Tichys Einblick
Sendung 07.10.2021

Tichys Ausblick Talk: „Erzwingen Pannen in Berlin Neuwahlen?“

In Berlin wurde bei der jüngsten Wahl von Amts wegen Manipulation ermöglicht – durch gesetzwidrige Wahlvorbereitung und weil viele Wähler ihre Stimmen nicht abgeben konnten. Wenn die Bundestagswahl in Berlin wiederholt wird, könnte die Linke den Einzug in den Bundestag doch noch verpassen.

Während schon über Koalitionen nachgedacht wird und Sieger und Verlierer auserkoren werden, ist in der Hauptstadt noch gar nicht klar, ob die Wahl nicht doch wiederholt werden muss. Über die Folgen der Wahlpannen in Berlin diskutiert Roland Tichy heute Abend mit seinen Gästen in der neuen Ausgabe von „Tichys Ausblick“.

Anatol Wiecki hat das Desaster selbst miterlebt. Er war Wahlvorsteher in einem Briefwahllokal in Berlin und wurde am Wahltag – während der Auszählung – seines Amtes enthoben. Er hatte schon vor der Wahl auf gravierende Mängel hingewiesen, die Wahlmanipulation ermöglicht haben könnten. Möglicherweise wurden zehntausende Stimmen abgegeben von Wählern, die gar nicht wahlberechtigt waren, und umgekehrt Wahlberechtigte bei der Stimmabgabe behindert.

Marcel Luthe ist Unternehmer und Politiker, erst bei der FDP und jetzt bei den Freien Wählern, für die er als Spitzenkandidat für das Berliner Abgeordnetenhaus kandierte. Er berichtet von Verstößen gegen das Wahlrecht und erläutert, welche Folgen das hat. Insgesamt kommt er auf „120 unterschiedliche Punkte bisher“. Er habe trotzdem von noch niemandem aus dem neuen Abgeordnetenhaus gehört, der die Vorgänge hinterfragt. Der dramatische Vorgang einer möglichen Wahlmanipulation wird also nicht untersucht. Das hat Folgen für die politische Akzeptanz der Demokratie generell.

Rupert Scholz ist Staatsrechtler, ehemaliger Bundesverteidigungsminister und ehemaliger Vorsitzender des Rechtsausschusses des deutschen Bundestages – er kennt das Wahlrecht genau und nennt es „das höchste demokratische Teilnahmerecht des Bürgers“. Er erwartet, dass nach einer Prüfung festgestellt wird, ob die Wahlen, zumindest die auf Berlin bezogenen, wiederholt werden müssen. Allerdings stellt er fest: „Von der Basis kommt zu wenig aktives Bewusstsein.“ Dabei hat jeder Bürger, auch außerhalb Berlins von Berchtesgaden bis Flensburg das Recht, beim Wahlausschuss des Deutschen Bundestages eine Überprüfung einzufordern und kann nach Ablehnung sogar das Bundesverfassungsgericht anrufen. Dieser Weg sei wichtig und richtig, weil die Wahl das Wesen der Demokratie sei und nicht in Zweifel gezogen werden dürfe.

Georg Gafron floh einst im Kofferraum aus der DDR und wurde später Chefredakteur der B.Z. und des Hörfunksender 100,6. Er stellt klar: „Diese Wahl muss wiederholt werden!“ Er sieht in dem Verlauf der Wahl aber keine mutwillige Manipulation, denn: „Dafür sind die zu schlampig.“ Auch er sieht die Möglichkeit, dass möglicherweise bei einer korrekten Neuwahl eines der beiden Berliner Direktmandate der LINKEN nicht bestätigt wird – und damit die 39 zukünftigen Abgeordneten der LINKEN im Deutschen Bundestag nicht in das Parlament einziehen können. Damit steht möglicherweise der Bundestag vor einer Neuzusammensetzung.


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