Das scheint das neue Berliner Recht zu sein: Polizisten dreschen auf alte Frauen, Jugendliche und Kinder ein, boxen mit Fäusten gewaltsam ihren Opfern in den Rücken, schleudern ältere Menschen auf den Boden, und vier mit modernen Ritterrüstungen ausgestattete junge Polizisten werfen Oma aufs Kreuz. Dass es nur einen Toten gegeben hat, ist wohl nur ein glücklicher Umstand im Unglück.
Es sind dies Bilder von der letzten Querdenker-Demo. Sie machen betroffen. Nun wäre jeder Einzelfall zu prüfen; das allerdings wird kaum mehr geschehen. In den vergangenen Monaten ist es zu einer weiteren Radikalisierung gekommen.
Polizeigewerkschafter Rainer Wendt klagt im Gespräch, dass unauffällige ältere Herrschaften, Damen wie Herren, neuerdings Polizisten beschimpfen und bespucken. „Es ist die Oma, der wir früher über den Zebrastreifen geholfen haben, die uns jetzt bespuckt“, sagte er im Frühjahr.
Jede Demonstration ist seither eine Schlacht, legal, illegal ist scheissegal. Zwei hochgerüstete Parteien treffen aufeinander.
Bei den Corona-Demos trifft aber neuerdings die hochgerüstete Staatsgewalt auf Bürger, die schon vom Alter her meist gebrechlicher und keinesfalls so trainiert sind wie die Schlägertrupps der Antifa in Berlin. Und nicht die Antifa demonstriert gegen Corona, sondern um ihre Gesundheit besorgte Bürger im fortgeschrittenen Alter.
Die Fronten haben sich verkehrt. Der normale Bürger wird zwangsbehandelt.
Den Gipfel leistet sich Berlins sozialdemokratischer Innensenator mit SED-Vergangenheit, Andreas Geisel. „Dies geschieht im Namen des Gesundheitsschutzes“, sagt Geisel.
Im Namen des Gesundheitsschutzes also werden die Menschen auf den Asphalt geklatscht, geschlagen und mit Schlägen ins Gesicht verletzt? Zynischer kann man kaum sein.
Prügeln zum Schutz der Verprügelten, solche Art menschenverachtender Zynismus hat Deutschland in seiner jüngsten Vergangenheit nicht mehr erlebt; das ist ein Jargon aus düsterster Zeit. Es erinnert fatal an Begriffe, die ich nicht verwenden will: Haft zum Schutz vor dem Volkszorn. Die Schutzhaft war echt und mörderisch, der Volkszorn vorgetäuscht.
Es sind nicht die einzigen seltsamen Meldungen, die deutsche Behörden in diesen Tagen verbreiten – etwa das Polizeipräsidium Oberfranken:
„Bereits seit mehreren Wochen sind die Schleierfahnder der Grenzpolizeiinspektion Selb neben ihrer originären Aufgabe, der Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität, im Einsatz gegen die Ausbreitung des Coronavirus. Durch verstärkte stichprobenartige Kontrollen, insbesondere von Grenzpendlern und Reisenden aus Tschechien, wird die Einhaltung der geltenden pandemiebedingten Vorschriften überwacht.“
Nach Grenzkontrollen die letzte Grenze überschritten
Die Beamten kontrollieren Reisende nach Corona-Tests bis zu 50 Kilometer hinter der Grenze. Sie schaffen damit bei ihren Bürgern das, was Deutschland 2015 nicht geschafft hat: Die Sicherung der Grenzen, die damals Angela Merkel als vollkommen unmöglich erklärte – jetzt klappt es?
Es ist ein anderes Deutschland, in das man nach einer Urlaubsreise zurückkehrt: Diesmal hat sich Horst Seehofer doch durchgesetzt gegen Merkel: „Die Botschaft ist klar. Wer einreist, muss damit rechnen, kontrolliert zu werden“, sagte der CSU-Politiker. Oder hat sich Seehofer hier nur eingesetzt für Merkel?
Die Freiheit der Kommunikation durch den kurz vor den Sommerferien noch verabschiedeten Bundestrojaner beendet – Polizei und Sicherheitsdienste checken jede Chat-Gruppe auf Whats-App oder sonstwo im Netz. Der Bürger mit Handy – aus staatlicher Sicht ein Hoch-Risiko-Gefährder. Soll er doch Briefe schreiben!
Jetzt geht es darum, nach der Abschaffung des Schutzes von Wohnung, Meinung und Kommunikation das letzte noch verbliebene Grundrecht abzuschaffen: Die Entscheidungsfreiheit über den eigenen Körper. Nicht mehr um die Person geht es, deren Lebensäußerungen sind schutzlos. Jetzt geht es um die letzte Grenze – die zwangsweise Behandlung des Körpers. Das mehr oder weniger zwangsweise Einbringen von hochwirksamen Chemikalien soll an die Stelle der bisher als heilig geltenden Unverletzlichkeit des Menschen treten. Die Fremdbestimmung oder Staatsnutzung des Körpers wird total. Wer sich wehrt, lebt verkehrt, wird behauptet, ist asozial und und bald draußen vor der Tür, vor Restaurants, Geschäften, Friseuren und ohnehin geschlossenen Konzertsälen.
Das Verhältnis der Bürger zu ihrem Staat steht zur Debatte. Die Beseitigung der Grundrechte beginnt auch die letzte Grenze zu überschreiten: die Grenze des Körpers. Er soll nicht mehr uns gehören, sondern die Lauterbachs und Spahns und Söders wollen darüber entscheiden dürfen, welcher Zwangsbehandlung man sich zu unterziehen hat. Wie in einem Rausch dehnt der Staat seinen Machtanspruch aus unter Missachtung elementarster Rechte. Was sie nicht merken: Die Gesellschaft zerstört sich dabei selbst.
Die zerborstene Gesellschaft der Ausgegrenzten
Bekanntlich ist es viel einfacher, eine Porzellan-Vase auf dem Boden zu zerschmettern, als die Scherben wieder zu einer Vase zusammenzufügen.
Was wir derzeit erleben, ist, dass eine Gesellschaft in ihre Einzelteile zerschmettert wird; und es noch schwerer sein wird, sie wieder zusammenzufügen, als es schwer ist, eine Vase wieder zu kitten.
Denn beim beschädigten Porzellan oder Ton-Geschirr hat jede Scherbe ihren festen Platz und Archäologen wissen, wie man den findet. In der Gesellschaft haben wir viele Plätze oder sagen wir im Sinne der Heisenberg´schen Unschärferelation: viele Aufenthaltswahrscheinlichkeiten. Jedenfalls hat die heute übliche rechts-links-Skala keine Aussagekraft mehr. Man findet sich plötzlich auf einer Vielzahl von Scherben wieder, die sich deshalb nicht mehr zusammenfügen wollen. Weil die soziale Scherbe links oder rechts, oben oder unten passen könnte. Und es werden immer mehr und immer kleinere Bruchstücke.
Dann sind da diejenigen, die Windräder nicht für die Lösung unseres zukünftigen Strombedarfs halten. Sind sie rechts? Oder Realisten?
Was hat Stromerzeugungstechnologie mit links/rechts zu tun? Der Glaube, dass das Elektro-Auto und die Bundesbahn die Lösung unseres Mobilitätsbedarfs sind: Markiert das weitere Scherben oder Bruchlinien zwischen Reaktionären und Fortschrittsseligen – oder Realisten und fortschrittsseligen Reaktionären?
Nach diesem Motto wird derzeit jede Suche nach Lösungen für jegliches Problem zur Ausgrenzungsdebatte. Wer Negativ-Zinsen für eine Perversion erachtet, gilt als Europa-Feind, wer nicht ständig Klima-Sprüche auf der Lippe führt, ist ein Klima-Leugner – in der semantischen Nachbarschaft des Holocaust-Leugners wohnend.
Veganer, Vegetarier und alle Menschen, die grünen Willens sind, bekämpfen den Fleischesser an der Wursttheke mit Verbissenheit, gestützt auf ständige Befeuerung durch öffentlich Stellen – wäre es nicht besser, wenn uns die Diät des Nachbarn einfach Wurscht wäre? Jeder nach seiner Facon?
Und während man damit beschäftigt ist, sich die Scherbe zu suchen, auf die man passt, folgen Zuschreibungen, die man beim besten Willen nicht mehr ändern kann oder mag: Mann! Weiß! Hetero! Nicht-Migrant! Christ! Der Einfachheit halber gelten alle diese Bürger, Bedenkenträger und Nachdenklichen als „Rechte“ mit minderen Rechten. Jeder normale Einspruch gegen staatliches Handeln oder Politik wird damit delegitimiert. Die Zahl der Delegitimierten oder weil „rechts“ Stehenden wächst ständig, mit jeder neuen Frage.
Die eigene Identität wird zu Staub, der dann in eine Ecke gekehrt wird. Da finden sich auf einem Haufen dann „Flüchtlingsfeinde” und Dieselfahrer, ältere weiße Männer neben Frauen, die sich Sorge um ihre Altersversorgung machen, weil Inflation und Euro ihre zerstörerische Wirkung entfalten. Und jetzt kommt eine neue Gruppe dazu: die Nicht-Geimpften.
Immer neue Gruppen werden abgestraft
Kürzlich hat mir eine jüngere Frau, die für Einwanderung, Seenot-Schlepper, Elektroautos und gegen Kernenergie und für das Klima kämpft und unermüdlich Gendersternchen setzt, diese frühere Freundin also hat mir gestanden: Sie kann die Nachrichten von ARD und ZDF nicht mehr hören und sehen. Wie bitte? Ihr gehe diese ständige Impfpropaganda auf die Nerven. Sie fühle sich manipuliert und zur Spritze gedrängt und dabei ist sie doch seit Anfang an dabei, die Abstands-, Masken- und Isolierungsregelungen aufs Getreulichste zu erfüllen. Sie war doch immer gut, immer auf der Seite der und des Richtigen. Nur Impfen, das will sie nicht. Und jetzt ist sie plötzlich auf der Seite der Nein-Sager? Jetzt ist sie plötzlich rechts, verdammungswürdig?
Nun bin ich ja selbst geimpft, allein mein Glaube an die allein seligmachende und Glück bringende Maßnahme schwächelt. Wie man so hört, nimmt die Schutzkraft der Spritze ständig ab, und nicht nur, dass ich mich anstecken kann – ich kann auch weiter andere anstecken. Wo also ist diese Grenze zwischen Geimpften und Nicht-Geimpften? Die Grenze hat den Namen „ein wenig“. Ein wenig mehr Schutz. Nicht wirklich Schutz. Nicht wirkliche Immunität, und nicht wirklich Nicht-Ansteckung. Und dann Zwangsimpfung?
SPD-Innenexperte Wiese sieht bei den „Querdenkern“ eine zunehmende Nähe zu Reichsbürgern und „rechten” Kreisen. Die Beobachtung durch den Verfassungsschutz müsse intensiviert, die Bewegung gegebenenfalls verboten werden. Werden also Nicht-Geimpfte und zukünftig Genesene zukünftig vom Verfassungsschutz erfasst und „behandelt“, wie es aus entsprechenden Dienstanweisungen in Zeiten der DDR bekannt ist?
SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz wiederum will Bratwürste als Impfanreiz verteilen und plädiert dafür, Geimpfte sollen stolz Nicht-Geimpfte anmachen. So weit kommt es noch – ein „Ritterkreuz” für einen wirkungsbeschränkten Pieks? Über die diversen Sprüche des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder wollen wir schweigen, der seinen Kabinettskollegen und Stellvertreter Hubert Aiwanger von den Freien Wählern versucht als Volltrottel dastehen zu lassen, wobei der eine ganz vernünftige Haltung hat: Er sieht im Impfen einen «wichtigen Baustein im Kampf gegen Corona», lehnt eine Impfpflicht ab und will Geimpfte und Ungeimpfte nicht gegeneinander ausspielen. Das soll man auch nicht. Als Geimpfter sollte man für die Rechte derjenigen eintreten, die sich aus welchen Gründen auch immer nicht impfen lassen wollen: Das gebietet der Anstand. Es ist eines jeden Menschen Recht, über seine Gesundheit und seinen Körper sowie über medizinische Behandlung selbst zu entscheiden. Dieses Recht zu verteidigen ist der letzte Imperativ, und ich verteidige dieses Recht, obwohl ich anderer Meinung bin.
Aber gerade darum scheint es zu gehen: Menschen gegeneinander auszuspielen. Es werden nicht mehr Probleme benannt und behandelt, sondern Glaubenssätze zur Politik erklärt. Das hilft zwar nicht gegen angebliche Klimaerwärmung, Energieknappheit, Inflation oder Corona. Aber es schafft Feindbilder. Es erleichtert Herrschaft. Wie mühsam waren doch die Jahre, in denen noch das Grundgesetz galt!
In ihrem Hochmut allerdings merken sie nicht, dass die Wut an sehr vielen Stellen der Scherben wächst. Dann helfen auch die Knüppel der Berliner Polizei nicht mehr. Auch das ist eine Lehre, die vergessen wurde.
„Sire, Sie können mit einem Bajonett alles machen, aber Sie können nicht darauf sitzen.“ Diesen Satz hat Charles-Maurice de Talleyrand-Périgord einst Napoleon entgegengehalten. Merkel und die, denen sie nacheifert, werden diese Weisheit auch erfahren müssen.