Die Bewertung des Autojahres 2020 ist nicht einfach. Im Nachhinein betrachtet war es so, als ob das Corona-Virus dem Kopf des römischen Gottes Janus den Scheitel gezogen hätte: Im ersten Halbjahr Einbrüche aller Marktzahlen im bisher nicht gekannten Ausmaß bis zu -90 Prozent; im zweiten Halbjahr Erholung mit Finale Furioso und Dezember-Neuzulassungen in ebenfalls zuvor noch nie erreichter Größenordnung.
Was heißt das nun für die Geschichtsbücher, was überwiegt in der Bewertung: Rückscheibe oder Frontscheibe? Sekt oder Selters?
Es gibt einen alten Sinnspruch, der lautet: „Schau nur nach vorne, nie zurück, denn in der Zukunft liegt das Glück“ (Verfasser unbekannt). An den will sich der Autor auch hier halten, und das Jahresende 2020 nicht als Endpunkt, sondern als Startbasis in ein erfolgreiches Automobiljahr 2021 sehen: Bliebe das Absatzvolumen konjunkturell auf dem Dezember-Niveau, stünde die deutsche Automobilindustrie vor dem besten Jahr ihrer Nachkriegs-Geschichte.
Automobilindustrie weiter im Erholungsmodus
- Im Dezember 2020 wurden 311.394 Personenkraftwagen (Pkw) neu zugelassen, +9,9 Prozent mehr als im Dezember 2019. Trotz des Lockdowns in der zweiten Monatshälfte entspricht das dem höchsten Zulassungsvolumen, das jemals in einem Dezember erreicht wurde.
- Der Absatzeinbruch aus der der ersten Jahreshälfte war indessen nicht mehr Aufholbar. Im Gesamtjahr 2020 kam der Inlandsmarkt auf ein Niveau von 2,9 Mio. Pkw, das sind -19,1 Prozent weniger als 2019. In diesem Umfang rechnen Experten mit einem aufgestauten Ersatzbedarf – für 2021 ff durchaus erfreuliche Perspektiven.
- Lt. KBA wurden 62,8 vH (-22,4 %) der Neuwagen gewerblich und 37,1 vH (-13,0 %) privat zugelassen. Für Anhänger der Farbenlehre vielleicht von Interesse: Die bevorzugten Farben beim Neuwagenkauf waren Grau/Silber (30,5 vH), Schwarz (24,1 vH) und Weiß (21,3 vH).
- Das extrem schwache erste Halbjahr schlug bei allen deutschen Marken durch: bei Smart mit -67,3 Prozent, Opel (-32,3 %) und Ford (-30,6 %). Mit einem negativen Vorzeichen schloss die Neuzulassungsbilanz auch bei VW (-21,3 %), Audi
(-19,9 %), Porsche (-16,3 %), BMW (-13,7 %), Mini (-11,7 %) und Mercedes (-10,6 %). VW blieb auch in 2020 mit einem Anteil von 18,0 vH anteilsstärkste Marke.
- Bei den Importmarken zeigten sich im zurückliegenden Zulassungsjahr
- positive Entwicklungen lediglich bei Tesla (+55,9 %) und Fiat (+0,2 %). Bemerkenswert dabei ist, dass Tesla in den Vorjahren stets mit hohen dreistelligen Zuwachsraten glänzen konnte.
- Rückgänge von mehr als 30 Prozent verzeichneten Suzuki (-44,8 %), Ssangyoung (-40,2 %), Mazda (-38,1 %) und Dacia (-36,6 %).
- Die Importmarken werden von Skoda mit einem Marktanteil von 6,2 vH angeführt, gefolgt von Renault mit 4,3 vH
- Mehr als die Hälfte aller Neuzulassungen entfiel auf die Segmente SUVs (21,3 vH), Kompaktklasse (20,5 vH) und Kleinwagen (15,1 vH). Die Wohnmobile (2,6 vH) verzeichneten mit einem Plus von +41,4 Prozent den deutlichsten Zuwachs in der Jahresbilanz – Folge der Corona bedingten Übernachtungseinschränkungen.
Elektroantrieb auf dem Vormarsch
- Mit einem Anteil von 46,7 Prozent waren benzinbetriebene Pkw (1.361.723/-36,3 %) die am häufigsten gewählte Antriebsart, dieselbetriebene Pkw (819.896/-28,9 %) erreichten in der Jahresbilanz einen Anteil von 28,1 Prozent.
- Im Gegensatz zum fossilen Verbrennermarkt konnten Autos mit alternativen Antriebsarten 2020 fast durchgehend hohe Zuwächse verzeichnen. Das Gegenteil wäre die Nachricht; es locken hohe Subventionen. Die helfen Käufern und Industrie und schaden dem Steuerzahler; so schafft man eine staatsabhängige Subventionswirtschaft. Mit 527.864 Einheiten waren die größte Zuwächse Fahrzeuge mit Hybridantrieb (+120,6 Prozent); Alternative Antriebe erreichten 2020 einen Anteil von 18,1 vH, darunter
-
- Plug-in-Hybride mit 200.469 (+342,1 %) mit einem Anteil von 6,9 vH.
- Elektro-Pkw mit 194.163 (+206,8 %) erreichten mit 6,7 vH knapp die Hälfte des E-Marktes.
- Nachrichtlich: Die Anteile erdgasbetriebener Pkw (7.159/-6,1 Prozent) und flüssiggasangetriebener Pkw (6.543/-9,8 Prozent) bewegten sich mit je 0,2 vH auf Vorjahresniveau., und damit quasi unter der Wahrnehmungsschwelle.
Branche im Aufwärtstrend (Quelle VDA)
- Im Dezember gingen bei den deutschen Herstellern Corona bedingt – anders als in den Vormonaten – 16 Prozent weniger Bestellungen aus dem Inland ein. Im Zeitraum von Januar bis Dezember 2020 lag der inländische Auftragseingang 17 Prozent im Minus.
- Besser lief es im Auslandsgeschäft: Hier verbuchten die deutschen Hersteller im Dezember ein stabiles Ordervolumen (±0 Prozent), im Gesamtjahr 2020 wurden 11 Prozent weniger Pkw von Kunden aus dem Ausland bestellt.
- Im abgelaufenen Monat wurden in Deutschland – unterstützt durch zwei zusätzliche Arbeitstage – 280.800 Pkw produziert, immerhin +1 Prozent als im coronafreien Vorjahresmonat. Damit wurde das Produktionsniveau eines Vorjahresmonats zum zweiten Mal in Folge übertroffen. Dennoch blieb die Pkw-Inlandsproduktion 2020 mit 3,5 Mio. Einheiten deutlich unter dem Vorjahresvolumen (-25 Prozent) und lag damit dem niedrigsten Stand seit 45 Jahren.
- Ähnlich wie die Produktion entwickelte sich der Export: Im Dezember konnten mit 219.400 Pkw bereits wieder soviel exportiert werden wie im Vorjahr (±0 Prozent). Im Gesamtjahr sind die Pkw-Ausfuhren allerdings auf 2,6 Mio. Fahrzeuge geschrumpft (-24 Prozent), wie wenig wie zuletzt in 1990.
Ausblick
Prognosen sind immer schwierig, aber die anhaltende Corona Pandemie und die unübersichtliche Lockdown-Ausgangslage machen Prognosen über die Marktentwicklung 2021 besonders sehr schwierig. Unsicher ist trotz der inzwischen angelaufenen Impfaktion vor allem, in welchen Mengen der Impfstoff kommt, wie er wirkt, und wie die Reaktion der Konsumenten und Investoren darauf ist. Kurz: Wann die Normalität wieder im Alltag Einzug hält. – Das Meinungsspektrum darüber ist groß, die Unsicherheit auch.
Vor diesem Hintergrund sollte lediglich auszuschließen sein, dass sich ein Einbruch wie 2019 in 2021 nicht wiederholt. Es sollte also besser werden, nicht schlechter! Alles andere wird sich in den nächsten Monaten zeigen.
Eine ähnliche Auffassung vertritt Hildegard Müller, Präsidentin des Verbandes der Automobilindustrie (VDA): „Für 2021 rechnen wir mit einer Erholung des deutschen Pkw-Marktes. Dennoch dürfte das sehr starke Vor-Corona-Niveau vorerst nicht erreicht werden.“