Die Nachricht lautet, dass die Ratingagentur S&P die Kreditwürdigkeit Frankreichs von AA auf AA- herabgestuft hat. Das reduziert die Kreditwürdigkeit Frankreichs und führt zu höheren Zinsen bei künftigen Kreditaufnahmen.
Frankreich ist hoch verschuldet. Für das Jahr 2024 wird das Haushaltssaldo von Frankreich auf insgesamt 141,9 Milliarden Euro geschätzt. Statista beziffert die Staatseinnahmen Frankreichs auf 1,42 Billionen Euro, während sich die Staatausgaben auf 1,54 Billionen Euro belaufen. Laut Maastricht-Kriterien darf das öffentliche Defizit nicht mehr als 3 Prozent des BIP betragen, der öffentliche Schuldenstand darf nicht mehr als 60 Prozent des BIP betragen und die Inflationsrate darf maximal 1,5 Prozent über jener der drei preisstabilsten Mitgliedstaaten des Vorjahres liegen. Mit einem Haushaltdefizit von 5,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts liegt Frankreich deutlich über den Defizitkriterien der Euro-Zone. Wegen der Pandemie waren die Kriterien ausgesetzt, gelten aber seit Januar 2024 wieder.
Zum Vergleich hat S&P das Rating für Deutschland bei AAA/A-1+ bei stabil belassen, das heißt, man rechnet nicht mit kurzfristigen Änderungen. Das klingt gut, ist aber zweischneidig, denn die Möglichkeit, zu Vorzugskonditionen Kredite aufzunehmen, verführt dazu, sie auch aufzunehmen. Zumal für Deutschland spätestens das Jahr 2028 das Jahr des Desasters wird. Doch Spitzenpolitiker denken längst nicht mehr an die nächste Legislaturperiode, sondern nur noch daran, den nächsten Monat unbeschadet zu überstehen. Nicht Politikgestaltung, sondern Risikominimierung steht im Mittelpunkt – außer bei den Grünen, die sehen sich auf einer Mission.
Will Emmanuel Macron ein Defizitverfahren abwenden und die weitere Staatsverschuldung zumindest abbremsen, bleiben ihm derzeit nur zwei Wege. Erstens: Sparen. Doch, wenn man sich erinnert, welche Kämpfe in Frankreich ausbrachen, als Macron das Eintrittsalter in die Rente von 62 auf 64 Jahre anhob, ist er beim Sparen mit Blick auf die Sozialleistungen politisch am Limit, denn Marine Le Pen sitzt ihm im Nacken, die ihm jetzt auch die Haushaltslage und die Herabstufung durch S&P im Europawahlkampf um die Ohren hauen wird. Dabei liegt das Rentenniveau in Frankreich bei 80 Prozent, in Deutschland bei 48 Prozent. Zwar sind die Beiträge zur Rentenversicherung mit 22,8 Prozent höher als in Deutschland, doch das will ja die Ampel mit ihrer Alles-gegen-Deutschland-Politik gerade ändern.
Frankreich holt auf einem anderen Gebiet nicht nur auf, sondern hat Deutschland überholt und weit abgeschlagen. Während laut ifo-Institut die Standortattraktivität in den kommenden 10 Jahren für Frankreich bei 0,6 liegt, erreicht Deutschland gerade mal -0,2. Für das Jahr 2023 liegt Frankreich unangefochten mit 1194 Direktinvestitionen ausländischer Firmen, die 39.773 Jobs schufen, auf Platz eins, während Deutschland es gerade mal auf 733 ausländische Direktinvestitionen mit 14.261 geschaffenen Jobs schaffte. Das sind im Vergleich zum Jahr 2022 12 Prozent weniger Direktinvestitionen ausländischer Investoren und ein Rückgang geschaffener Arbeitsplätze von -57 Prozent in Deutschland. Man könnte jetzt spotten, dass Robert Habeck einen gehörigen Anteil am französischen Erfolg hat, denn mit 183 Projekten ist Deutschland nach den USA der zweitgrößte Investor in Frankreich.
So erfolgreich Emmanuel Macrons Politik darin ist, ausländische Firmen nach Frankreich zu holen, so erfolgreich ist Robert Habecks Politik darin, deutsche Firmen ins Ausland zu treiben. Die Gründe dafür sind bekannt, sie liegen vor allem erstens und zweitens und drittens in den zu hohen Energiekosten in Deutschland, viertens in der ausufernden Bürokratie. Den Unterschied zu Deutschland beschreibt der Chef des estnisch-deutschen Batteriespezialisten Skeleton, Taavi Madiberk, so: „Wir mussten nicht fünf verschiedene Meetings abhalten, sondern hatten alle Entscheidungsträger an einem Tisch.“
Während auch Frankreich auf erneuerbare Energien setzt, investiert Frankreich vor allem in den Bau neuer Atomkraftwerke und setzt auch auf LNG. Man kann den Hauptgrund des Niedergangs Deutschlands in der ideologisch begründeten, vollkommen falschen Energiepolitik, letztlich im suizidalen Atomausstieg sehen. Trittins und Merkels Atomausstieg hat die Axt an die Quelle des deutschen Wohlstands gelegt. Wirtschaftlich war und ist der Atomausstieg ein Akt der Sabotage, der durch die Sprengung von Nord Stream II komplettiert wurde. Deutschland wird zum kranken Mann Europas.
Die zweite Möglichkeit für Emmanuel Macron, den Haushalt in den Griff zu bekommen, besteht in der Ausweitung der Schulden- und Transferunion unter dem hübschen Stichwort Kapitalmarktunion. In der Vervollkommnung der Kapitalmarktunion werden die beträchtlichen Einlagensicherungsfonds der Volksbanken und Sparkassen der französischen Schuldenpolitik geöffnet, Schulden vergemeinschaftet und das deutsche AAA/A-1+ noch stärker zur gemeinsamen Schuldenaufnahme benutzt. Sie wird dann zur Regel. Das kann dazu führen, dass deutsche Sparguthaben zur Absicherung französischer Kredite dienen.
Salopp und verkürzt gesagt: Die deutsche Fiskalpolitik, der deutsche Bürger, rettet den französischen Haushalt. Annalena Baerbock hat gerade im Handelsblatt passend zu Frankreichs Herabstufung für die nicht im deutschen Interesse stehende Vervollkommnung der Kapitalmarktunion geworben und den Franzosen Unterstützung signalisiert. Vielleicht hofft sie im Gegenzug auf die Unterstützung der Franzosen, um Kommissar in der Europäischen Kommission in Brüssel zu werden, wie es die Brüsseler Spatzen vom Manneken Pis pfeifen und die Bild-Zeitung und das Portal Politico berichten.
Wenn Frankreich Europa sagt, meint Frankreich Frankreich oder alles für Frankreich, wenn Deutschland Europa sagt, meinen die deutschen Eliten inzwischen alles gegen Deutschland, im Grunde nur die Verwirklichung ihrer persönlichen Partikularinteressen. Baerbock jedenfalls formulierte im Interview mit dem Handelsblatt sehr deutlich: „Damit wir bei der Wettbewerbsfähigkeit wieder aufholen, brauchen wir endlich die Kapitalmarktunion.“ Deutschland kann sie mit „wir“ nicht gemeint haben. Macron wird es in seinen Haushaltssorgen sehr gern hören, dass Baerbock auf deutsche Interessen pfeift und sehr gern alles liefert, was Macron braucht, den deutschen Markt eben voll ausschöpft.
Der Verweis auf die Kapitalmarktunion zeitgleich mit der Herabstufung der französischen Kreditwürdigkeit und Baerbocks möglichen Karriereplänen in der EU-Bürokratie dürfte kein Zufall sein. Damit hat die deutsche Außenministerin dem französischen Präsidenten klar signalisiert, wenn sie zur Kommissarin oder zur Kommissionspräsidentin anstelle der immer unbeliebter werdenden Ursula von der Leyen berufen wird, wird sie – ganz gleich, was ihre deutschen Wähler davon halten – alles für die Kapitalmarktunion tun und Frankreich aus den Staatsschulden helfen, allerdings zum Nachteil Deutschlands. Zu verhindern wäre dieser mögliche Deal nur, wenn die Grünen zur EU-Wahl eine krachende Wahlniederlage einfahren. Grün zu wählen, scheint unter diesen Bedingungen, gegen Deutschland zu wählen.