Viele Jahre wurden der Autoindustrie schwere Zeiten prognostiziert, weil die Menschen die Lust am eigenen Auto verlören – aus welchen Gründen auch immer – und stattdessen lieber, wenn überhaupt, zum Car-Sharing-System übergingen und nur für konkrete, zeitlich begrenzte Einzelfälle anmieteten. Aber eben nicht mehr selber kauften, Eigenbesitz sei out. So wie in den Anfängen der „grünen“ Philosophie die Parole kolportiert wurde: „Weg mit den Autos, wir fahren per Anhalter“.
Was alle namhaften Autohersteller flugs mit viel Getöse zur Gründung eigener Car-Sharings veranlasste, die nach wenigen Jahren trotz Zusammenlegung noch immer so hohe Verluste einfuhren, statt Kunden, dass sie still be(erdigt)endigt wurden. Der Grund dafür war, wie bei allen anderen ähnlich gelagerten Pkw-Nutzungsmodellen auf Zeit, dass sie bis heute unter einem großen Irrtum leiden: Die Leih-Kunden wollen billiger Autofahren, als wenn sie den Pkw selber kaufen, die Hersteller wollen und müssen wegen höherer Risiken aber auch höhere Gewinne machen.
Aufschlussreich in diesem Zusammenhang sind die Ergebnisse einer kürzlich erschienenen Studie der Unternehmensberatung Deloitte. Danach wird der Autokauf für Private zum Auslaufmodell. Zu folgender Prognose die globale Studie „Future of Automotive Mobility“ (Automobilwoche):
- Die Mobilitätsmärkte verschieben sich in den nächsten Jahren massiv. 2035 gehört nur noch jedes dritte Auto einem Privatkunden. Statt ein Fahrzeug zu kaufen, setzen Verbraucher zunehmend auf Leasing, Sharing und Abo.
- Vor allem jüngere Verbraucher zeigen weniger Interesse daran, ein Auto zu besitzen. In Deutschland hinterfragt etwa die Hälfte der 18- bis 34-Jährigen aufgrund ihrer Erfahrungen mit Sharing-Modellen, ob sie künftig noch ein eigenes Auto brauchen. Jeder Dritte kann sich vorstellen, das eigene Auto gegen ein Auto-Abo einzutauschen.
- Entsprechend legen PKW-basierte Mobilitätsangebote jährlich um fünf Prozent zu. In den fünf europäischen Top-Märkten Deutschland, Frankreich, Spanien, Italien und Großbritannien verdoppelt sich der Umsatz von derzeit 73 auf rund 141 Milliarden Euro bis zum Jahr 2035.
- Auto-Abos haben laut Deloitte-Prognose im Jahr 2035 in den europäischen Kernmärkten einen Marktanteil von 16 Prozent. Noch gefragter ist Leasing: Hier steigt der Marktanteil bis 2035 auf rund 41 Prozent. Angetrieben vom Leasing-Geschäft werden sich die Einnahmen aus Finanzdienstleistungen in den europäischen Top-Fünf-Automärkten fast verdoppeln.
- Der Trend zum Nutzen verschiebt die Besitzanteile in den europäischen Top-Fünf-Automärkten deutlich: Ist derzeit noch etwa die Hälfte der Neuwagen im Eigentum von Privatkunden – in Deutschland bereits heute nur noch ein Drittel –, sind es im Jahr 2035 nur noch weniger als ein Drittel (30 Prozent). Dann werden knapp drei Viertel (70 Prozent) der Neuwagen Autobanken und Mobilitätsanbietern gehören.
- Das hat Folgen für die Gewinne der Autohersteller. Nach Deloitte weicht der einmalige Gewinn beim Verkauf eines Autos einer breiteren Palette von Dienstleistungen rund um das Fahrzeug. Der Markt für klassische Kreditfinanzierung schrumpft. Deloitte glaubt, das würde Autobanken und Hersteller unter Druck setzen und bei den Herstellern die Gefahr heraufbeschwören, den Kontakt zu den Endkunden zu verlieren und zu Lieferanten von Mobilitätsunternehmen zu degradieren.
Die Studie sieht deutliche Umsatzpotenziale für Hersteller, wenn sie sich rechtzeitig auf den prognostizierten Wandel einstellen, und schrumpfende Verkäufe durch stärkere Fokussierung auf das Management eines Fahrzeugs über den gesamten Lebenszyklus. Dieser könne um 50 bis 60 Prozent rentabler sein als der einmalige Verkauf eines Fahrzeugs an Kunden. Neben Mobilitätsangeboten beinhaltet das Management über mehrere Zyklen beispielsweise auch Services rund um Fahrzeug und Fahrer sowie das Recycling.
Aus ökonomischer Sicht sind solche Prognosen mit großer Vorsicht zu genießen. Folgende Aspekte kommen in der Regel bei einer rein betriebswirtschaftlichen Sicht zu kurz:
- Alle namhaften Hersteller haben eigene Kreditbanken und Leasing-Gesellschaften. Ob kreditfinanzierter Kauf oder Leasing: Beides landet in der Kasse des gleichen Herstellers.
- Alternative Mobilitätsangebote der Hersteller über das reine Leasing-Geschäft hinaus, wie zum Beispiel Car-Sharing, DriveNow, car2go oder Ähnliches waren einmal „in“ – und alle ein Flop. Alle namhaften Autohersteller sahen sich in der Vergangenheit mit viel PR-Getöse zur Gründung eigener Car-Sharings veranlasst, die wegen hoher Verluste wieder eingestellt wurden.
Während die Lease-Kunden billiger Autofahren wollen, statt den Pkw zu hohen Anschaffungskosten selber zu kaufen, müssen die Hersteller und Leasing-Unternehmen angesichts des Handling-Aufwands ihrer Leasing-Autoflotte und vor allem der höheren Risiken bei den Restwerten der Gebrauchtwagen-Verkäufe all dieser ganzen Verleih- statt Erwerbermodelle auch höhere Gewinne machen. Und das erheblich. In manchen Jahren lebten die Aktionäre einiger Autohersteller nur von den hohen Gewinnen deren Finanz-Töchter.
Die Folge liegt auf der Hand: Leasing statt Neukauf wird für die privaten zunehmend teurer. Die Rechnung geht nur noch in wachsenden Märkten auf, nicht mehr, wenn die Absätze strukturell schrumpfen. Mit steigenden Neuwagenpreisen nimmt zwar zunächst der Trend zum Leasing zu. Mit der Folge, dass auch die Leasingraten sich überdurchschnittlich verteuern, solange, bis die Verbraucher finanziell überfordert sind.
Mit dem politisch gewollten Zwang, Verbrenner über Emissionsvorschriften erheblich zu verteuern, und sie dann ab 2035 vollends zu verbieten und nur noch erheblich teurere Elektroautos kaufen zu können, wird die Automobilnachfrage mit den finanziellen Möglichkeiten der privaten Kunden schrumpfen.
Insofern kommt die Deloitte-Studie zu dem richtigen Ergebnis: Der Anteil der gewerblichen Kunden an den Neuzulassungen wird in Zukunft steigen, jener der privaten schrumpfen. Das Ganze aber bei sinkendem Marktvolumen und sinkenden Gewinnen der Hersteller. Da hilft auch die Ausweitung von Mobilitätsdienstleistungen nicht mehr.