html
Haben Sie darauf geachtet wieviel Fahrzeuge das betrifft?
Ein Markt mit vollkommener Transparenz jederzeit ist m.E. kein richtiger Markt, weil grosse und kleien Anbieter nicht dauerhaft nebeneinander existieren können. Er verwandelt sich in eine Mono-, bzw. Oligopol.
Transparenz hilft nur wenig, wenn der Autofahrer lediglich die aktuellen Bezinpreise abfragen kann, die Änderungen im Tagesverlauf aber nicht im Voraus kennt. Davon hängen seine Wegeplanungen ab und was er sonst noch an Erledigungen damit effizient verbinden kann. Zum Markt gehört der Preisvergleich und deshalb auch die Verlässlichkeit von Preisen. Eine Zeitlang sollten sie stabil sein. Konstanter Benzinpreis für nur einen einzigen Tag wäre eigentlich schon recht kurz und bei vielen anderen Waren eindeutig zu wenig.
Ich hatte selber mal eine Tankstelle betrieben. Eine freie Tankstelle. Das lief recht gut. Dann beschlossen die großen Konzerne, die Freien zu vernichten. Wurde mehr oder weniger klar heraus gesagt. Vielleicht erinnern sich noch einige. War um die Jahrtausendwende. An Ende zogen die Konzerne die Preisschrauben dermaßen an, dass ich 40.000 l pro Lastzug deutlich teurer kaufen musste, als einer der Konzerne den Sprit an der nächsten Tanke an Endkunden verkaufte. Als schon viele freie Tankstellenbetreiber aufgeben mussten, schaltete sich endlich die Politik ein und wollte überprüfen, ob hier manipuliert würde. Es wurde gleich mit dazu gesagt, dass es wohl… Mehr
Entschuldigung, aber wenn sie lobbyisten verbieten wollen, dann verbieten sie damit auch politiker, welche im idealfall ja die lobbyisten der wähler sein sollen…
Nur mal so zum nachdenken… 😉
Da kann’s doch nur eine Lösung geben:
Der Vorschlag Gabriels, den Benzinpreis gesetzlich festzulegen, und somit den Markt komplett auszuschalten, muss endlich umgesetzt werden.
Bin gespannt, wann der feuchte Traum dieses Kommunisten wieder aufgewärmt wird.