Seit geraumer Zeit berichtet TE über die andauernde Deindustrialisierung in Deutschland. Zur Erinnerung: Im ersten Halbjahr 2023 stiegen die beantragten Unternehmensinsolvenzen um 20,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Seinerzeit beteuerte das Wirtschaftsministerium, die „besondere Situation“ im Auge behalten zu wollen. Es handele sich jedoch um keine Insolvenzwelle, sondern um „Sondereffekte“, die noch aus der Corona-Zeit resultieren. Saskia Esken, ihres Zeichens SPD-Co-Chefin, „warnte“ gar davor, die Lage schlechter zu machen, als sie sei.
Nun stellt sich heraus, allein im Jahr 2023 gab es bundesweit 176.000 Pleiten. Nur bei einem kleinen Teil ist dies die Folge einer Insolvenz, schreibt die Welt. Und lediglich elf Prozent dieser Schließungen sind Folge einer Insolvenz. Der Großteil hat demnach still und leise aufgegeben. Und zu dieser Gruppe gehören zunehmend viele Industriebetriebe.
Betriebsschließungen betreffen kleine und mittlere Unternehmen. In den Innenstädten sind es oftmals kleine Geschäftsaufgaben. Noch heftigere Auswirkungen fürs Land aber haben die Aufgaben von Baufirmen, Chemieunternehmen, Technologiedienstleistern, Maschinenbauern, Fahrzeugherstellern oder Elektrotechnikbetrieben, deren Verschwinden öffentlich vielfach gar nicht bemerkt wird, so Patrik-Ludwig Hantzsch, der Leiter Wirtschaftsforschung bei Creditreform. Aber: „Das Sorgenkind ist die Industrie“.
„Existenzbedrohend“ – Thyssenkrupp-Chef warnt vor Stahl-Untergang, titelte die Welt am Dienstag. Vorstandschef Miguel Lopez kündigt harte Einschnitte und eine Ausweitung des Sparprogramms an. Vor allem die Stahlsparte Steel Europe steht im Fokus. Binnen weniger Jahre wurden dort Milliarden Euro verbrannt. Der Vorstand von Steel Europe um seinen Vorsitzenden Bernhard Osburg ist angehalten, einen neuen Businessplan für den Bereich mit aktuell rund 27.000 Mitarbeitern zu erstellen. Es gehe um eine sehr große Veränderung. Angekündigt ist bislang nur eine deutliche Reduzierung der Produktionskapazitäten im Stammwerk in Duisburg. Im Zuge dessen wird es dann auch zu einem „noch nicht bezifferbaren Abbau von Arbeitsplätzen“ geben. „Der Plan wird die gesamte Zukunft des Stahls umreißen.“
War da nicht etwas mit dem Umbau der Stahlproduktion auf Wasserstoff? Vor knapp einem Jahr gab es vom Wirtschaftsministerium die Förderzusage von zwei Milliarden Euro für größtes Dekarbonisierungsprojekt in Deutschland. Dazu kommt es wohl nie. Thyssenkrupp brachte vor einem Jahr seine Wasserstoff-Tochter Nucera an die Börse. Der Kurs stürzte indessen von 23,52 Euro am 07.07.2023 auf aktuell 10,17 Euro ab (Stand 13.06.2024), mithin um knapp 57 Prozent.
Tag für Tag gibt es neue Berichte über Abwanderungen, Betriebsstillegungen, Insolvenzen und Entlassungen. Hier eine Übersicht (die Aufstellung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit):
- Hannover: VW Nutzfahrzeuge streicht 900 Stellen. Grund ist, dass der Multivan T6.1 an dem Standort künftig nicht mehr produziert wird. (12.06.2024)
- Bayerischer Autozulieferer Preh streicht über 400 Stellen. (12.06.2024)
- Paketzusteller Fedex streicht in Europa bis zu 2000 Stellen. (12.06.2024)
- Baustoffhandel BayWa muss Stellen abbauen; Grund: fünf Milliarden Euro Schulden. Der Vorstand will nun unter anderem den Solarhandel verkaufen. Das war schon für 2023 geplant, doch fand der Vorstand keinen Käufer, der den geforderten Preis zahlen wollte. (12.06.2024)
- Deutsche Bank: Das größte deutsche Geldhaus verdiente 2023 weniger und baut 3500 Arbeitsplätze ab. (01.02.2024)
- Ausdünnung des Postbank-Filialnetzes geht mit Jobverlusten einher. Kunden der Postbank müssen sich auf ein kleineres Filialnetz einstellen. (11.06.2024)
- Deutsches Milchkontor: Stellenabbau in Hohenwestedt. (11.06.2024)
- Der Online- und Kataloghändler Weltbild ist insolvent. (11.06.2024)
- Miele baut in Deutschland 1300 Arbeitsplätze ab. Miele plant, einen Großteil der Waschmaschinenproduktion nach Polen zu verlegen. (10.06.2024)
- Siemens Energy plant, bei seiner spanischen Windkraft-Tochter Gamesa Personal abzubauen. Hierzulande könnten Hunderte Stellen wegfallen. (29.05.2924)
- DB Cargo streicht 2000 Jobs. (07.06.2024)
- Die Meyer Werft in Papenburg ist finanziell in schweres Fahrwasser geraten. Tausende Arbeitsplätze sind in Gefahr. Niedersachsen signalisiert Hilfe. (12.06.2024)
- Französischer Zugbauer Alstom. Zuletzt beschäftigte Alstom an seinen 13 deutschen Standorten rund 9.600 Beschäftigte. Ob für die beiden ostdeutschen Standorte in Görlitz und Henningsdorf bei Berlin die Schließung droht, ist noch nicht sicher. (08.05.2024)
- Bei Infineon in Regensburg werden massiv Arbeitsplätze abgebaut. In dem Werk sollen 400 bis 600 Arbeitsplätze verschwinden und ins Ausland verlagert werden. (07.05.2024)
- Edelstahlwerke – Personalabbau könnte weitergehen. (24.03.2024)
- BASF will in Ludwigshafen noch mehr Stellen abbauen. (23.02.2024)
- Daimler Truck: Im Lkw-Werk Wörth müssen die meisten Leiharbeiter bald gehen. (25.03.2024)
- Der Essener Chemiekonzern Evonik kündigt massive Stellenstreichungen an: 2000 Jobs weltweit sind betroffen, 1500 allein in Deutschland. (04.03.2024)
- Bekanntester deutscher Möbelhersteller Hülsta ist insolvent – 280 Mitarbeiter von Pleite betroffen (24.04.2024)
- FTI – der drittgrößte Reiseanbieter in Europa ist insolvent. (03.06.2024) Laut Business Insider könnte der Staat, sprich der Steuerzahler, mehr als eine halbe Milliarde Euro verlieren.
In Oberhausen sorgen sich 800 Beschäftigte auf dem Ruhrchemie-Gelände um ihren Arbeitsplatz. (28.05.2024) - Rain Carbon entlässt Personal in Castrop-Rauxel. 54 von 570 Arbeitsplätzen gestrichen. (07.06.2024)
- Playmobil-Hersteller Brandstätter verliert ein Drittel des Umsatzes. Bis 2025 sollen 700 Stellen gestrichen werden. Ein Großteil des Stellenabbaus sei bereits erfolgt. (01.05.2024)
- Vodafone Deutschland will bis 2026 rund 2.000 Stellen abbauen. Sie sollen „eingespart oder verlagert“ werden. (26.03.2024)
- Halbleiterhersteller AMS Osram plant Restrukturierung; über alle Standorte seien rund 500 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen betroffen. (26.04.2024)
- Spezialchemiekonzern Evonik reagiert auf die Branchenkrise mit dem Abbau von Arbeitsplätzen. Das Unternehmen beabsichtigt 2.000 der rund 33.000 Arbeitsplätze zu streichen, rund 1.500 davon in Deutschland. (04.03.2024)
- Automobilzulieferer Eberspächer hat Probleme mit der Transformation hin zur E-Mobilität. Stellenabbau von mehr als 200 Stellen in Rheinland-Pfalz. (22.05.2024)
- Michelin: Massiver Stellenabbau in Deutschland. Der Konzern plant den Abbau von über 1500 Arbeitsplätzen. (November 2023)
- Autozulieferer Webasto kündigt Stellenabbau an. Ein Stellenabbau im zweistelligen Prozentbereich ist voraussichtlich unvermeidbar. (14.03.2024)
- Die Nürnberger Versicherung hat angekündigt, dass sie bis zum Jahr 2026 insgesamt 500 Arbeitsplätze abbauen wird. (11.04.2024)
- Die Sachsen Guss GmbH, ein Unternehmen mit einer 126-jährigen Geschichte und rund 800 Angestellten in der Region Chemnitz, ist insolvent. Hohe Energiekosten und mehrere Krisen in den letzten Jahren haben das Unternehmen in eine prekäre Lage gebracht. (16.05.2024)
- Der Industriehersteller Franken Guss aus Kitzingen ist insolvent. Ursachen sind unter anderem gestiegene Materialkosten und hohe Energiepreise. 650 Arbeitsplätze fallen weg. (25.04.2024)
- Elektroauto-Flaute: Tesla kündigt Abbau von 400 Stellen in Grünheide bei Berlin an. (23.04.2024)
- Bis Ende des Jahres werden in den Landliebe-Werken Heilbronn und Schefflenz insgesamt 120 Arbeitsplätze abgebaut. Das Werk in Schefflenz wird komplett geschlossen. Ende 2026 wird auch im Heilbronner Werk die Produktion eingestellt. (13.06.2024)
- Die Bankengruppe Santander hat einen umfangreichen Stellenabbau eingeleitet. Bis Ende 2026 sollen in Mönchengladbach etwa 500 der derzeit 4100 Arbeitsplätze wegfallen. (15.04.2024)
- Die Hypovereinsbank hat im letzten Jahr Hunderte Stellen abgebaut. Und ein Ende ist offenbar noch nicht in Sicht. So berichtete das „Manager Magazin“ jüngst von einem Abbau von „700 bis 800 der gut 10.000 Stellen“, überwiegend im Backoffice. (07.02.2024)
- Chemieunternehmen: Pigmente-Hersteller Heubach meldet in Deutschland Insolvenz an. Für die rund 900 Heubach-Beschäftigten im Frankfurter Industriepark Höchst ist die Nachricht ein Schock. (26.04.2024)
- Die Einrichtungs-Kette Depot steht vor einer radikalen Restrukturierung, 90 der insgesamt 380 Filialen in Deutschland stehen auf dem Prüfstand. Konsumzurückhaltung bescherte Depot 2023 Verluste. (29.03.2024)
- Das Management der TDK Electronics GmbH in Heidenheim hat den Betriebsrat und die Beschäftigten darüber in Kenntnis gesetzt, dass bis Ende 2026 300 der aktuell 580 Arbeitsplätze abgebaut und an Standorte nach Ungarn und China verlagert werden sollen. (23.05.2024)
- Bosch, der weltweit größte Zulieferer der Automobilindustrie, muss Personal abbauen. Die Transformation fordert ihren Tribut. Allein in der Antriebssparte werden bis zu 1.500 Stellen in Deutschland wegfallen.
- Bayer streicht zahlreiche Stellen in Deutschland. Im Zuge der geplanten Verschlankung der Verwaltung und der angestrebten Beschleunigung von Entscheidungsprozessen werde es zu einem erheblichen Personalabbau kommen. Er soll spätestens Ende 2025 abgeschlossen sein. Weiter hieß es, dass ab Ende 2026 auch betriebsbedingte Kündigungen möglich seien. (18.01.2024)
- ZF: 12.000 Stellen will der Konzern aus Friedrichshafen in den kommenden Jahren in Deutschland abbauen und nach Osteuropa verlagern – betriebsbedingt, wie es heißt. (23.01.2024)
- Kündigungswelle: Mercedes-Benz will offenbar per Punktesystem Stellen im Management abbauen. Wie das Manager Magazin berichtet, sollen die Sparmaßnahmen nun das Management des ältesten Autobauers der Welt betreffen, in dem rund zehn Prozent der derzeitigen Stellen abgebaut werden sollen.
- SAP strukturiert sich weltweit um. In Deutschland sollen daher 2.600 der rund 25.300 Stellen wegfallen. Mitarbeitern, die freiwillig verfrüht in den Ruhestand gehen wollen, bietet der Konzern eine Abfindung an. (25.04.2024)
- Continental streicht 2.300 Stellen im Rhein-Main-Gebiet. Die Stellen sollen „sozialverträglich“ abgebaut werden, von denen 1.100 den Standort wechseln sollen. Aber auch in Frankfurt und Babenhausen sollen Stellen wegfallen oder verlagert werden. (26.03.2024)
- Marelli-Schließung trifft die gesamte Region. Aus für Scheinwerferproduktion nach 78 Jahren. „Die hohen Lohn- und Energiekosten in Deutschland tun ihr Übriges. Allein die Stromkosten liegen beim Dreifachen der Vor-Corona-Zeit.“ Dazu kommen die bürokratischen Hürden, die unternehmerische Vorhaben erschwerten. Im Umkreis von 100 Kilometern sind über 100 kleine und mittelständische Unternehmen mit mehr als 4000 Arbeitsplätzen direkt abhängig, da Zulieferer, und damit von der Schließung betroffen. (04.04.2024)