Digitale Transformation lautet die Zauberformel der Wirtschaft, seit immer mehr Wirtschaftsbereiche digital umgewälzt werden: Medien gestern, der Handel heute, Banken morgen, Automobilindustrie übermorgen. Aber wer packt es, wer wird auf der Strecke bleiben? Der aktuelle Fall ist Osram.
Glühbirnen waren ja immer ein gutes Geschäft. Jetzt baut Osram wie schon in den vergangenen Jahren noch einmal 8.000 Stellen ab. Glühbirnen laufen aus, LEDs kommen neu. Aber Fakt ist: die alten Werke und Mitarbeiter eignen sich nicht für die LEDs. Es ist ein klassischer Fall der Transformation. Nehmen wir als weiteres Beispiel Zeitungen – immerhin wird ihre schiere Existenz in Frage gestellt, seit man News googeln kann, und News waren neben Pornos die frühesten digitalen Produkte, damals, in den fernen 90ern.
Ein Urlaubsexperiment
Ein kleines Experiment – nach 45 wertvollen Urlaubsminuten scheitere ich bei dem Versuch, die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) auf meinen Laptop zu laden. Mindestens zwanzigmal musste ich mein kompliziertes Passwort eingeben, dreimal die alte und zweimal die neue Kreditkarten-Schlangennummer ins System frickeln. Keine FAZ – denn ich hatte doch vor einem Jahr schon mal digital gekauft, seither wurde meine Kreditkarte gehackt. Geändertes Passwort und geänderte Kreditkarte – die FAZ nimmt meine Bewerbung als Leser nicht mehr an. Ende. Elektronisch werde ich nicht wie ein Stammkunde behandelt, der in den vergangenen Jahren ca. € 5000,- für FAZ-Papier ausgegeben hat, sondern wie ein Ladendieb. Ich breche ab. Der Kunde ist für die FAZ kein umworbener Leser, sondern jemand, der digital in ihr Allerheiligstes eindringen will. Die vermeintlich klugen Köpfe haben noch nicht begriffen, dass ein verschenktes Exemplar dieser Zeitung auf digitalem Weg den Verlag nichts kostet – aber einen Fan erzeugen könnte. Oder aber einen Stammkunden verärgern. Und schon mache ich mich auf den Weg.
Digital nur die Uralt-Ausgabe
Es gibt doch auch die NZZ. Sie bietet sogar eine kostenlose E-Paper-Ausgabe. Obwohl kostenlos sind doch wieder die ewigen Abfrageprozeduren zu durchlaufen. Am Ende soll ich mir erst wieder auf der Homepage ein eigenes Benutzerkonto einrichten und dann wiederkommen. Verärgert klicke ich auf das Angebot einer kostenlosen Probenummer, könnte ja reichen für einen Tag. Es erscheint am 28. Juli – die Ausgabe vom 23. Mai. Danke, liebe alte Tante NZZ, lies Dich selbst, meine Zeit ist zu wertvoll für Dich.
Ein Versuch bei der Süddeutschen Zeitung bricht sich nach hoffnungsfrohem Beginnen selbst ab, ich dann auch. Auch hier werde ich behandelt, als wolle ich gleich den ganzen Verlag mit seinen roten Zahlen kaufen, so oft werde ich abgefragt. Heute werden einem Verlage nachgeschmissen, nicht aber digitale Ausgaben.
Wann war der Anschluss?
Das Handelsblatt, dessen Verlag immerhin meinen Urlaub finanziert, will meine „Abononnt“-Nummer wissen. Erstens habe ich ganz sicher meine Buchhaltung zur Badehose eingepackt und finde jetzt die Rechnung vom vergangenen Jahr und zweitens: Wenn schon Eure Rechtschreibung so hundsmiserabel ist , glaube ich Euch auch sonst nichts mehr. Das erinnert mich daran, dass eine meiner letzten Leistungen in diesem Verlag war, Österreichern ein Digi-Abonnement zu ermöglichen. Bislang mussten sie ihre digitale (!) Bestellung mit einer deutschen Postleitzahl bestätigen. Ach ja, wann genau war der Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich? 1937? Ganz sicher war er 1945 zu Ende.
Der Tod der Versandhändler
Arme Zeitungsbranche. Oft habe ich mich gefragt: warum mussten eigentlich die Versandhändler Quelle und Neckermann sterben, just zu einem Zeitpunkt, an dem Amazon kräftig expandierte und Zalando als Schuhversender in einem Zwei-Zimmer-Büro gegründet wurde? Dabei hatten Quellemann doch alles, was man braucht: Logistikzentren, globale Einkaufsnetze und Kontakte zu mehr als zwei Generationen Stammkunden, die dort alles kauften – vom Babystrampler bis zum letzten Hemd. War es denn so schwer, den letzten Schritt zu gehen und den Katalog zu digitalisieren? Wie die Pleite der beiden Dinosaurier zeigt – es war zu schwer. So schwer, wie für einen Dinosaurier, seine Diät zu ändern. So, wie es für FAZ&Co. zu schwer ist, zu akzeptieren, dass ihre Kunden die alte Zeitung auf neuem Weg wollen. Auch sie begreifen nicht, dass der Kunde nicht Papier will, denn Fische werden heute verpackt verkauft. Sondern Information. Auf dem Weg, den er will. Nicht auf dem Weg, den ihm Verlagsmanager seit 250 Jahren zumuten. Übrigens: Bei Zalando arbeiten 400 IT-Entwickler. Wie viele hatte Neckermann? Ich nehme an zwei. Oder waren es drei? Und Zalando will den Vorgang des Auspackens so gestalten, dass die Kundinnen vor Glück schreien und so die teuren Retouren reduzieren. Klassische Versandhändler setzen auf den Staat, der Retouren kostenpflichtig machen soll. Da treffen das Kundenverständis des Obrigkeitsstaates auf das der digitalen Bürger.
Fintec und Auto
Viele Banken werden in den kommenden Jahren die nächsten sein, weil immer mehr digitale Spezialisten für Bankprodukte in den Markt drängen. Onlinebanking für das Girokonto war nur der Anfang, jetzt kommt digitale Fintec. Und schwer ist der Weg der Automobilindustrie. BMW ist am weitesten – sie konstruierten bislang zwei Automobile um den Elektromotor herum, so wie Tesla. VW, Audi, Daimler, Porsche – sie alle rüsten Autos, die für den Benzinmotor als Herz konzipiert wurden und daher einen komplizierten Antriebsstrang nebst Getriebe mit sich herumschleppen, mit Elektromotoren aus. Das kann nichts werden. Das wird wohl nix.
Digitale Transformation, also der Übergang in die digitale Welt, ist die Überlebensaufgabe. Klingt einfach. Aber versuchen Sie mal, eine digitale Zeitung zu abonnieren.
Zum Thema „Digitale Transformation“ kann ich Sie auch zu einer Veranstaltung einladen, dem „Digital Transformation Award“. Hinweise unter „Treffen mit Tichy“ auf dieser Seite.