Das Auto mit Verbrennungsmotor ist »durch«, die Abschaffung der wichtigen Automobilindustrie soll weitergehen. Das ist, zusammengefasst, das Ergebnis des gestrigen »Autogipfels«, der in Form einer Videokonferenz mit Bundeskanzlerin Merkel, Vertretern der Autoindustrie und Ministerien abgehalten wurde. Staatliche Kaufprämien für Autos mit Verbrennermotoren soll es nicht geben, mit aller Kraft sollen nur Elektroautos in die Welt gedrückt werden. Die will bisher aber kaum jemand.
Es soll ein weiteres Gespräch von Wirtschafts- und Verkehrsministern sowie der Energiewirtschaft für den Aufbau eines Ladenetzes für E-Autos geben. Ein einheitliches Bezahlsystem und kundenfreundliche Nutzung der Ladesäulen sollen dabei angesprochen werden. Autonomes Fahren und ein schnelleres Internet im Auto wurden beim Gipfel als weitere Schlagworte in die Welt geworfen.
In Bayern forderte die CSU vor dem Gipfel Kaufanreize auch für Verbrennermotoren. In dem autogeprägten Bundesland steigt die Nervorsität, viele Zulieferer haben massiv Mitarbeiterentlassungen angekündigt. Wirtschaftliche Chaos zeichnet sich ab. Ministerpräsident Söder gerät mittlerweile unter Druck: »Wir können beim Auto nicht auf Zeit spielen. Es handelt sich um den zentralen Lebensnerv unserer Wirtschaft.«
Doch von Hilfen für Zulieferer war bei der Videokonferenz keine Rede. Söder hilflos: »Daher brauchen wir eine beschleunigte Transformationsstrategie.« Einerseits müssten neue Antriebsmodelle gefördert werden, andererseits könne man Verbrenner-Fahrzeugen nicht einfach unter den Tisch fallen lassen: »Wollen wir Tausende von bereits produzierten Autos jetzt komplett verschrotten, obwohl wir welche mit deutlich schlechteren CO2-Werten auf der Straße haben und gleichzeitig die Kapazität für Elektro in Deutschland an die maximale Grenze kommt?«
Er warnte im ZDF bereits vor Massenarbeitslosigkeit in der deutschen Schlüsselindustrie. Söder: »Es braucht den massiven Ausbau und die Förderung neuer Antriebsmodelle sowie ein zeitnahes Konzept für autonomes Fahren in ganz Deutschland.«
Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) hatte vorher noch in einem Interview betont: »Es stehen viele moderne Fahrzeuge auf Halde. Die müssen vom Hof.«
Der Fraktionschef der Grünen, Anton Hofreiter, zieht sich dagegen auf die Schlagworte von Investitionen in den Klimaschutz zurück: »Diese Zukunftsinvestitionen müssen dringend staatlich gefördert werden. Für alte Technologien darf es hingegen keine Kaufprämien oder andere Zuschüsse geben.«
Im Autobundesland Baden-Württemberg mit seinen Herstellern und vielen bedeutenden Zulieferern zerstören gerade Grüne und CDU diesen zentralen Industriezweig und lehnten schon im Vorfeld des Gipfels eine Kaufprämie für Benziner und Diesel ab. Über den gestrigen Autogipfel zeigte sich Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) wortreich zufrieden: »Wir hatten großes Einvernehmen darüber, dass die Lage in der Automobilindustrie angespannt bleibt, und wir deshalb alle Kräfte bündeln müssen, um möglichst viele Arbeitsplätze zu erhalten und neue Arbeitsplätze der Zukunft zu schaffen.« Er will, dass Bund und Land das im Juni vereinbarte Zwei-Milliarden-Euro-Förderprogramm schnell gemeinsam »ausrollen«.
In der Ursprungsstadt des Automobils, Stuttgart, hatte schon im Juli der Daimler-Gesamtbetriebsratschef Michael Brecht bemerkenswerten Klartext gesprochen und vor allem die SPD-Führung massiv kritisiert. »Die SPD-Spitze hat es nicht verstanden«, wetterte er gegenüber der Deutschen Presseagentur. »Es rollt eine Rationalisierungswelle auf die deutsche Autoindustrie zu, die massiv an die Arbeitsplätze herangeht.«
95 Prozent der Beschäftigten in der deutschen Autoindustrie arbeiteten an Fahrzeugen mit konventionellen Antrieben. Der Absatz von E-Autos sei bisher nicht sonderlich hoch. Brecht begreife nicht, »warum ausgerechnet die SPD-Spitze das nicht verstanden und sich vehement gegen eine Kaufprämie für schadstoffarme Benzin- und Dieselfahrzeuge im Konjunkturpaket gesperrt« habe.
IG Metall, SPD und Grüne reden von einem staatlichen Beteiligungsfond für mittelständische Unternehmen. Die können kaum ihre Fertigung ins Ausland verlagern, wie das die großen Autohersteller tun. BMWs größte Fertigungsstätte befindet sich nicht mehr in Bayern, sondern in den USA. VW und Daimler verlagern ihr Geschäft zusehends nach China.
Währenddessen sind die Verkaufszahlen so dramatisch wie schon lange nicht mehr in den Keller gesunken. Der Bundestagsabgeordnete Frank Schäffler (FDP) verweist bei Twitter darauf, dass letztmalig 1975 so wenig Autos produziert wurden wie heute. »Wenn die Regierung nicht die EU-Flottenregulierung beseitigt und die Standortbedingungen in Deutschland verbessert, dann reicht kein Staatsfonds aus, um die politisch gewollte Vernichtung von Arbeitsplätzen zu verhindern.«
Der Autoexperte der AfD, Dirk Spaniel, kritisiert den Gipfel: »An dem (Nicht-) Ergebnis des Autogipfels erkennt man die Doppelzüngigkeit der Regierung. Während auf Landesebene die Ministerpräsidenten Weil und Söder Prämien und Kaufanreize auch für Verbrennungsmotoren fordern, wird auf Bundesbene durch die gleichen Parteien SPD und CDU konsequent Politik gegen Verbrennungsmotoren betrieben. Somit wird dem Wähler im Land suggeriert, die örtliche Regierung übernehme Verantwortung.«
Spaniel schlägt einen anderen Weg vor. Der ehemalige Daimler-Autoingenieur will neue Rahmenbedingungen für den Verbrenner schaffen und synthetisch hergestellte Kraftstoffe mit Biokraftstoffen gleich behandeln. Er forderte auf einer Pressekonferenz heute die Gleichstellung von Fahrzeugen, die mit synthetischen Kraftstoffen oder mit Biokraftstoffen angetrieben werden.
Es werde bisher nur der Teil »vom Tank bis zum Auspuff« betrachtet, sagte er. Die meisten Elektrofahrzeuge würden allerdings mit einem Strommix betrieben, in den auch Strom aus Kohlekraftwerke einfließe. Die CO2 Bilanz Deutschlands werde dadurch nicht verbessert. Spaniel: »Wir wollen, dass die Herstellung der Kraftstoffe in die Bilanz mit einbezogen wird.«
Dann könnten Fahrzeuge, die mit synthetischem Treibstoff betrieben werden, auf eine Stufe mit E-Autos gestellt werden Mobilität und ebenfalls wie E-Autos mit Null Gramm CO2 Ausstoss behandelt werden. Es müssten keine Strafzahlungen von den Autoherstellern abgeführt werden. Spaniel: »Das ist momentan nicht zulässig, weil die Bilanzierung nur vom Tank zum Auspuff verläuft.«
Seine Fraktion wird einen entsprechenden Antrag in den Bundestag einbringen, die aktuelle CO2 Strategie zu ändern. Damit könne die Autoindustrie erhalten bleiben. »Wir wollen die Produktion von Automobilen in Deutschland wirtschaftlich sicher stellen.« Die CO2-Diskussion unterstütze die AfD zwar ausdrücklich nicht, aber: »Wenn die Mehrheit das will, halten wir diese Methode für die beste.«
Verbrennungsmotoren können zudem mit diesen synthetischen Kraftstoffen in der Umweltbilanz voll mithalten. Die seien zudem kompatibel mit Altfahrzeugen, die daher nicht verschrottet werden müssten.