Verwunderlich, dass manche wundert, dass die Mieten steigen. Dagegen hilft nur bauen, nicht rationieren. Aber das wäre zu einfach.
Es gibt wieder viel zu tun, und unsere famose Politik packt es natürlich an. In Hamburg sollen Miet-Schnüffler leer stehende Wohnungen melden. In Berlin will der Senat die Mietpreise für Sozialwohnungen bei 5,50 Euro pro Quadratmeter deckeln. Überall will die SPD Mieterhöhungen auch bei Neuvermietungen begrenzen, die schwarz-gelbe Koalition will die Preise einfrieren, und jeden Tag kommt was hinzu. Schließlich ist Wahlkampf, und man spürt geradezu die Erleichterung der SPD: endlich ein Wahlkampfthema, bei dem es nicht um Vortragshonorare und Kanzlerboni geht.
Das Dumme ist nur: Zusätzliche Wohnungen entstehen durch keinen dieser zusammengestoppelten Ideenkataloge. Wer Wohnungsknappheit beseitigen will, muss bauen, Ziegelstein für Ziegelstein, und dafür braucht man Bauland, Genehmigungen, Bauvorschriften und die berechtigte Hoffnung, dass sich der ganze Zirkus rechnet. Genau da liegt der eigentliche Grund für die Verteuerung: Die Nachfrage ist dem Angebot davongelaufen – gebaut wurde zu wenig, viel zu wenig. Die Experten haben ermittelt, dass bis 2025 zusätzlich 2,4 Millionen Wohnungen in den Großstädten gebraucht werden – große und kleine, preiswerte Buden für Studenten, Ausweichquartiere für zerfallende Familien. Immer mehr Fern-Pendler belegen eine Zweitbehausung. Dabei geht es erst richtig los: 400.000 Arbeitsmarkt-Zuzügler allein in diesem Jahr aus Ost- und Südeuropa suchen eine Unterkunft. Die Immobilienblase im Osten nach der Wiedervereinigung, mit Steuervergünstigung einst aufgepumpt, ist buchstäblich vollgewohnt; die mit Ostmark gebaute preiswerte Platte wurde mit Westmark zu Hunderttausenden abgerissen.
Die Deutschen sind mobil geworden – statt schicksalsergeben Arbeitslosigkeit hinzunehmen, ziehen sie in die dynamischen Wirtschaftszentren südlich der Mainlinie oder nach Hamburg. Dem Computerspezialisten in München ist mit einer Wohnung im Umfeld einer stillgelegten Werft in Rostock nicht geholfen. Leerstand in den norddeutschen Kummerregionen und dem verfallenden Ruhrgebiet kann nicht die Knappheit im Boomsüden lindern – Häuser haben keine Räder. Seit die Metropolen schick geworden sind, bluten die Vorstädte aus. Oma bleibt im Vorstadt-Reihenhaus mit Essen auf Rädern allein, während aufgebrezelte Stadtquartiere zur neuen Bühne eines hedonistischen urbanen Lebensstils werden. Wohnungsnot ist nicht immer eine soziale Frage, sondern auch des Geschmacks. Während Berlin-Mitte und der Prenzlauer Berg über Westniveau klettern, ist der Leerstand in den Plattenbauten von Marzahn hoch. Aber in diese Zone will keiner zurück, nicht mal für vier Euro – dafür kriegt man übrigens in Frankfurt gerade mal einen Garagenquadratmeter. Da ist Berlin wirklich ein gesellschaftliches Labor: Einkommensschwache, aber sozial gehätschelte Alt-Bewohner und Pioniere der Wendezeit müssen sich gegen Zuzügler zur Wehr setzen, die mit und wegen des Geldes nach Berlin ziehen – wem gehört denn nun der Kiez?
Die Städte haben gepfuscht am Bau und leiden jetzt drunter: Bauflächen wurden versteigert, höchstbietend. Billige Wohnungen auf teurem Grund kann es nicht geben. Höhere Grunderwerbsteuern und andere Abgaben, Energiesparverordnungen, die allein das Bauen schon um 15 Prozent verteuern – all das wird irgendwann auf die Miete umgelegt. Man wundert sich, dass sich manche darüber wundern wie etwa der grüne Frankfurter Planungsdezernent, in dessen irrsinnig teuren Energiesparhäusern kaum jemand mehr wohnen kann: Öko ist ja gut, aber sollte bezahlbar bleiben.
Und jetzt? Schon seltsam, dass Versicherungen und andere Kapitalsammelstellen über den Anlagenotstand jammern – sich aber aus dem Wohnungsbau zurückgezogen haben. Etwas Rendite muss schon sein. Das wäre ein Rezept, das helfen könnte. Dies ist aber wohl zu einfach in Zeiten des Wahlkampfs.
(Erschienen auf Wiwo.de am 19.01.2013)