Derzeit prasselt die Kritik auf Peter Altmaier ein, den CDU-Wirtschaftsminister mit starken Sympathien für die Grünen. Ungewohnt harsch und offen äußern Wirtschaftsvertreter ihre Enttäuschung über den Merkel-Vertrauten. Besonders der Mittelstand lässt seinem Frust über den Minister freien Lauf. Von Altmaier als „Fehlbesetzung“ und „Totalausfall“ ist die Rede. Der Verband der Familienunternehmer hat Altmaier explizit zu seiner 70-Jahre-Jubiläumsfeier im Mai nicht eingeladen. „Altmaier hat das Wirtschaftsministerium beschädigt“, sagte der Verbandsvorsitzende Reinhold von Eben-Worlée. „Die CDU enttäuscht ihre bisherigen Unterstützer“, fügte er hinzu.
Von Wirtschaftsprofessoren hat der Jurist Altmaier ohnehin schwerste Kritik einstecken müssen, seit er vor zwei Monaten seine „Nationale Industriestrategie 2030“ vorlegte, die er als Antwort auf China und US-Großkonzerne verstanden wollte. Aus Sicht der Ökonomen ist Altmaiers Antwort aber völlig verfehlt.
„Planwirtschaft“ und „Irrweg“ lautete fast unisono das Urteil über Altmaiers Ansinnen, mittels staatlicher Lenkung oder erleichterten Fusionen nationale oder europäische „Champions“ zu formen. Denn am Ende zahlen es die Verbraucher, wenn der Staat dabei hilft, dass monopolartige Großkonzerne entstehen und den Wettbewerb ausschalten. Das sind so Planspiele des Ministers, mit denen er sich wichtig macht. Denn klar ist: Die deutschen Großkonzerne machen ihren Umsatz meist zu 80 % im Ausland. Die größte BMW-Fabrik steht nicht mehr in Bayern, sondern den USA. Bayer hat Monsanto gekauft, Siemens hat seine Energiesparte in die USA verlegt, Daimler verdient in China den Gewinn. Diese Konzerne werden sich von Altmaier weder einsperren noch allzu viel vorschreiben lassen.
Altmaier ist in der Tat eine Fehlbesetzung – aber das war er von Anfang an. Seit langem ist der Saarländer einer der Wegbereiter einer schwarz-grünen Annäherung. In der berühmt-berüchtigten „Pizza-Connection“ hat Hobbykoch Altmaier schon in den frühen neunziger Jahren mit den Grünen angebandelt. Als Umweltminister und dann Kanzleramtsminister hat er die grüne utopische Energiewende weitertreiben lassen. In raren Momenten der Wahrheit sprach er über die Kosten: Eine Billion Euro (1.000.000.000.000 Euro) für den Ausbau der „Erneuerbaren Energien“, für Netzausbau, für Speicher (so es sie denn überhaupt technisch ausreichend möglich sein werden).
Eine Billion Euro könnte noch nicht einmal das Ende der Fahnenstange sein. Die Technikakademie Acatech schätzt die Gesamtkosten je nach CO2-Minderungszielen sogar auf bis zu 2 Billionen Euro, wenn nicht nur die Wirtschaft, sondern auch Verkehr und unsere gesamten Städte komplett umgestellt werden sollen. Die 2 Billionen Euro wären so viel wie die gesamte bisherigen deutschen Staatsschulden. Für jeden Bürger, vom Baby bis zum Greis, wären es 25.000 Euro. Wer soll diesen grün-planwirtschaftlichen Weg ins Öko-Nirwana bezahlen?.
Dafür ist die Automobilproduktion im 4. Quartal 2018 um 7,1 Prozent gesunken. Altmaier versucht, das wegzulächeln. Bei öffentlichen Auftritten wirft er sein Jackett über den nächstbesten Stuhl und krempelt die Ärmel seines Hemds hoch. Das soll Tatkraft vermitteln. Mittlerweile ist es eine lächerliche Geste. So, wie er beim Jubiläum 70 Jahre Wirtschaftsministerium die Laudatio persönlich hielt. Es gibt wohl niemanden mehr, der ihn loben will. Wer kritisch ist, wird ausgeladen, so etwa der Verband der Familienunternehmer, und dafür werden gefällige Miniverbände wie die „Aktionsgemeinschaft Soziale Marktwirtschaft“ vorgeschickt, die ausgerechnet die Bundeskanzlerin mit einem Preis für Marktwirtschaft ausgezeichnet hat – darüber musste selbst Merkel kichern. So wie über Altmaier, dem sie nie etwas zugetraut hatte und der nur zum Sonntagredner taugt, dem man aber nur einmal zuhörend zuschauen kann.
So hat der Saarländer all die Jahre als Getreuer Merkels, jahrelang in der schleichenden Linksverschiebung der Union unterstützt. Nun, da sich Merkels Abgang auf Raten abzeichnet, dürfte auch für Altmaier im Kabinett die Uhr ticken. Übernimmt Annegret Kramp-Karrenbauer, wären zwei Saarländer in Spitzenposten im Bund wohl zu viel.
Daher schielt Altmaier recht unverhohlen nach Brüssel. Der heute 60-Jährige hat seine Karriere vor drei Jahrzehnten als EU-Beamter begonnen. Einen Posten als EU-Kommissar würde er wohl als Krönung seiner Laufbahn ansehen. Ob es dazu kommt, hängt aber auch am Wahlergebnis der EU-Wahl. Würde der EVP-Spitzenkandidat Manfred Weber doch noch Kommissionspräsident, wäre für Altmaier der Weg nach Brüssel versperrt.
Nun glaubt auch keiner an eine Zukunft für Weber. Altmaier könnte also Glück haben und in die Lücke stoßen und den Brüsseler Versorgungsposten leibhaftig ausfüllen. In Berlin jedenfalls hinterließe er keine spürbare Lücke, und keiner weinte ihm nach. Aber ob es besser würde?
Versperrt ist auch der Weg für Friedrich Merz ins Bundeskabinett. Merz drängt nach seiner Niederlage gegen AKK im Kampf um den CDU-Vorsitz nochmal in die Bundespolitik. Doch Merkel und AKK haben ihm die kalte Schulter gezeigt. Auffällig ist, dass viele der derzeitigen Altmaier-Kritiker gleichzeitig als Merz-Fans bekannt sind. Sie wollen den Saarländer durch den Sauerländer ersetzen. Aber ob Merkel und AKK ihre Abneigung gegen Merz überwinden, erscheint eher fragwürdig. Und Friedrich Merz leidet unter seinem Ruf, mal wieder die ganz große Lippe riskiert – aber im entscheidenden Moment nicht geliefert und sich durch allzu große Selbstüberschätzung um den Erfolg gebracht zu haben. Noch einen Schönredner aber will niemand an der Spitze des Amts.
Robert Mühlbauer ist Publizist zu wirtschaftlichen und politischen Themen.