Die Preise an der Tankstelle explodieren, immer mehr Güter werden knapp. Selbst der bis vor Kurzem noch beschwichtigende DIW-Chef Marcel Fratzscher hält eine Inflation von bis zu 10 Prozent für möglich. Wird jetzt alles teurer – schlägt die Inflation jetzt voll durch?
Darüber sprechen Roland Tichy und Frank Henkel heute Abend bei Tichys Ausblick – mit Thomas Mayer, dem ehemaligen Chefvolkswirt der Deutschen Bank, der auch schon für Goldman Sachs und den IWF tätig war und mittlerweile die Denkfabrik „Flossbach von Storch Research Institute“ leitet. Mit dabei ist auch Christoph Ahlhaus, ehemaliger Innensenator und erster Bürgermeister von Hamburg und heute Generalsekretär des Bundeswirtschaftssenats.
Am Anfang der Debatte steht die Frage nach dem Ursprung der ansteigenden Preise. Mayer weist auf das neu geschaffene Geld hin, das in vielen Staaten dazu benutzt wurde, die Verdienstausfälle durch den Lockdown zu kompensieren. Diese Zahlungen sind laut Mayer mit Auslöser der jetzigen Inflation, da das an die Bürger überwiesene Geld nicht nur die Geldmenge ausgeweitet, sondern auch eine Nachfrage geschaffen habe, während die Produktion einbrach. An vielen Preissteigerungen ist aber auch der Staat direkt beteiligt – etwa durch die enormen Steuern aufs Benzin.
„Das ist politisch gewollt“
Ahlhaus kritisiert, dass die Politik das Problem auch jetzt nicht entschärfe, sondern stattdessen weiter ankurble. Er sieht einen Preistreiber vor allem auch in der Energiepolitik: „Es ist gewollt, dass jetzt alles so teuer ist, weil wir ja erzogen werden sollen, gewisse Dinge zu lassen, nicht mehr fliegen, nicht mehr Auto fahren oder weniger heizen. […] das ist politisch gewollt.“ Darin sieht Ahlhaus einen Brandbeschleuniger für die Inflation. Im besonders belasteten Mittelstand mache sich Frustration breit. „Das spürt jeder am Monatsende“, meint Ahlhaus.
Moderator Roland Tichy wirft dazu den Begriff der „Greenflation“ ein. Auch Mayer findet, dass die Preissteigerungen jetzt teilweise gewollt seien. Fossile Energieträger würden verteuert, ohne einen Ersatz bereitzustellen, was die Lebenshaltungskosten steigen lasse. Er vergleicht die Lage heute mit der Anfang der 1970er Jahre, als die US-Regierung unter Nixon das Bretton-Woods-System außer Kraft setzte, sich wegen des Krieges in Vietnam verschuldete und der Jom-Kippur-Krieg den Ölpreis in die Höhe schnellen ließ.
Ahlhaus ergänzt, dass das in einer Spirale münde, bei der sich die Effekte gegenseitig verstärken. Gewerkschaften würden zudem als Reaktion auf höhere Preise höhere Löhne als Inflationsausgleich fordern. Hinzu komme ein steigender Mindestlohn. Die dadurch entstehenden Lohnkosten würden von den Unternehmen wiederum an die Verbraucher weitergegeben. So dreht sich die Inflation immer schneller.
„Die Menschen haben jetzt keine Lust auf Ideologie“
Die Krise damals konnte eingefangen werden: Anfang der 1980er Jahre wurde der Leitzins in den USA auf 20 Prozent angehoben – die angebotsorientierte Wirtschaftspolitik von Reagan und der Vorstoß der Fed haben die Inflationswelle gebrochen. Dies sei heute aber so nicht mehr möglich, konstatiert Mayer. Einerseits gebe es keine mutigen Politiker mehr, die so etwas wagten, zum anderen würden solche Zinserhöhungen eine Reihe von Staaten in den Bankrott treiben. Ahlhaus bestätigt ihn hier: „Das Ding durch höhere Zinsen in den Griff zu kriegen, wird nicht funktionieren“, so Ahlhaus.
Am Ende skizziert Mayer dann doch noch einen Lösungsansatz: Der Staat müsse seine Ausgaben drastisch zurückfahren und zudem dafür sorgen, dass weiter Steuergelder reinkommen. Mit dem Überschuss müsse er dann Anleihen zurückzahlen, die er bei der Zentralbank erworben hat, und so überflüssiges Geld aus dem System ziehen.
„Man wird darüber nachdenken müssen, ob man dieses Geldsystem nicht wieder ändern muss“, so Ahlhaus. „Wenn man sich mit der Geschichte des Geldes beschäftigt, wird man feststellen, dass sich das Geldsystem in Krisen immer wieder verändert hat. […] Unser gegenwärtiges Fiat-Kreditgeldsystem, weil das Geld durch die Kreditvergabe der Banken sozusagen aus dem Nichts geschaffen wird, das entstand ja erstmals 1971, als Richard Nixon aufgrund des Verlustes der Goldreserve die Anbindung des Dollars an das Gold gekappt hat.“ Und weiter: „Schon die Chinesen haben um die erste Jahrtausendwende entdeckt, dass das Papiergeldsystem aus dem Ruder lief, und dann ging man zurück zu Silber.“
Ahlhaus resümiert: „Die Menschen haben jetzt keine Lust auf Ideologie. Sie wollen den Wohlstand, den sie sich erarbeitet haben, behalten können, und da haben sie keine Lust auf ideologische Diskussionen.“
Mayer findet, man habe sich die Welt zu lange mit Schulden „schöngepinselt“.
Bei Tichys Ausblick wird heute Abend jedenfalls nichts schöngepinselt – bei uns gibt es harte Realität statt ideologische Traumwelten. Es muss jetzt reagiert werden, unser Wohlstand ist in Gefahr.
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