Enoch zu Guttenberg ist einer der sicherlich besten Dirigenten des Landes. Jetzt aber dirigiert er nicht mehr feinsinnige Künstler mit feinem Taktstöcken. Der Freiherr hat sein Schloß verlassen und kämpft mit dem Dreschflegel des Bauern gegen die „ehrenwerte Gesellschaft“ der Grünen und Windkraftkassierer, den Kapitalismus und seine Standesgenossen.
David gegen Goliath
Enoch zu Guttenberg zieht über die Dörfer und letzten Waldgebiete Deutschlands; versammelt seine Gefolgschaft zum Protest gegen Windkraftanlagen und ihre Betreiber, die nicht auf noch ein paar „weitere leicht verdiente Millionen Euro verzichten wollen: Auf das Geld von Krankenschwestern, auf das Geld von Mindestlöhnern, von den Hartz IV-Empfängern, auf das Geld von den vielen anderen kleinen Leuten, denen jede Strompreiserhöhung existentielle Schmerzen bereiten“. Es ist David, der gegen den Goliath des Großen Windgeldes zu Felde zieht.
Guttenberg ist der derzeit promineteste, wortkräftigste und bildhafteste Kämpfer gegen den grün-industriellen Ökokomplex, der mit dem Erneuerbaren Energiengesetz (EEG) entstanden ist und das Land mit wenig strombringenden, aber für die Betreiber dank fetter Subventionen ertragreichen Windrädern zubetoniert.
Mal versammelt er 500 Leute gegen „die Hinrichtung des Greiner Ecks mitten im EU geschützten Flora-Fauna-Habitat-Gebiet, einem Welt-Naturerbe“. Die letzten Ecken der deutschen Mittelgebirge sollen jetzt verspargelt werden, nachdem es an der windstärkeren Küstenlinie kam mehr Platz für den grünen Profit gibt. Mal zieht Enoch zu Guttenberg durch die Täler und greift die Täter frontal an, auch wenn der Kampf bergauf geht.
Die Ermordung des Hunsrücks
In Hunsrück-Gemeinden wettert er gegen die grüne Mainzer Wirtschaftsministerin Lembke: „Frau Lembke, haben Sie den von ihnen zerschundenen, zerstörten und jetzt ermordeten Hunsrück schon gesehen? – Erst heute Nacht sind wieder die Lastwagenkolonnen ausgerückt, um Ihr schauriges Werk, Frau Minister zu vollenden.“ Gerade Rheinland-Pfalz gilt als einer der Vorreiter der Riesenanlagen in waldreichen Mittelgebirgslagen; der einst malerische Hunsrück wurde tatsächlich längst zum modernen Industriedenkmal brutaler Umweltzerstörung denaturiert.
Guttenberg führt die Verantwortlichen persönlich vor, wie die Ministerin, die sonst schöne Sonntagsreden zum Naturschutz hält: „Sie wären schon längst im Gefängnis, wären die Gesetze nicht zu Ihren Gunsten verändert worden“, donnert er ihr entgegen. Minutiös verliest er Genehmigungsbescheide, etwa der grünen Regierungspräsidenten Brigitte Lindtscheid aus Darmstadt, und bilanziert höhnisch: “Die Natur-, Landschafts- und Denkmalbelange werden von Frau Lindtscheidt nicht höher bewertet als die Privilegierung der Profiteure, deren Taschen von den Stromrechnungen der kleinen Leute und mit unser aller Steuergelder überquellen“.
Der Judas-Lohn des EEG
Erst seit der Energiewende sei ihm klar geworden „wir korrupt Deutschland ist, wie Kommunalpolitiker abgeschmiert werden“ und ihre „Judaslöhnung kassieren“.
Im südlichen Odenwald hören seiner eineinhalbstündigen Rede 1.200 Bürger zu, wenn er den „immer noch mythisch verzaubernden Odenwald“ beschwört, „dessen sanfte Rücken für 400 weitere Riesen-Wind-Maschinen aufgrissen und industrialisiert werden sollen“.
Bei solchen Sätzen stockt der wortgewaltige Freiherr, weil ihn ein heftiges Weinen schüttelt. Guttenberg, selbst krank, kämpft jeden Tag dagegen, „dass unsere wertvollsten Kulturlandschaften und deren weitgehend noch intakten ökologischen Schönheiten endgültig vor die Hunde gehen“. Es folgen dann am Freitag 1.200 Zuhörer. Es sind meist ältere Menschen, sichtbar gebildet, natur- und heimatverbunden. So hat in den 70er Jahren auch die Ökologiebewegung angefangen, entstanden aus der mythischen Naturliebe und der Romantik des Waldes, politisch notorisch erfolglos, bis die geschulten Kader der kommunistischen Gruppen, die Trittins, Künasts und Joschka-Fischers die Öko-Bewegung als Turbo für die eigene Karriere entdeckten und gegen ihre Ursprungsideen verkehrten. Jetzt organisieren sich die Reste der alten Öko-Bewegung neu in wachsenden Kreisen um den Freiherrn der alten Öko-Bewegung.
Am darauffolgenden Samstag auf Schloß Johannisberg im Rheingau hat Guttenberg 600 Zuhörer. Dort hat der Anti-Windkraft-Dachverband „Vernunftkraft“ eingeladen. Die recht erfolgreiche „Verein Pro Kulturlandschaft Rheingau“ hilft bei der Organisation. Werner Sinn begründet im Schloss-Saal, warum mehr als 30 Prozent Erneuerbare nicht erreichbar sein werden, selbst wenn der letzte Baum geopfert wird. Der Widerstand wächst. Grade noch hat man am Mittelrhein erfolgreich die Schlacht gegen Windräder und deren „Renditen-Lug und Trug“ geschlagen, um den Nero-Berg bei Wiesbaden wird noch gerungen. Erfolg steckt an: Bürgerinitiativen, die gerade von grünen Politikern als rechte Outlaws diffamiert werden, lernen vom Erfolg. Guttenberg ist der Kristallisationskern einer neuen Bewegung mit alten Wurzeln.
Brutus ist ein ehrenwerter Mann
Für Enoch zu Guttenberg ist es ein Krieg. Er aktualisiert täglich den „Frontabschnittsbericht“ von den „Kriegsverbrechen in dem widerlichen Vernichtungskampf unserer Endverbrauchergesellschaft gegen die uns eigene, uns schützende, uns nährende, uns Identität stiftende Heimat und Natur.“ Guttenberg ist eine gewaltige Ein-Mann-Armee, dem nur eine Waffe zur Verfügung steht gegen das „spätkapitalistische Ausbeutersystem“ der Windkraftindustrie und ihrer vielen Helfershelfer: Das Wort, aber was für eines. Aber Guttenberg ist auch Künstler, ein „homme des Lettres“.
„Alle Beleidigungen, gnädigster Herr, kommen von Herzen“, beginnt er mit Willliam Shakespeare und zitiert die Trauerrede Marc Antons im Drama „Julius Cäsar“: Marc Anton nennt die Mörder, jeden Einzelnen – und jede Grußadresse an die namentlichen Mitglieder der Mörderbande beendet er mit dem Satz: „Doch Brutus ist ein ehrenwerter Mann. Das sind sie alle, alle ehrenwert“. Und das Publikum in den Versammlungssälen der Mittelgebirge folgt ihm bereitwillig, antwortet im shakespeareanischen Chor, wenn Guttenberg die Ministerpräsidentin Malu Dreyer, Hessens Wirtschaftsminister Al Wazir und die Abkassierer, Genehmiger und Profiteure vorführt: “So are they all, all honourable Men“.
Sein Spott ist ätzend, wenn er ausmalt, wie der schwarze hessische Ministerpräsident Bouffier von seinem grünen Koalitionspartner und Wirtschaftsminister Al Wazir „öffentlich an grüner Leine Gassi geführt“ wird.
Der ehrenwerte BUND
Guttenberg kämpft gegen den „Bund für Umwelt- und Naturschutz in Deutschland“ (BUND), den er einst mitbegründet hat und ausgeschieden ist, weil er dem BUND „Käuflichkeit“ vorwirft. In einem Monat steht Guttenberg vor Gericht, verklagt vom BUND-Vorsitzenden Hubert Weiger: Da steht Guttenberg und kann nicht anders: „Vor meinem Gewissen bin ich ganz sicher, nichts Falsches gesagt zu haben; ich vergaß nur in meinem Kampf gegen diese Gesellschaft, die unsere deutsche Heimat und ihre unvergleichliche Natur und Landschaften schändet und zerstört: ich vergaß diese Gesellschaft eine Ehrenwerte zu nennen“.
Guttenberg, der grandiose Musiker, versteht sich auf packende Dramaturgie. Er läßt seine Standesgenossen, die adeligen Waldbesitzer nicht unbehelligt. So führt er den Grafen Hatzfeld vor, als Zerstörer der letzten Schwarzstorch- und Rot-Milan-Brutstätten. Guttenberg wütet gegen die „Windwahnkrankheit“, die den BUND erfasst habe: „Niemals hätte ich mir träumen lassen, einmal härter gegen den eigenen Naturschutzverband kämpfen zu müssen als gegen alle Umweltfrevel der letzten 50 Jahre in unserem Land“.
Er sensibilisiert gegen den „gewissenlosesten und schmutzigsten Neusprech“, der Begriffe wie Atompark, Solarpark und Windpark als Beschönigung der Umweltzerstörung propagiere. Aber der Höhepunkt ist, wenn ein „Aktionsbündnis Artenschutz durch Erneuerbare“ der Windkraft-Lobby jetzt gegen die letzten noch aktiven Umwelt-und Naturschutzverbände zu Felde zieht. Guttenberg ist Ehrenpräsident des „Vereins für Arten- und Landschaftsschutzes“ in Bayern, ein Anti-Bund gegen die Öko-Verdiener beim BUND. Und immer wieder bestätigt das Publikum im höhnischen Chor:
„So are they all, all honourable Men“.
Guttenberg zieht eine Linie von den „skrupel- und kulturlosen Technokraten“ in den grün-geführten Ministerien des Landes und der grünen Beamten im Bund bis zu den Zerstörungen des IS in Palmyra und Mossul in Syrien. “Bald werden WIR Caspar David Friedrich, Carus- oder Dahl-Ausstellungen besuchen müssen, um in Wehmut die Bilder anzusehen, die in immer härterer Wucht von unserem Naturverlust durch den Windkraft-Wahn erzählen“.
So predigt der Freiherr und ist sich sicher: „Schnelles, im wahrsten Sinn des Wortes windiges Geld hat noch immer zurückgeschlagen“. Keiner der Zuhörer geht, wenn Guttenberg predigt, seine weiße Dirigentenmähne zurückwirft und zum nächsten bitteren Angriff übergeht. Auf das „Odenwald-Manifest“ folgt der „Johannisberges Appell“. Und Guttenberg zieht weiter über das Land, schildert lyrisch die Schönheit der Wälder und die Grausamkeit der Dummheit.
In Mecklenburg-Vorpommern gründet sich die erste Anti-Windkraft-Partei. Er wird geradezu hymnisch verehrt. Aus dem Schwarzwald kommen Zuhörer; die dortige grüne Landesregierung geht am härtesten gegen Kritiker ihrer Politik vor, isoliert und diffamiert gekonnt „besorgte Bürger“ und sorgt für die Abwahl kritischer Bürgermeister auf der Alb. Der leutselige Ministerpräsident Winfried Kretschmann ist nur ein Schutzschirm, hinter dem die Naturzerstörung umso brutaler abläuft. Doch jetzt vernetzen sich die lokalen Bürger-Initiativen, längst geht es nicht mehr um „Not in my Backyard“. Es geht um die Zerstörung der letzten Reste einer gewachsenen Natur- und Kulturlandschaft und des freien Blicks: „Ihr stellt mit Eurer Windkraft-Durch-Industrialisierung unserer verbliebenen Natur all, aber auch alles in den Schatten, was uns die ersten 20 Wirtschaftswunderjahre, die ungebremste Wachtumspolitik in den 70zigern bis 90igern, der Turbo-Kapitalismus und schließlich die Globalisierung hinterlassen haben. Ihr seid die Schlimmsten von allen“, so Guttenberg. Diese Worte schaffen die Brücke zwischen den vereinzelten, oft verängstigten, meist schlecht organisierten lokalen Initiativen.
Es ist der Konflikt zwischen einem zur Großtechnolige ausgearteten Umweltschutz, der seine Ziele aus dem Auge verloren hat und sie jetzt von Guttenberg wieder erfährt. „Wir haben 45 Jahre um die Verlegung einer kleinen Blaukehlchen-Population bis zum Fallen gekämpft. Und heute? Heute werden Sell- und Schreiadler, Störche, Eulen, Uhus, Rot- und Schwarzmilane, ganze Zugvögelzüge von den Geschütztesten der Geschützten nüchtern im Deutschen Naturschutz unter Kollateralschäden abgeheftet“ – gerade von den Verbänden und Parteien, auf die der Freiherr seine Hoffnung setzte.
„But are they all, all honourable Men“.
Die Damen selbstverständlich auch, fügt er hinzu, und dass die Quellen für seine Behauptungen jederzeit nachgeliefert würden: „Das verlangt man heute von einem Guttenberg.“
Witz ist die Waffe der sonst Wehrlosen im Krieg gegen die Windkraft.
Enoch zu Gutenberg ist gestern gestorben. Die gesamte Rede finden Sie in dem Buch von Frank Hennig, „Dunkelflaute“. Die Windräder im Rheingau, gegen die Gutenberg protestierte, wurden nicht errichtet. Zubetoniert mit autobahnbreiten Straßen und mörderischen Masten werden derzeit Hunsrück und Odenwald. Der grüne Wahn läßt sich nicht so leicht stoppen.
Hier einer seiner engagierten Vorträge gegen die Umweltzerstörung durch Windkraftanlagen: