Christian Lindner will „mit weniger Geld wirksamere Politik machen“ und schließt ein „Aufweichen der Schuldenbremse aus.“ Das meldet die FAZ. Nun ist der Satz ja richtig, dass man besser mehr aus weniger macht statt weniger aus mehr. Und selbstverständlich müssen die Schuldenbremse eingehalten und noch mehr Schulden vermieden werden. Aber diese naive Meldung der Zeitung führt exemplarisch vor, was kritikloser Journalismus anrichtet. Es ist ja Christian Lindner, der die diversen Pläne ausgeheckt hat, wie die Schuldenbremse umgangen werden kann. Wenn er sich jetzt als solider Finanzminister darstellt, soll das zwar nach Erfüllung des Evangeliums nach Lukas klingen: „Ich sage euch, so wird Freude im Himmel sein über einen Sünder, der Buße thut, mehr als über neunundneunzig Gerechte, die da keine Buße nötig haben.“ Aber solange wir noch auf Erden wandeln, ist Lindners Schnelldrehung unglaubwürdig. Lindner klingt nach dem Dieb, der „Haltet den Dieb“ ruft.
Der Mops bewacht die Sondervermögen
Ohnehin ist die Schuldenbremse bei weitem nicht so scharf gestellt, wie jetzt im allgemeinen Lamento der Schuldengläubigen getan wird. Bernd Rürup, früheres Mitglied im Sachverständigenrat und Berater mehrerer Generationen von Politikern hat bereits im September darauf hingewiesen, dass der Bund 29 gigantische Schuldentöpfe unterhält, die blasphemisch „Sondervermögen“ genannt werden – eine elende Trickserei, mit der die Öffentlichkeit über den wahren Zustand des finanzpolitischen Desaster hinweggetäuscht wird.
Angesichts dieser Zahlen ist Christian Lindner der sprichwörtliche Mops, der den Wurstvorrat bewachen soll, wie Franz-Josef Strauß einst spottete.
Wirtschaftsminister Robert Habeck wiederum, der das von Lindner herbeigeschwindelte Geld ausgeben will, hat eine noch weiterreichendere Rechtfertigung nach dem vernichtenden Urteil des höchsten Gerichts in Rot: Jetzt fehlen die 60 Milliarden angeblich für allerlei unbedingt notwendige Umbaupläne der „Industrie, die wir schon haben“: Decarbonisierung der Stahl- und Chemieindustrie zählt er auf, und „neue Industrien“ will er erschaffen wie die Wasserstoffindustrie, für die dummerweise jede energetische Basis in Deutschland fehlt; zudem will er die Solarindustrie „hier wieder heimisch machen“. Eine wilde Mischung. Die Solarindustrie ist mittlerweile ausgereift in China ansässig; sollen wirklich Milliarden dafür ausgegeben werden, dass der überteuerte Solarstrom durch noch teurere Solarpaneele Made in Germany noch teurer wird? Da möchte man das hohe Gericht bitten: Machen Sie bitte wirklich Schluss mit der planwirtschaftspolitischen Phantasie des ewigen Kinderbuchautors zusammen mit des Finanzministers Mops-Attitüden „Sondervermögen”, die Sonderschulden sind.
Vor allem fehlen die 60 Milliarden nach Habecks Worten für die „Transformation und Unterstützung der Industrie“. Denn „mit der Bedrohung der Industrie ist natürlich eine Bedrohung der Kraft dieses Landes und der Arbeitsplätze verbunden“. Dieser Satz allerdings stimmt und ist trotzdem reif für das Buch der 1001 Märchen vom grünen Wirtschaftswunder. Es ist das Märchen, dass man grüne Arbeitsplätze mit Staatsgeld kaufen oder irgendwie herbeitransformieren könnte. Die grüne Energiewende jedenfalls ist nur eine gigantische Jobfressmaschine, die mit immer neuen Unternehmen genährt wird.
Das Fress-Monster der grünen Transformation
Laut einer Umfrage der Wirtschaftsberatungsgesellschaft Deloitte sehen 59 Prozent der befragten Unternehmen Energiesicherheit und Energiekosten als die wichtigsten Gründe dafür, um Investitionen im Ausland zu tätigen. Jede dritte Firma plane oder erwäge, Teile der Wertschöpfung zu verlagern. Befragt wurden 100 Unternehmen, der Großteil mit einem Umsatz von mehr als 50 Millionen Euro. Es sind die Großen, die gehen, und nicht nur die Bäckereien, die Habecks Gaspreisschock zu Beginn der Ukrainekriegs zwar überlebt haben, aber nur nicht mehr produzieren, um im Wischiwaschi-Beschönigungsdeutsch des Ministers für wirtschaftspolitisches Gedröhn zu bleiben, der gerade mittels einer millionenteuren Werbekampagne allen Ernstes behauptet, „Erneuerbare“ seien sicher und stünden „nahezu unerschöpflich“ zur Verfügung. Der grünen Politik in Deutschland vertraut nur, wer unerschütterlich im grünen Glauben ist.
Aber „das Vertrauen in den Standort Deutschland ist erschüttert“, urteilt Deloitte-Partner Florian Ploner. Und da sich das Bild nach nur sechs Monaten in einer neuen Erhebung weiter deutlich verschlechtert habe, sagt Ploner auch: „Wir sehen eine Deindustrialisierung.“ Es grenzt wirklich an gestörte Wirklichkeitswahrnehmung, wenn Habeck jetzt vor Abwanderung und Jobverlust warnt. Diesen Zustand führen er und seine Getreuen durch die Energie- und Bürokratisierungspolitik erst herbei. Sie schlagen der Wirtschaft und den Beschäftigten Wunden, die sich jetzt mit viel Geld verbinden wollen.
Die schon im Koalitionsvertrag beschworene grüne „Transformation“ ist eben keine Zauberformel, sondern nur schnödes Politikergewäsch. So schreiben Bert Rürup und Michael Hüther vom Institut der Deutschen Wirtschaft:
„Die Transformation zu Klimaneutralität allein ist kein automatisches Wachstumsthema … Denn Investitionen in die Dekarbonisierung können Des-Investitionen und Stilllegungen mit sich bringen. Die Erwartung eines Wirtschaftswunders im Zusammenhang mit der Transformation zur Klimaneutralität ist fraglich. Die grüne Transformation führt nicht automatisch zu wirtschaftlichem Wachstum im herkömmlichen Sinne.“
Die Wahrheit ist im Halbsatz verborgen
Die Wahrheit steckt im Halbsatz: „Wachstum im herkömmlichen Sinn“. Tatsächlich kann es kein selbstragendes Wachstum geben, wenn die Kosten der Produktion von grünem Stahl, der Absatz von E-Autos und jede Art energieverbrauchender Produktion vom Bäcker bis zum Flugzeugbau nur mit staatlichen Subventionen möglich ist. Bezeichnend, dass Habeck schon zu Beginn seiner monströsen Transformation und hunderten von Milliarden aus den verschiedensten Etats nun auch noch diese 60 Milliarden aus dem Coronafonds dafür braucht. Jede weitere Industrie die „decarbonisiert“ wird, und jedes weitere, an immer noch unwirtschaftlicheren Standorten produzierende Windrad verschlingen immer noch höhere Subventionen, statt Steuern, Sozialbeiträge, Löhne und Gehälter sowie Gewinn- und Gewinnsteuern abzuwerfen, wie man es im „herkömmlichen Sinn“ erwarten würde.
Unter Habecks Ägide entsteht eine gigantische Subventionswirtschaft neuen Typs, die zwar alles Mögliche wofür auch immer „decarbonisiert“, aber keine Werte schafft. Beispiel ist die Meisterleistung des Siemens-Konzerns mit seiner Viertel-Tochter „Siemens Energy“. Eigentlich könnte man meinen, wer sich auf den Bau von Subventionswindrädern spezialisiert, hat die Formel für leistungslose Milliardengewinne gefunden, gegen die ein Elon Musk arm wie eine Kirchenmaus auf einer Raketenspitze aussieht. Weit gefehlt. Milliardenverluste sind die Konsequenz – mit Staats-Garantien für den so entstehenden Staatsabhängigkeitskonzern. Und wieder zahlt der Steuerzahler für grüne Misswirtschaft. Klar, das diese Form der Wirtschaft nicht Wohlstand erzeugt, sondern vernichtet, nicht Steuereinnahmen schafft, sondern Steuergelder verpulvert.
Längst haben sich die deutschen Großkonzerne darauf eingestellt. Sie liefern, was die Politik bestellt. Die Autokonzerne fertigen vom Verbraucher ungeliebte Elektro-Autos für den transformierten Subventionsmarkt und bauen begehrte Verbrenner in China oder den USA. Noch nie war es so einfach, den mittlerweile ebenfalls auf grün getrimmten Gewerkschaftsspitzen von IGMetall und DGB die Zustimmung für massiven Arbeitsplatzabbau in Deutschland abzuhandeln. Die Konformgewerkschafterinnen bedanken sich artig mit der Forderung nach einem Industriestrompreis – noch mal 50 oder 80 Milliarden Subventionen pro Jahr, um den Rest der Fließbänder am Laufen zu halten.
Statt für höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen zu kämpfen, ruft die neue DGB-Vorsitzende den „Kampf gegen Rechts“ als neue Hauptaufgabe der Gewerkschaften aus; es grüßt das Vorbild der sogenannten „Freien Deutschen Gewerkschaft“ der DDR, der es auch nicht um den Wohlstand der Werktätigen ging, sondern um die Organisation von Applaus für die sozialistische Staatsmacht und ihre verkalkten Funktionäre. So wird schrittweise die gesamte Wirtschaft politisiert und der Logik der Politik unterworfen. Das ist schön, wenn dann Minister auf Verbandstagen Applaus erhalten und die Steuermilliarden in den Kassen der Großkonzerne klingeln. Da ist statt des Arguments nur der Bückling gefragt.
Der Weg in die Knechtschaft der Staatswirtschaft
Da ist Gelenkigkeit gefragt – und Michael Hüther. Der Chef des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), der oben aus dem September noch als Kritiker der grünen Transformation zitiert wird, fordert nun: „Es muss endlich ernsthaft über eine Reform der Schuldenbremse gesprochen werden“.
Der Weg in die Knechtschaft der Staatswirtschaft wird künftig also mit „Wissenschaft“ des Instituts der Deutschen Wirtschaft gepflastert und Forderungen des Bundesverbands der Deutschen Industrie nach immer neuen Subventionsmilliarden, eine neue, besonders teure Form der grünen Beschaffungskriminalität.
Das stößt selbstverständlich auf Begeisterung der öffentlich-rechtlichen Staatsorgane in den Rundfunkanstalten. Wer hinhört, dem wird tagtäglich vorgetragen, dass „Wir“ doch die Wirtschaft umbauen müssten und das gehe nicht ohne Steuererhöhung und noch massivere Verschuldung.
Aber wer ist dieses neue „Wir“? Die mit Zwangsgebühren gemästeten Staatsfunker, die außerhalb ihrer vor jedem Wettbewerb geschützten Funkwerkstätten so wenige überlebensfähig wären wie Pinguine in der Sahara? Klar, mit dem Abgreifen immer höherer Gebühren kennen sie sich aus, aber mit Wirtschaft und Modernisierung? Oder ist dieses „Wir“ der großen Transformation Robert Habecks Ministerium, die neue deutsche Plankommission, die weiß, was Konsumenten morgen brauchen und wohin der technische, wirtschaftliche und sonstige Fortschritt führt?
Survival of the fittest
Ständige Erneuerung, Anpassung und Reform sind Merkmale des Kapitalismus, das ihn so erfolgreich gemacht hat. Und seine Friedhöfe sind voll mit den Gräbern derer, die aus welchen Gründen auch immer die Anpassung, neudeutsch: Transformation nicht selbst geschafft haben, und es sind neben vielen Unbekannten große, heroische Namen darunter wie Neckermann oder Borgward, Rollei und Grundig oder der Computerbauer Nixdorf, dessen früher futuristisches Headquarter heute ein Computermuseum ist. Dumm gelaufen, dass der Einstieg in den PC verschlafen wurde, obwohl Steve Jobs persönlich seine Garage in Paderborn unterstellen wollte. Der Kapitalismus erfindet, erfordert und erzwingt gnadenlos Anpassung, er ist die Übertragung von Darwins „Survival of the Fittest“ auf die Wirtschaft – so grausam wie zukunftsschaffend.
Das war auch das Geheimnis von Ludwigs Erhards „Wohlstand für Alle“: Die Trennung von Staat und Wirtschaft, Subventionen für die Verlierer gab es nicht: Nicht für Borgward, trotz der damit verbundenen Grausamkeit, und auch nicht für Siemens. Er hat die Vertreter des BDI nicht zur Feier seines 75. Geburtstags zugelassen, denn er betrachtete sie als Feinde des Wettbewerbs, Kartellbrüder und gierige Subventionsjäger zu Lasten des Staates und der Konsumenten.
Nicht ein anonymes „Wir“ baut die Wirtschaft um, und schon gar nicht ein Wirtschaftsministerium, in dessen Leitungsebene sich ausschließlich grüne Funktionäre tummeln, die ihre wirtschaftliche Kompetenz beim Abkassieren in der Lobby-Organistion „Agora“ erworben haben. Es ist die Wirtschaft selbst, es sind die Unternehmer – oder niemand.