Tichys Einblick
"EZB hat sich verzockt"

Bankenökonom Thomas Mayer sieht Eurosystem vor der Pleite

Die verspätete Zinsanhebung der EZB führt zu höheren Ausgaben der Staaten und Bewertungsverlusten für das Eurosystem selbst. Die EZB habe sich „verzockt“, meint Thomas Mayer von Flossbach von Storch. Nun werde sie wohl ihre (technische) Pleite verschleiern.

IMAGO / Fotostand

Es ist ein Abgesang auf die Europäische Zentralbank (EZB) und das Eurosystem, den der einstige Deutsche-Bank-Ökonom und Gründungsdirektor des Flossbach-von-Storch-Instituts in einem Beitrag auf dessen Website anstimmt: „Der Pleitegeier über dem Eurosystem„.

Die Debatte um die Auswirkungen der verspätet von der EZB zur Inflationseindämmung erhöhten Zinsen auf Sparer und Unternehmen ist womöglich nur die Spitze des Eisbergs. Mayer schreibt: „Auch die Finanzen des Eurosystems, der EZB und nationalen Zentralbanken, werden unter den schon erfolgten und noch kommenden Zinserhöhungen leiden. Denn diese führen zu Bewertungsverlusten und höheren Zinsausgaben, durch die sich die früheren Gewinne des Eurosystems in Verluste verwandeln dürften. Es droht die (technische) Pleite.“

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Das Eurosystem hat in den vergangenen Jahren mit seinen Kaufprogrammen PSPP und PEPP Unternehmens- und Staatsanleihen in einem Volumen von rund fünf Billionen Euro erworben, die zum überwiegenden Teil mit neu geschaffenem Zentralbankgeld bezahlt wurden. Anders gesagt: mit Geld aus dem Nichts. Dahinter stand die Absicht einer kontrollierten Befeuerung der Inflation (Stichwort: „Inflationsziel“ um oder knapp unter zwei Prozent). „Das ging gründlich schief“, schreibt Mayer. „Die EZB verlor die Kontrolle und die Inflationsflammen schlagen im Euroraum so hoch wie noch nie. Zur Löschung sind nun Zinserhöhungen nötig – und die werden richtig teuer.“

Mayer rechnet vor, wie sich die EZB „verzockt“ habe. Bei einer durchschnittlichen Restlaufzeit der Anleihen von acht Jahren sinke ihr Kurswert um etwas weniger als acht Prozent, wenn der Marktzins um einen Prozentpunkt ansteigt. Das würde laut Mayer Bewertungsverluste von rund 400 Milliarden Euro ergeben. Die EZB schneidet sich also durch die Zinsanhebung ins eigene Fleisch. Dazu kommen bei gleichem Anstieg des Einlagezinses der EZB noch Zinszahlungen auf die Zentralbankgeldeinlagen der Banken in Höhe von 47 Milliarden Euro: „Die Summe aus beiden Belastungen wäre beinahe zehnmal so hoch wie der Gewinn des Eurosystems im letzten Jahr und würde zwei Drittel der Rücklagen samt Eigenkapital aufzehren.“

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Aber diese angenommene Zinserhöhung von nur einem Prozentpunkt ist noch sehr niedrig gegriffen. Sie wird nicht ausreichen, um die Inflation aufzuhalten. Bei einer Anhebung der durchschnittlichen Anleihe- und Einlagenzinsen um zwei Prozentpunkte wären die Bewertungsverluste und fälligen Zinszahlungen entsprechend noch viel höher und überträfen die Rücklagen und das Eigenkapital des Eurosystems.

Mit anderen Worten: Wenn die EZB ein Unternehmen wäre, wäre sie damit insolvent – und das Führungspersonal würde gefeuert. Politiker, die einen Staat in die Pleite geführt haben, können dann wenigstens abgewählt werden. Doch eine Zentralbank geht eben nicht in Konkurs und eine EZB-Präsidentin Lagarde und die anderen führenden Notenbanker können von niemandem entlassen oder abgewählt werden.

„Ohnehin hat sie Kritik an ihrer Leistung wenig zu fürchten, da sie diese als verbotene politische Einmischung in ihre Geldpolitik abwehren kann. EZB-Präsidentin Lagarde und ihre Kollegen müssen auch nicht um ihre Jahresgehälter von 300.000 bis 400.000 Euro fürchten, wenn sie der Inflation freien Lauf gelassen und das Eurosystem ruiniert haben. Nach Ablauf ihrer Amtszeiten winken ihnen neben großzügigen Pensionen gut dotierte Positionen in der Finanzindustrie. Weniger Übernahme von Verantwortung als im Bereich der Geldpolitik gibt es sonst wohl nirgends“, schreibt Mayer.

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Mayer erwartet, dass die EZB die Bewertungsverluste verstecken wird. Dazu könnte eine Ausnahmeregelung in den Bewertungsvorschriften dienen, die sich die EZB selbst gegeben hat: „Zu geldpolitischen Zwecken gehaltene marktgängige Wertpapiere werden als gesonderter Bestand behandelt und in Abhängigkeit von geldpolitischen Überlegungen entweder mit dem Marktpreis oder zu fortgeführten Anschaffungskosten (die Wertminderungen unterliegen) bewertet.“ Das heißt, der EZB steht es frei, den Verlust durch Abschreibungen auf ihre Anleihen zu verschleiern. Wenn sie die Verkäufe der Wertpapiere, die zur Inflationsbekämpfung eigentlich notwendig wären, über lange Zeit dehnt oder sie trotz Inflation einfach bis zur Endfälligkeit hält, könnte sie die realisierten Verluste so strecken, dass sie öffentlich weniger auffallen. Mayer: „Zwar würde dadurch der Kampf gegen die Inflation geschwächt, aber die EZB-Führung könnte ihr Gesicht wahren.“ Man kann wohl davon ausgehen, dass Letzteres Lagarde und Co wichtiger ist als Ersteres.

Und wer trägt den Schaden dieser Inflationszockerei der Zentralbanker? Mayers Antwort: „Die Fehler der EZB-Granden müssen am Ende die Bürger ausbaden.“ Und zwar einerseits durch Kaufkraftverlust und andererseits, weil die (gestreckten) Verluste des Eurosystems aus den Wertpapierkäufen die Staatseinnahmen mindern. Mayers Schlusssatz: „Doch die Bürger bleiben wehr- und hilflos, solange sie nicht verstehen, was Politiker und Bürokraten mit ihrem Geld anstellen.“


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