Tichys Einblick
Glyphosat

Bayer und die Folgen

Unternehmen wie Bayer empfehlen, nur so viel Glyphosat wie unbedingt notwendig auszubringen. Dennoch muss eine Nachfolgesubstanz her, an der seit 30 Jahren weltweit geforscht wird - bisher ohne Ergebnis. So schwer macht es die Natur.

IVAN PISARENKO/AFP/Getty Images

»Ich will kein Glyphosat auf meinem Salat!« schreien am vergangenen Freitag ein paar Hundert Kiddies vor dem Eingang zur Hauptversammlung von Bayer in Bonn. Imker demonstrieren tv-gerecht mit Tausenden von toten Bienen. Im Saal meldeten sich Kleinaktionäre zu Wort: Bayer müsste doch menschlicher sein.

Neben der heftigen Kritik an den Kursen im Keller kommt die Aufforderung an den Vorstand hoch: »Hört doch mal auf die Meinungen der Menschen!« Andere rufen in Richtung Vorstand: »Ihr müßt doch mal sehen, dass die Menschen sowas wie Glyphosat nicht haben wollen.«

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Doch es sind nicht nur einzelne Kleinaktionäre. Selbst ein Vertreter der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SDK) beklagt das Fehlen »menschlicher Berührungspunkte«, ruft »Die Freundschaft der Menschen gewinnt man nicht mit guten Argumenten, wissenschaftlichen Untersuchungen und Studien, sondern mit positiven Emotionen und mit Emphatie« und fordert den Vorstand auf, mehr auf die Emotionen der Menschen einzugehen.

Laute Alarmzeichen. Zumal Christoph Schalast, Professor an der Frankfurt School of Finance & Management, in einem Deutschlandfunk-Interview künftig »unruhige Hauptversammlungen« voraussagt. Bisher hätten Aktionäre »das Instrument der Entlastung oder Nicht-Entlastung noch sehr selten« genutzt. Das werde sich in Zukunft ändern, glaubt er, weil »Aktionäre ihre Rechte aktiver wahrnehmen«. Auch die sogenannten institutionellen Anleger würden aktiver in ihrem Verhalten.

Das ist ein Ergebnis der permanenten Agitation der NGOs. Aktionäre beginnen, sich davon beeindrucken zu lassen. Ein paar grüne Kleinaktionäre spielen keine größere Rolle, doch auf Dauer macht das die großen Fonds mürbe. Der Zeitgeist übernimmt das Kommando und hat durchaus zerstörerisches Potential, wie bei Kernenergie und Gen-Technik gesehen.

Das bedeutet: Der Vorstand eines Hightech-Unternehmens soll nicht mehr nach strengen Regeln der Wissenschaft handeln, sondern nach dem gerade vorherrschenden Gefühlszustand einer Gruppe. Der wiederum wird im Zweifel von Panik verbreitenden NGOs und Initiativen nach Belieben gesteuert. Begleitend dazu stülpt sich ein himmelschreiender medialer Unsinn über den öffentlichen Raum, so dass kaum noch vernünftige Aussagen möglich sind.

Nur: Damit steigert niemand den Ernteertrag auf dem Feld. Bakterienringfäule bei Kartoffeln, der echte Mehltau, eine der gefährlichsten Blattkrankheiten beim Weizen oder Roggenbraunrost lassen sich durch fromme Wünsche oder gar Besprechungen nachts bei Vollmond eher weniger beeindrucken als durch passende Gegenmittel, vulgo Gifte. Die müssen in Labors mühsam entwickelt werden.

Ernteerfolge sind alles andere als sicher und für ewige Zeiten festgelegt. Der Kampf auf dem Acker um die Ernte muss jedes Jahr neu gewonnen werden. Schnell, sehr schnell können sich beispielsweise neue Pflanzenkrankheiten ausbreiten und ganze Ernten bedrohen. Das wäre nicht das erste Mal.

Bei der Entwicklung und Prüfung neuer Agrarprodukte wie auch bei Medikamente kommt es darauf an, nach festgelegten, wissenschaftlichen Regeln vorzugehen und sie immer wieder zu überprüfen. Wie wirkt es? Ist es sicher? Wann und unter welchen Umständen oder hat es irgendwelche negative Folgen? Solche Fragen kann man nur mit exakt nachprüfbaren Methoden beantworten, nicht mit ein bisschen mehr oder weniger Gefühl.

Bei der Zulassung von Produkten dürfen Emotionen keine Rolle spielen. Hier geht es in den Labors und auf den Versuchsfeldern um knochentrockene Wissenschaft. Ein mühseliges Geschäft. Nicht umsonst dauert die Entwicklung eines neuen Saatgutes durchaus bis zu zehn Jahren. Mit der Entwicklung allein ist es nicht getan. Es muss schließlich noch geprüft werden, das erledigt das Bundessortenamt.

Dabei müssen vor allem Gefahren ausgeschlossen werden. Denn die Natur ist nicht friedlich, sondern hält viele tödliche Gefahren bereit. Ein Beispiel ist das Mutterkorn, verursacht von dem extrem giftigen Pilz Claviceps purpurea. Der infiziert die Pflanzen zur Blütezeit. Ein paar Körner im Erntegut rafften im Mittelalter im Ergebnis hunderttausende von Menschen dahin. Heute verringern moderne Landwirtschafts- und Mühlentechnik den Befall. Doch gerade der ökologische Landbau hat noch ein großes Problem mit dem Mutterkornpilz.

Die Realität sieht knallhart aus: Ohne Einsatz von Glyphosat würde es in den großen Anbaugebieten in den USA und Asiens düster aussehen. Die Ernteergebnisse würden wieder auf frühere Quoten zurückfallen. Hungersnöte wären die Folge. Glyphosat ist das im Augenblick optimale Mittel gegen Unkräuter. Der Bauer will schließlich, dass Weizen, Mais und Soja wachsen und nicht die Unkräuter sich ausbreiten. Und ohne den Einsatz von 60 bis 80 Tonnen Glyphosat könnte die Bahn übrigens ihre Gleise nicht frei von Bewuchs halten.

Kaum eine Substanz ist von vielen Seiten so gründlich untersucht worden. Es gibt zur Sicherheit keine Gegenbeweise. Im Boden bauen Bakterien Glyphosat innerhalb relativ kurzer Zeit wieder ab.

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Zu erwarten ist natürlich, dass Pflanzen Resistenzen entwickeln. Bisher sind nur einige wenige Resistenzen bekannt geworden, in manchen Medien marktschreierisch als »Superunkräuter« betitelt. Deswegen empfehlen Unternehmen wie Bayer auch, nur so viel Glyphosat wie unbedingt notwendig auszubringen. Dennoch muss eine Nachfolgesubstanz her, an der seit 30 Jahren weltweit geforscht wird – bisher ohne Ergebnis. So schwer macht es die Natur.

Es solle so naturnah wie möglich produziert werden, denn »Mutter Natur« sei gütig und weise, sanft und zahm. Was sie hervorbringe, sei von Haus aus gut, wie man an den ach so schönen Heilkräutern sehen könne. So mancher Pilzsammler würde hier vehement widersprechen – wenn er denn noch könnte.

Was geschehen kann, wenn man ohne Kenntnisse Saatgut züchtet, musste bitter ein Hobbygärtner aus Heidenheim erfahren. Der zog sich in seinem Garten Zucchinis selbst und benutzte dabei Samen aus dem Vorjahr. Durch eine zufällige Rückkreuzung enthielt die Pflanze in der Folgegeneration wieder ihren giftigen Abwehrstoff Cucurbitacin.

Der Zucchini-Auflauf schmeckte sehr bitter, der Rentner aß ihn trotzdem und starb. Seiner Frau war das Essen zu bitter, sie verzichtete – und überlebte. Cucurbitacin löst die Schleimhaut im Magen-Darm-Bereich auf. Die Zucchini-Pflanze hat den Stoff so raffiniert aufgebaut, dass selbst die aggressive Magensäure ihm nichts anhaben kann und er sogar das Kochen übersteht. Saatguthersteller züchten den Abwehrstoff heraus. Sie müssen das Ergebnis in mühevoller Detailarbeit für jede neue Saatgutgeneration nachweisen – überprüft vom Bundessortenamt. Mit mehr Menschlichkeit und »mit dem Unkraut auf Du und Du« ist es da schwerlich getan.

Oder ist Dr. Mariam al-Sohel auch hierzulande schon Vorbild? Das ist jene »Ärztin« aus Kuwait, die in einem legendären Fernsehauftritt berichtet, dass sie ein spezielles Zäpfchen entwickelt habe, das gegen Homosexualität wirke. Die sei bekanntlich in ihrem Land unerwünscht, werde durch einen Wurm verursacht und könne so geheilt werden. Sie beruft sich dabei auf den Koran, der ja auch therapeutische Ansätze liefere.


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