Tichys Einblick
Kein "grünes Wirtschaftswunder"

Streit über Industriestrompreis zeigt das Scheitern von Energiewende und Atomausstieg

Erst hat der Staat preiswerte Formen der Energieerzeugung zerstört – jetzt soll der Steuerzahler die Industrie retten, die angesichts der explodierenden Strompreise nicht mehr wirtschaften kann. Es ist das Eingeständnis des totalen Scheiterns der Energiepolitik und des Ausstiegs aus der Kernenergie.

Stahlproduktion (Archiv)

dts

Es ist noch nicht lange her – am 15. April wurden drei Kernkraftwerke zwangsweise vom Netz genommen. 12 Prozent der Stromproduktion wurden ohne Not, nur aufgrund rein ideologisch getriebener Entscheidung und das angesichts der drohenden Stromlücke und steigender Energiepreise vom Netz genommen. Damals jubelte die Grünen-Politikerin Katrin Göring-Eckardt, dass endlich der Atomstrom die Netze nicht mehr „verstopfen“ könne und der Strom jetzt billiger werden könne. „Der Strompreis wird natürlich günstiger werden, je mehr Erneuerbare wir haben“, sagte Göring-Eckardt damals. „Wind und Sonne, die kriegen wir immer zum Nulltarif. Da brauchen wir die Anlagen und die Netze, und deswegen ist das das Entscheidende.“

„Große Transformation“ – große Zerstörung
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Atomkraft dagegen sei „teuer, sowohl in der Herstellung, in der Produktion, als auch danach“. Was damals schon zum Lachen reizte, wird jetzt bittere Wirklichkeit: das Eingeständnis, dass Deutschlands Energiepolitik von Tagträumern, Ideologen und komplett uneinsichtigen Politikern betrieben wird. Jetzt kommt der Katzenjammer: Trotz steigender Zahlen von Windrädern und Solarpaneelen sinkt die Stromproduktion, weil Wind und Sonne nicht regelmäßig wehen oder scheinen und überdies die Produktion von Windstrom weit teurer ist als in Kernkraftwerken: Die Kapital- und Wartungskosten sind enorm, der „Erntefaktor“, also die pro investierte Einheit produzierte Strommenge, ist zu gering.

Fachleute warnen seit Anbeginn der von Merkel begonnenen und von der Ampel forcierten Energiewende vor dieser Entwicklung. Jetzt sind die katastrophalen Folgen unübersehbar. Wirtschaftsminister Robert Habeck wörtlich: „Die Industrie wünscht sich für diese kritische Phase, wo die Preise höher sind, die Strompreise vor allem höher sind, als sie davor waren, da wünscht sie sich weitere Unterstützung. Das Stichwort ist ein Industriestrompreis. Dafür werbe ich auch. Wir haben auch nicht mehr viel Zeit, sonst in der Tat sagen die: Wir investieren schon, aber nicht mehr in Deutschland.“  Damit schließt der oberste Wirtschaftspolitik an seinen Satz an, wonach wegen der hohen Strompreise Unternehmen nicht pleite gehen. „Sie arbeiten nur nicht mehr“. Das wird jetzt Wirklichkeit.

Der Industriestrompreis soll es richten

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Die Ministerpräsidenten von NRW und Niedersachsen, Hendrik Wüst (CDU) und Stephan Weil (SPD), drängen die Bundesregierung, einen sogenannten Industriestrompreis schnell zu verabschieden. Die FDP dagegen warnt vor neuen Subventionen. Wüst und Weil stützen damit Pläne von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), dessen Ministerium einen Brückenstrompreis von 6 Cent pro Kilowattstunde für einen klar definierten Empfängerkreis vorschlägt.

„Wir brauchen eine Reform der Energiesteuern und insgesamt einen wettbewerbsfähigen Strompreis“, sagte Wüst dem Tagesspiegel (Donnerstagsausgabe). Der von Habeck vorgeschlagene Industriestrompreis könne dazu einen Beitrag leisten, allerdings nur für eine Überbrückungszeit. „Was es jetzt braucht, ist ein Planungshorizont für die Unternehmen. Hier muss die Ampel im Interesse des Industriestandorts Deutschland schleunigst liefern.“ Der CDU-Politiker sagte weiter: „An der Wettbewerbsfähigkeit unserer Grundstoffindustrie hängen zehntausende Arbeitsplätze. Ob Stahl, Chemie oder Zement: Ohne grundlastfähige, preiswerte Energie kann keine Industrie bestehen. Entlastungen für unsere energieintensiven Unternehmen sind dringend geboten – als klares Signal gegen die Deindustrialisierung und für die Sicherung von Arbeitsplätzen.“

Ähnlich äußerte sich Weil: „Der gegenwärtige Strompreis in Deutschland ist für energieintensive Unternehmen zu hoch und bedroht ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit“, sagte Weil dem Tagesspiegel. Mit sinkenden Strompreisen sei infolge des Ausbaus der erneuerbaren Energien erst ab dem Jahr 2030 zu rechnen. „In der Zwischenzeit benötigt die energieintensive Industrie Planungssicherheit in Form eines bezahlbaren Transformationsstrompreises. Mit einem solchen Überbrückungsinstrument können wir die Abwanderung von Unternehmen stoppen und der Erhalt der Wertschöpfungsketten und hoch qualifizierter Arbeitsplätze in Deutschland sichern. Anderenfalls droht für wichtige Branchen ein massiver Substanzverlust.“

Deutschland an der Abbruchkante
Willkommen in der Deindustrialisierung – Folgen von Habecks Wirtschaftspolitik
Richtig daran ist nur, dass ohne staatlich subventionierten Industriestrompreis die Industrie abwandern oder die Produktion einstellen wird. Allerdings – der Staat ist der Steuerzahler. Mehr schon als bisher über subventionierte Preise für besonders energieintensive Unternehmen sollen künftig Steuerzahler also dazu herangezogen werden, die Schäden auszugleichen, die die Politiker mit leichtfertigen Maßnahmen angerichtet haben. Für Wirtschaftsminister Robert Habeck sind Schulden der einzige Ausweg. So sieht sich Habeck im ARD-Interview zur Erklärung gezwungen: „Das sind Gelder, die wir aufnehmen, das sind also schuldenfinanzierte Gelder. Deswegen verstehe ich auch, dass der Finanzminister da kritisch draufschaut. Aber die Frage ist: Keine Gelder aufnehmen oder keine Industrie mehr haben? Und ich werbe dafür, dass wir uns für die Industrie entscheiden.“ Zukünftig sollen also Unternehmen nicht mehr wettbewerbsfähig produzieren, sondern nur noch mit Hilfe des Steuerzahlers künstlich am Leben gehalten werden.

Und wie eine Fata Morgana wird zukünftig billiger Strom beschworen – und völlig übersehen, das Wind- und Solarstrom eine besonders teure Form des Stroms ist und jeder Ausbau von Wind- und Solaranlagen die Preislasten weiter erhöht.

Kritik kommt von der FDP

Der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Christoph Meyer warnt hingegen vor neuen Subventionen. „Die vermurkste Energiewende mit neuen steuerfinanzierten Subventionen zu kitten, ist keine nachhaltige Lösung. Das ist fehlgeleitete Staatsgläubigkeit, die keines der zugrundeliegenden Probleme löst“, sagte Meyer dem Tagesspiegel. Ein Industriestrompreis missachte außerdem die schwierige Lage beim Mittelstand.

Auch die Unionsfraktion fordert eine Senkung der Stromsteuer. „Die energieintensive Industrie in Deutschland droht das Aus. Es besteht dringender Handlungsbedarf, die Strompreise müssen sinken“, sagte Julia Klöckner, wirtschaftspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Fraktion, der Zeitung: „Die Stromsteuer muss gesenkt und der Spitzenausgleich beibehalten werden.“

Klöckner warf der Ampel-Koalition vor, sie mache „die Energie in Deutschland immer teurer“ und wolle sie dann mit immer mehr Steuergeld gegensubventionieren. Die Ampel müsse rasch ein Krisenpaket für Industrie und Wirtschaft auf den Weg bringen. „Wir als Union fordern sofort einen Krisengipfel im Bundeskanzleramt.“

Aktuell koste die Kilowattstunde Strom für Industriebetriebe wieder etwas weniger, sagte Klöckner, sie liege im Durchschnitt bei etwa 25 Cent, „weltweit aber nur bei etwa 11 Cent – das kann nicht funktionieren, schon gar nicht auf Dauer.“

Gesetz unbeabsichtigter Folgen
Das Versagen der Energiewende
Bei den jetzigen Stellungnahmen von FDP und CDU sollte nicht vergessen werden, dass beide Parteien die Energiewende mitbetrieben haben. Auch die Stilllegung der letzten Kernkraftwerke erfolgte mit den Stimmen der FDP im Deutschen Bundestag. Und die CDU und CSU wandte sich erst in buchstäblicher letzter Sekunde von den Stilllegungsplänen aus der Zeit der Regierung Merkel ab – zu einem Zeitpunkt, zu dem ein Weiterbetrieb technisch schon äußerst schwierig geworden war. So bleibt die bittere Erkenntnis: Die führenden deutschen Parteien haben sehenden Auges ein Desaster angerichtet, das Wirtschaft und Wohlstand massiv vernichtet.

Sorgen um die deutsche Wirtschaft macht man sich mittlerweile auch in den USA. „Europas Wirtschaftsmotor gerät ins Stocken: Deutschland deindustrialisiert sich“, titelt Politico. Die US-Netzzeitung, die zum Berliner Springer-Konzern gehört, warnt: „Der Niedergang der größten Volkswirtschaft des Kontinents wird die bereits polarisierte politische Landschaft der EU erschüttern.“ Und: „Deutschlands größte Unternehmen kehren dem Vaterland den Rücken.“ Erwähnt wird der 1865 gegründete Chemiegigant BASF, der seine neuen Investitionen ins Ausland verlagert und im Februar die Schließung einer Düngemittelfabrik in Ludwigshafen angekündigt hat, was den Abbau von rund 2600 Arbeitsplätzen bedeutet.

Vom grünen Musterland verwandelt sich Deutschland zum weltweit abschreckenden Beispiel grüner Klimapolitik. Großbritannien schaltet bereits auf fossile Energieformen um, die in der Nordsee wieder gefördert werden sollen. Habecks ehrgeiziger Plan für Deutschland, gekrönt von einem „grünen Wirtschaftswunder“ das Bundeskanzler Olaf Scholz verspricht, zerschellt an der Realität – wegen der Größe Deutschland mit unabsehbaren Folgen auch für Europa, in wirtschaftlicher wie in politischer Hinsicht.

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