Nun sind es also „Friedensschwurbler“, die da in Berlin hinter Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer demonstrieren. Nein, man muss nicht Anhänger der beiden Damen mit dem Hang zu Melodramatik in eigener Sache sein, um sich über diesen Begriff aufzuregen. Sascha Lobo hat ihn im Spiegel geprägt, das ist der ältere Kollege, der sich seine verbleibenden Haare auf der geschorenen Glatze zu einem Hahnenkamm (kulturelle Aneignung?) auftoupiert; der wird immer niedriger, der Hahnenkamm. Deswegen müssen wohl die Wörter immer noch aggressiver, immer noch lauter und immer noch überdrehter werden.
Das Erbe der Friedensbewegung
Friedensschwurbler ist deshalb so besonders infam, weil es den positiven Begriff „Frieden“ mit Herabwürdigung verbindet. Zukünftig hört man „Schwurbler“ mit, wenn jemand „Frieden“ sagt. Frieden ist damit kein höchster Wert mehr, sondern ein Synonym für eine besondere Art von Dummheit oder Ignoranz. Bemerkenswert, dass dies unter einer Regierung passiert, deren wesentlicher Teil als Erben der Friedensbewegung unter dem Slogan „Frieden schaffen ohne Waffen“ ins Amt kam. Poltische Aussagen sind nicht mehr viel wert.
Der Querdenker schenkt der Regierung nicht unbedingten Glauben, was man schon daran sieht, dass er keine Maske anzieht, wenn er auf dem Fahrrad fährt, sich dem medial vermittelten Impfzwang entzieht und das alles auch noch wortreich begründen kann. Neuerdings könnte sich der Querdenker an und für sich zwar wieder rehabilitieren, weil seine verqueren Gedanken ihn auf die richtige Spur gebracht haben, wie mittlerweile sogar unser oberster Maskenfanatiker Karl Lauterbach zugestehen muss.
So weit ist es mit dem Klimaleugner noch nicht. Es grenzt an sozialen Suizid, auch nur eine bescheidene Frage zu stellen, ob denn all’ diese Maßnahmen, die ganze Straßenkleberei und kleinmütige Lebensfeindlichkeit nicht vielleicht mehr Schaden anrichten als ein paar falsche Moleküle in der Luft, die ohnehin von wo ganz anders herkommen, aus China beispielsweise, oder aus Vulkanen, oder verbrennenden Städten im Donbas.
Nachdem kürzlich Otto Schily das jüngste Buch von Fritz Vahrenholt vorgestellt hat, erschien im SPD-nahen Kommentardienst „Redaktionsnetzwerk Deutschland“, den Hunderte deutscher Zeitungen abdrucken, ein Beitrag, in dem Vahrenholt als „gefährlich“ bezeichnet wurde. Die anwesenden Journalisten wurden gleich allesamt mit abserviert, die sich da nicht informieren lassen wollten, sondern sich „tummelten“, wie das RND schreibt. Schlimmer noch, die sollen sogar genickt haben! Irgendwo zu sein, zuzuhören und einzunicken macht also auch schon verdächtig. Vahrenholt habe sogar streckenweise Recht, musste der SPD-nahe Autor zugeben, mittlerweile übernehme sogar Klimaminister Robert Habeck dessen Gedanken, teilweise natürlich nur. Aber Vahrenholt bleibe eben „gefährlich“, weil ihm „nachgewiesen“ worden sei, dass er schon bei einer AfD-nahen Stiftung aufgetreten ist, und das nicht mal geheim, sondern sogar öffentlich.
Bestrafe die Abweichler
Man achte auf die Wortwahl, die Strafbares und Gefährlichkeit insinuiert, wenn das Gesagte nicht komplett, sondern auch nur teilweise der amtlichen Linie der Energiewende widerspricht.
Linientreue wird verlangt, und jede kleinste Abweichung wird als „Fraktionsbildung“ bestraft. So war es jedenfalls im real existierenden Sozialismus. Vielleicht sollte man für diese Art von Journalismus des Redaktionsnetzwerkes Deutschlands und ähnlicher Werke doch wieder den Begriff „halbamtlich“ aktivieren. Damit hat man in Zeiten des Kalten Krieges Medien im Ostblock gekennzeichnet, die auf Linie waren, aber gelegentlich ein wenig abweichen durften – der vorgegaukelten Offenheit wegen. Am Ende bleibt der Wille zur Vernichtung des Gegners. Und Gegner ist auch, wer mit dem Falschen nur zusammensitzt.
Die Unnachsichtigkeit scheint notwendig zu werden, weil diese Fraktionsbildung voranschreitet.
Der Querdenker war als Begriff notwendig geworden, weil sich der Protest nicht in das alte Rechts-Links-Schema pressen ließ. Auch wenn es zwanghaft versucht wurde, kritische Stimmen als „rechts“ zu denunzieren – es war die Mitte der Gesellschaft.
Jedenfalls beginnen sich auch viele frühere Zuwanderer, die man in Zeiten noch klarer Sprache als Nachkommen von Gastarbeitern hätte bezeichnen können, gegen weitere Zuwanderung auszusprechen. Irgendwie waren sie ja doch ganz gern nach Deutschland gekommen und hier geblieben und zwar auch gern trotz rassistischer Kränkung und Diskriminierung allenthalben. Solche kleinen Widersprüche brechen das monolithische Lager der rotgrünen Pseudomoralisten auf.
Die Energiewende klappt nicht, so viele Studien und NGOs kann man gar nicht finanzieren: Der Wind weht einfach nicht, wie er soll. In Berlin sieht man, wie schwierig die Bildung einer Regierung gegen den erkennbaren Willen der Wähler geworden ist. Da verliert die regierende rot-rot-grüne Koalition glatt viele Stimmen. Aber mit der CDU könne man schon deshalb nicht koalieren, heißt es aus der SPD und von den Grünen, weil das der Basis nicht zumutbar sei.
Jetzt trifft die Ausgrenzeritis sogar die CDU; mancher mag sich ins Fäustchen lachen (heimlich natürlich). Die CDU hat ja gerne mitgemacht bei der Dämonisierung von Kritikern als „rechts“. Und jetzt ist sie es selber. Das ist geniale Machtpolitik von Rotrotgrün – die CDU von ihren Wählern isolieren und sie dann trotzdem nicht liebhaben. Und von demokratischen Parteien reden, die man selbst als solche definiert entgegen jeder Rechtsstaatlichkeit – damit man die kleiner gewordene eigene Herde führen und lenken kann in den Pferch, in dem sie blökt, statt falsch zu wählen. Wenn die Herde schrumpft, muss die Bewachung intensiviert werden.
Die Reinheit der Lehre muss bewahrt werden
Denn die Zeiten sind verwirrend geworden und die Aufgabe, die Reinheit der Lehre zu verteidigen, wird immer schwieriger. Die katholische Kirche hat gegen die Aufklärung und Kritiker ganz allgemein die Heilige Inquisition erfunden. Die Ampel ein „Meldeportal“, und das natürlich, man ist ja so modern, digital. Bei dem neuesten Meldeportal, das Familienministerin Paus finanziert und rechtfertigt, braucht zum Beispiel besagte Alice Schwarzer gar nicht mehr gemeldet werden; sie wird dort als „transfeindlich“ geführt. Ihr ganzer Feminismus führe in die Irre, weil es ja gar keine Frauen gäbe, sondern Geschlecht ohnehin nur eine Art Einbildung ist. Auch wer ansonsten gegen Gendersprache und anderen Bullshit der Bundesregierung öffentlich argumentiert, wird aufgeführt – zur weiteren „Bearbeitung“. So nannte man den Fortgang der Fälle beim Ministerium für Staatssicherheit, der Stasi, die bei der Konstruktion des Meldeportals in Form früherer Stasi-Mitarbeiter Pate gestanden hat; irgendetwas Gutes hatte die DDR ja auch hervorgebracht, man muss es nur reaktivieren.
So lange das links war, galt sie als Heldin, wurde sogar auf den Katheder berufen in voller Kenntnis ihrer Schriften. Kommunikation sollte mehr gelten als Habilitation. Sobald sie sich als Querdenkerin und sogar Friedensschwurblerin zu erkennen gegeben hat, wurde sie medial filetiert und flott wegen unwissenschaftlicher Zitierweise gefeuert. Wobei die Texte alle Teil der Prüfung im Berufungsverfahren gewesen waren, und nicht mal die Autorin selbst behauptet hat, sie seien von „wissenschaftlichem“ Rang: Aber wenn es um Bestrafung geht, kann jedes Wort herangezogen werden und jeder schnell hingeworfene Beitrag wird zur Heiligen Schrift aufgepumpt, ehe man sie der sozialen Verbrennung überantwortet. Vernichtet wird auch die soziale Existenz des Beamten im Innenministerium, der aufgabengemäß auf mögliche Folgeschäden der Corona-Politik hingewiesen hat. Er hätte das Bundesverdienstkreuz verdient und wird stattdessen seiner Altersbezüge beraubt.
Muss das Land umbenannt werden?
Der Raum des Denkbaren wird immer weiter eingeschränkt. Immer neue Begriffe sprachlicher Gewalttätigkeit müssen für immer neue Streitfälle erfunden werden. Immer neue Meldeportale werden eingerichtet und Abstrafungen müssen exekutiert werden.
Es hilft nur alles nichts. Die Widersprüche bleiben, nehmen zu. Und wenn sie eliminiert werden und unterdrückt, dann bleibt am Ende nur der Rat, den Harald Martenstein nach einem Besuch der inkriminierten Buchvorstellung von Fritz Vahrenholt formuliert hat: „Wäre es nicht langsam an der Zeit, unser Land offiziell in ‚Deutsche Demokratische Republik‘ umzubenennen? … Für die Freiheit im Knast zu sitzen war immer eine Ehre.. Diese Ehre allerdings würde ich gerne vermeiden.
Und deshalb muss man Martenstein natürlich widersprechen. Offene Gewalttätigkeit gegen Demonstranten ist noch selten und unsere Grenzen noch offen. Aber war es das nicht am Anfang auch in der DDR so? Und wächst nicht die Zahl derer, die rätselhafterweise in Untersuchungshaft einfahren – obwohl doch sonst jeder Messermörder mit Nachweis eines Wohnsitzes im Flüchtlingsheim wieder freigelassen wird?
Deutschland, wir müssen reden.