Kopf der Woche: Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel
Schon länger nichts mehr gehört von Sigmar Gabriel, Bundeswirtschaftsminister und schon gar nicht von Andreas Nahles, Sozialministerin. Ist ja auch zu blöd gelaufen nach dem Sommerurlaub. In satter Selbstgefälligkeit hat die Große Koalition gerade den tiefsten Raubzug durch die öffentlichen Kassen verabschiedet, und jetzt bricht das Wirtschaftswachstum ein. Statt 2% im kommenden Jahr erwartet neuerdings die Bundesregierung gerade 1,2 bis 1,5%. Zum Vergleich: Die USA werden mit über 3 Prozent wachsen, Großbritannien mit 2,7%; die Welt mit fast 4. Europa und Deutschland sind die Wachstumsbremse der Welt.
Dabei hatte doch alles so gut angefangen. „Das können wir uns leisten. Wir haben mit Abstand die beste wirtschaftliche Entwicklung in Europa“. Sagte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble in Berlin Direkt am 18.5., worauf Thomas Walde in einem Erinnerungstweet mit einer Präzision hingewiesen hat, die jetzt fast unerlaubt hämisch wirkt. Jetzt schauen die Helden der Berliner Wirtschaftspolitik bedröppelt aus der Wäsche. Nun muß man ja kein Wachstumsfetischist sein; der aus allen Nähten platzende Wohlstand in Deutschland hält auch ein paar magere Jahre aus.
Wachstum, sonst platzt die Kiste
Aber leider ist die Wirtschaftspolitik auf ein fettes Wirtschaftswachstum angewiesen. Mit ihren Ausgabeprogrammen hat sie sich selbst in eine Wachstumssucht getrieben: Die Rentengeschenke der Groko kosten in absehbarer Zeit 210 Milliarden Euro; die müssen durch Wachstum erst einmal erwirtschaftet werden, wenn nicht die Beitragssätze explodieren sollen.
Die Mindestlöhne funktionieren nur, wenn die Wirtschaft boomt, nicht aber, wenn sie stagniert oder schrumpft. Wenn jetzt die Taxis wegen der Mindestlöhne ihre Tarife um 30 % anheben, dann werden weniger und nicht mehr Leute sich ein Taxi leisten und damit weniger Fahrer gebraucht und nicht mehr. Und so ist es allüberall: Viele Jahre lang brauchte es 2,3 Prozent Wachstum, um den rationalisierungsbedingten Arbeitsplatzaufbau abzufangen. Wenn das Wachstum, und das war meist der Fall, unter diese magische Grenze sank, stieg die Arbeitslosigkeit.
Diese sogenannte Beschäftigungsschwelle hat sich durch die Schröder-Reformen auf 1 Prozent gesenkt – auch bei geringem Wirtschaftswachstum steigt dann die Beschäftigung noch. Aber diesen Zeiten hat die GroKo den Garaus gemacht – wenig Wachstum, steigende Arbeitslosigkeit, so lautet die GroKo-Formel. Dummerweise kommen noch einige Nebenwirkungen hinzu. Stagniert das Wachstum, dann sinken auch die Steuereinnahmen. Es ist absehbar: Schäubles schwarze Null im Bundeshaushalt, also der ausgeglichene Haushalt, gerät in Gefahr. Potztausend aber auch, wie gemein Wirtschaft ist: Alles so schön geplant und jetzt kommt es ganz anders? Die Tage der selbstgewissen Allmachtsphantasien der Planwirtschaftspolitiker gehen schon wieder zu Ende, kaum, dass die rote Sonne ihres infantilen Sozialismus aufgegangen ist.
Und nun? Schulden oder was?
Klar, dass jetzt als erstes Schäubles schuldenfreier Haushalt wackelt. Die Logik ist ja auch bestechend: Immer neue Schulden haben zu immer weniger Wachstum geführt, da muß man doch Schulden machen, damit das Wachstum kommt, oder? Das ist jedenfalls die Leier, die jetzt gesungen wird: Macht Schulden! Denn Schulden machen Wachstum. Gern wird dabei übersehen, dass Griechenland nach dieser Maßgabe gehandelt hat. Ginge es nach seiner Verschuldung, wäre das Land Wachstumsweltmeister. Statt dessen muß es von anderen gerettet werden, die niedrigere Schulden und dafür mehr Wachstum haben. Aber was zählen schon Fakten? Und immer wieder wird die „Europäische Austeritätspolitik“ als wachstumshindernis angesehen. Die Tatsache, dass in Italien und Frankreich gerade die Staatsschulden so richtig explodieren und deren Wachstum immer noch weiter schrumpft – ach was! Wen kümmert schon die Realität, wenn sie die Träume stört?
Der Gesang der Keynesianer, der ökonomischen Rechfertigungsschule fürs Schuldenmachen, schwillt daher zum Bocksgesang.
So haben die Mittelstandsvereinigung der CDU und die Sozialausschüsse gemeinsam den Abbau der kalten Progression, also der inflationsbedingten Steuererhöhungen gefordert. Das ist eine gute Idee. Allerdings sind die linken Sozialausschüsse nur dabei, wenn die Steuereinnahmen weiter steigen. Damit ahnt man schon jetzt: Pustekuchen mit dem Abbau der kalten Progression!
Erst werden die Schulden erhöht, und damit wird begründet, dass es keine Steuersenkungen geben darf. Die Logik der Schuldenmacher besagt: Wenn Nachfrage ausfällt, muß der Staat mit schuldenfinanzierten Ausgabeprogrammen einspringen. Denn wenn der Staat Bürgern das Geld wegnimmt und selber ausgibt, so die seltsame Logik, ist das besser, als wenn er es den Bürger läßt und diese es ausgeben. Immer ist halt der Staat der Bessere und der Bürger der Dumme.
Dabei wird übersehen, dass nach den ganzen Steuererhöhungen, die nicht Steuererhöhungen genannt werden dürfen (Erneuerbare Energieabgaben, kommunale Abgaben, Steuerprogression), den Bürgern faktisch immer weniger Netto vom Brutto bleibt – und wer dann immer fordert, dass die Konsumnachfrage angekurbelt werden soll, übersieht: Wovon denn, wenn nichts mehr da ist? Also ist absehbar: Neue staatliche Ausgabenprogramme für dies und das und jenes zur Steigerung der Nachfrage und dafür weniger verfügbares Geld für die Bürger, was wiederum die Nachfrage absenkt: Wer nichts hat, kann nichts kaufen.
Als steuerzahlender Bürger ist man der Hase, der hin und her rennt, und wenn er hofft, mal etwas zu kriegen, wie die versprochene Senkung der kalten Progression, stehen der stachelige Bruder Igel und seine Frau vom Finanzamt schon da und haben es vorher schon wegkassiert.
Dahinter steht ein Weltbild, das längst nicht mehr ausgesprochen und schon gar nicht mehr in Frage gestellt wird. Es folgt zwei Regeln: Der Staat, Politiker und Beamte wissen einfach besser, wie mit dem Geld umzugehen ist. Deshalb sind hohe Steuern gut, und es gilt, das Netto der Bürger zu drücken.
Zweitens: Die Wirtschaft funktioniert nur, wenn der Staat möglichst viel hineinregiert. Dabei wäre es viel vernünftiger, jetzt den Bürgern ein paar Euros zu lassen. Die wissen schon, wofür sie diese ausgeben könnten. In dieser Phase wachsender wirtschaftlicher Unsicherheit würden sich viele Menschen gerne wenigstens ein eigenes Haus zulegen, in eine Wohnung investieren, oder sich etwas gönnen. Wenn man sie ließe. Denn Sparen, das ist ja auch so ein düsteres Kapitel, lohnt sich nicht mehr, sondern wird bestraft.
Die Flucht der Milliarden
Dazu hat die Null-Zinspolitik wesentlich beigetragen. Jetzt treibt diese Geldpolitik der Europäischen Zentralbank in die nächste Runde. Der Wert des Euro zum Dollar ist bereits um rund 10 Prozent gefallen. Das ist gut für den Export, der wird dadurch billiger. Und schlecht für den Import, der wird teurer.
Das klingt ausgeglichen. Ist es aber nicht – wenn Öl und Gas und sonstige Importe, die ja in Dollar abgerechnet werden, teurer werden, dann importieren wir Inflation. Dann könnte das passieren, wovor die Menschen zu Recht Angst haben: Dass eine Spirale anfängt sich zu drehen, die unser Geld entwertet. Noch ist die bisherige Abwertung des Euro erträglich. Aber in den USA sind die Zinsen mittlerweile um 1 bis 1,5 Prozent höher; gleichzeitig belegt die EZB Guthaben der Banken bei ihr mit einer Strafsteuer. Nun ist bekanntlich das Kapital ein scheues Reh und läuft davon, noch ehe es den Büchsenknall wirklich gehört hat. Die scheuen Rehe des Kapitals spitzen die Ohren. 500 bis 1000 Milliarden Euro stehen zur Flucht ins gelobte Land höherer Zinsen bereit; bereit auch dafür, den Euro in eine wirkliche Abwärtsspirale und die Preise in eine Aufwärtsspirale zu treiben.
Keine schöne Aussicht. Wenig Marzipan. Viel Grund zur Panik. Die Wirtschafts- und Geldpolitik hielt nur einen kurzen Sommer lang. Jetzt tritt Ratlosigkeit an die Stelle der fetten Selbstgewißheit.
100.000 Neuerscheinungen und eine Empfehlung
Die Frankfurter Buchmesse ist eine Lawine von 100.000 Neuerscheinungen. Ich habe ein Buch herausgegriffen, das sich zu lesen lohnt: „Herr Hübner und die sibirische Nachtigall“. Es beginnt mit dem lakonischen Satz:
„Er dachte, Wenn ich weglaufe, erschießen sie mich gleich hier.“
Es ist der Roman über die wahre Lebensgeschichte von zwei Bürgern der DDR, über ihre jahrzehntelange Haft in der DDR und im Gulag in Sibirien. Susanne Schädlich hat schon früher davon erzählt; „Immer wieder Dezember. Der Westen, die Stasi, mein Onkel und ich“ handelt vom Onkel ihrer Schriftstellerfamilie, der sie alle bespitzelt hat. Es sind keine lustigen Bücher. Aber sie sind wichtig, denn gerade hat Gregor Gysi, der gerne mit der lustigen Clownsmaske herumläuft, wieder erklärt, dass die DDR trotz Genickschußjustiz, Massenverhaftungen und Mauer nicht als Unrechtsstaat bezeichnet werden dürfe. Dass er es war, zeigt Susanne Schädlich; in Berlin ist die Buchpremiere im Kino Babylon in der Rosa-Luxemburg-Straße am 21. Oktober. Ausgerechnet Rosa Luxemburg, diese Protagonistin des roten Terrors, der noch heute so gern schön geredet wird, weil nicht die Toten zählen und das Leid, sondern das Wollen der roten Täter und ihre Ausreden.
Kommen Sie gut hin und wieder nach Hause
Das ist ja nicht selbstverständlich. Es ist kalt und somit Streikzeit für Lokführer und Piloten. Über die Lokführer wurde hier alles gesagt. Sie verbünden sich mit den Piloten gegen die Bürger, weil sie das Streikrecht zum Faustrecht einiger, gegen die Mehrheit der Kollegen und zu Lasten der Bürger ausbauen wollen. Ein Piloten- Gehalt beträgt per anno bis zu 255.000 €. Sie fordern 10 Prozent Zuschlag; allein das entspricht dem Jahresgehalt eines Lokführers am Rangierbahnhof. Außerdem möchten sie weiterhin mit 55 in Rente gehen dürfen – natürlich mit nur geringen Abschlägen. Die Lufthansa dagegen möchte die Altersgrenze in winzigen Schritten auf 60 Jahre erhöhen. Sicherheitsargumente sprechen nicht dagegen. Nur die Gier der Piloten in dieser seltsamen Koalition mit dem schienengebundenen Prekariat. Gemeinsam haben sie die Macht, den Verkehr zum Stillstand zu bringen. Das schadet der Volkswirtschaft mehr als die Ukraine-Krise, die jetzt als Entschuldigung für mangelndes Wachstum so bemüht wird. Die Krise ist hausgemacht.
Hausgemachte Marzipanik eben.