Tichys Einblick
Manager sind keine Unternehmer

Aktiengesellschaften fehlt der Eigentümer

Sie klettern die Karriereleiter nicht deshalb nach oben, weil sie das Beste für die Eigentümer tun, sondern weil sie das Beste für ihre Vorgesetzten tun. Wenn sie oben angekommen sind, haben sie gelernt, das Beste für sich selbst zu tun. Wie der typische Manager sein Unternehmen kaputt macht.

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Haben Sie jemals einen Manager den folgenden Satz sagen hören?
„Qualität interessiert uns nicht, ebenso wenig die Bedürfnisse unserer Kunden, und wir haben auch kein Inter­esse daran, sie mit den besten Produk­ten und Dienstleistungen auf Grund­ lage effizienter Prozesse zu versorgen. Es ist auch völlig in Ordnung, wenn wir als Sickergrube enden, in der der Steuerzahler sein Geld für Subventionsprogramme versenken kann.“ Natürlich nicht – aber man fragt sich, warum so viele Unternehmen genau so handeln.

Wenn Sie sich die Listen der For­tune­-500­-Unternehmen 1955 und 2017 ansehen, dann können Sie feststellen, dass nur 60 Namen auf beiden Listen stehen. 440 wurden ersetzt durch frü­her kleinere Firmen oder Start­ups. Jedes einzelne der größten Unterneh­men der Welt war ein Start­up der letz­ten 40 Jahre: Apple, Google, Microsoft, Alibaba, Facebook, Amazon.

Die Ressourcen, die sie ursprünglich zur Verfügung hatten, waren um viele Zehnerpotenzen kleiner im Vergleich zu den Monstergesellschaften, die in den 70er­ und 80er­Jahren dominier­ten. Können Sie sich die Reaktion des Vorstandsvorsitzenden von General Motors vorstellen, wenn Steve Jobs ihn 1975 angerufen hätte: „Hallo, hier ist Steve. Ich sitze hier in Papas Garage mit 500 Dollar angespartem Taschengeld, und ich werde euch kaltmachen!“ Wenn die materiellen Ressourcen nicht kriegsentscheidend waren, was war es dann? Es ist das menschliche Handeln, angetrieben von mensch­lichen Präferenzen, damit von Anreizen und am Ende der Kausalkette die Governance von Unternehmen, die die­se Anreize setzt.

Die Governance von Unternehmen wird von zwei in Wechselwirkung ste­henden Faktoren bestimmt: Der eine ist, wie sich eine Firma organisiert, der andere besteht aus den regulatorischen Rahmenbedingungen, innerhalb derer das Unternehmen arbeitet. Die Wechsel­wirkung zwischen diesen beiden arbei­tet langfristig zum Schaden der großen, saturierten Unternehmen, die mit gro­ßen Bilanzen, Aktiennotierungen, Be­sitzständen und Besitzstandsgruppen (die nennt man jetzt Stakeholder, um die korrupte Natur von Hinterzimmer­deals zu beschönigen), intransparenten Entscheidungswegen und einer Armee von Rentenjägern in ihren Reihen da­herkommen. Das regulatorische Rah­menwerk schafft dabei erst die Bedin­gungen korporativer Bürokratie und feudaler Kämpfe.

Durch das Ignorieren eines der fun­damentalen Bausteine einer erfolgrei­chen Wirtschaftsordnung, nämlich des Privateigentums und der Identität von Macht über Ressourcen mit Verantwor­tung für die Folgen ihrer Verwendung, kann diese korporative Bürokratie ent­stehen. Derjenige, der die Kontrolle aus­übt, muss belohnt oder bestraft werden für die effektive und effiziente oder die ineffektive und ineffiziente Nutzung dieses Assets. Diese Identität ist das konstitutionelle Merkmal von privatem Eigentum. Wenn Ihnen etwas nicht ge­hört, dann investieren Sie nicht annähernd so viel Gedanken, Zeit und Mühe in die optimale Verwendung, als wenn Sie Eigentümer wären.

Um sicherzustellen, dass Ihre Firma die richtigen Dinge tut, führt kein Weg daran vorbei, diese Identität von Kontrolle und Verantwortung herzustellen. Das heißt: Langfristig geht es nicht dar­ um, wie man es macht, sondern was uns dazu bringt, es so zu machen.

Bürokratisierung bringt Untergang

Die Rechtsform großer Unternehmen ist fast ohne Ausnahme die der Aktiengesellschaft, wenn man einmal von der überschaubaren Zahl sehr großer Unternehmen im Familienbesitz absieht. Unternehmen werden von überlebensgroßen Gründerpersönlichkeiten ge­schaffen, sie wachsen, erlangen eine dominierende Stellung, werden in Aktiengesellschaften umgewandelt und treten dann ihren langen Weg in die Bedeutungslosigkeit an. Auf dem Weg dieses Abstiegs werden gewaltige Mengen an Kapital, Ressourcen, menschlichen Talenten und Arbeit vergeudet. Manch­ mal wird der Verfall verlangsamt oder sogar unterbrochen, aber früher oder später gewinnen die Kräfte der Entropie die Oberhand.

Solch eine Geschichte war General Electric, wo Jack Welsh das Kriegsglück für fast 20 Jahre wenden konnte. Welsh führte ein Anreizsystem ein, das Eigentum simulierte, indem es Einkommen und unternehmerischen Erfolg verknüpfte. Wer Gewinne erwirtschaftete, bekam sehr hohe Boni. Nach seinem Abschied stellte sich heraus, dass ihm das im traditionellen Nichtfinanzgeschäft besser gelungen war als im Finanzdienstleistungsarm des Unternehmens.

Im Finanzsektor gibt es schlicht mehr Möglichkeiten, ein Modell simulierten Eigentums auszutricksen: Man nimmt einfach Risiken in Kauf, deren zeitliche Struktur so beschaffen ist, dass sie erst zum Tragen kommen, nachdem man sich in den Ruhestand verabschiedet hat.

Wenn Entscheidungen vom tatsäch­lichen Eigentümer getroffen werden, kann er sich nicht selbst betrügen. Alle Entscheidungen, gute und schlech­te, transparente oder intransparente, werden auf ihn zurückfallen. Das ist die eigentliche Natur des privaten Eigentums: Es ist ökonomisches Karma. Was immer man damit tut, es kommt wieder, man muss mit den Folgen leben und kann sie nicht abwälzen.

Um nicht zu dieser einfachen Einsicht zu gelangen, erfindet die Industrie, für die ich seit 25 Jahren mit Unterbrechungen arbeite, immer neue Managementmoden. Diese Moden – einige von ihnen sind recht erfolgreich – verlangsamen den Prozess des Unternehmensverfalls, aber sie können ihn nur verzögern, je­doch nicht wirklich aufhalten, weil die juristische Konstruktion der Aktien­gesellschaften Eigentum und Kontrolle voneinander trennt.

Je mehr Schichten von Holdings und Zwischenholdings die Aktiengesellschaft von ihren Aktionären trennt, je mehr Aktien von Vermögensverwaltern verwaltet werden, wo ihre Stimmrechte von den eigentlichen Eigentümern de facto abgetrennt sind, je mehr Überkreuzverflechtungen börsennotierter Gesellschaften, desto größer wird die Distanz zwischen dem eigentlichen Eigentümer und der Managerkaste, die die Kontrolle über die Verwendung der Assets ausübt. In diesem Sinne sind ETFs nur ein weiterer Sargnagel für das vom Privateigentum angetriebene Unternehmertum.
Die großen Gesellschaften sind angefüllt mit den Angehörigen einer Managerklasse, die die besten Businessschulen auf dem Globus durchlaufen haben, und sie verfügen über einen kompletten Werkzeugkasten, um Abteilungen, Unterabteilungen, Hauptabteilungen, Arbeitsgruppen, Geschäftseinheiten, Cost­-Center und Verwaltungsräte zu führen. Aber sie sind keine Eigentümer.

Fehlkonstruktion Aktiengesellschaft

Sie klettern die Leiter des Großunternehmens nicht dafür nach oben, dass sie das Beste für die Eigentümer tun, sondern dafür, dass sie das Beste für ihre Vorgesetzten tun. Wenn Sie dann oben angekommen sind, haben sie gelernt, das Beste für sich selbst zu tun.

Und ihre Vorgesetzten durchlaufen die gleiche Schule, und so geht es durch das Organigramm bis zum Vorstandsvorsitzenden und zu dessen Vorgänger, dem Aufsichtsratsvorsitzenden. Der Fisch der organisatorischen Fehlkonstruktion Aktiengesellschaft stinkt vom Kopf her, nicht weil das schlechte Menschen wären, sondern weil sie Teil einer dysfunktionalen Governance sind.

Das Management großer Aktiengesellschaften wird gegen die Eigentümer abgeschirmt. Die resultierende Governance zieht auch keine Unternehmertypen an. Sie zieht graue Anzüge an – Bürokraten, Administratoren, die es sich hübsch einrichten in ihren gemütlichen Nischen. Was sie auf keinen Fall wollen, ist Veränderung. Deshalb ist Change­-Management als Managementmode auch so unglaublich haltbar: Man kann damit bei Höchstgeschwindigkeit auf der Stelle rennen.

Wenn wir sie auf Dauer erfolgreicher machen wollen, müssen wir scharf darüber nachdenken, wie wir die Aktiengesellschaft verbessern können. Ihr Motto ist: „Wasch mich, aber mach mich nicht nass!“ Sie übersehen dabei leider, dass der, der dies sagt, am Ende nass sein wird, aber nicht gewaschen.


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